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Layout LC.indd - Professur Schett

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«Plätzen», beherrschenden Punkten, an denen die Bewohner stehen,<br />

sitzen oder liegen sollen. Diese Plätze sind durch Balkone, Einbuchtungen<br />

oder Vorsprünge in den Betonplatten oder Trennwänden gekennzeichnet.<br />

Viele der Innenperspektiven zeigen die optimale Aussicht, auf die der<br />

Bewohner hingelenkt wird, sie stellen dar, wie die «Prismen» zum<br />

Gebrauch und nicht nur zur Befriedigung des Architekten verteilt worden<br />

sind.<br />

Das Modell aber verlangt Opfer. Le Corbusiers Vorlieben traten klar bei<br />

der Ausführung und Möblierung des Hauses La Roche zutage, wobei<br />

der Bauherr ihm freie Hand gelassen halte. Wir werden sie im einzelnen<br />

als Fallstudie behandeln, denn das Haus diente zum Vorbild für spätere<br />

Inneneinrichtungen. Schlafzimmer waren im allgemeinen klein und<br />

streng gehalten, auch wenn die späteren «Luxushäuser» oft prächtigere<br />

Schlafräume mit großzügigen abgerundeten Formen hatten. Toiletten<br />

waren gewöhnlich winzig, Badezimmer sachlich, durch herrliche<br />

Porzellanware verschönt. In vielen der später gebauten Häuser hielt<br />

mit den eingelassenen Badebassins auch die Farbe Einzug: Sie waren<br />

mit kostspieligen, meist hellblauen Keramikkacheln ausgekleidet. Auch<br />

wenn den Wohnzimmern soviel Raum wie möglich zugestanden wurde,<br />

oft doppelte Höhe an einem Ende, wurde der tatsächliche Wohnbereich<br />

häufi g nach außen verlegt, auf Dachterrassen, Veranden, Balkone und<br />

Gärten. Die eigentlichen Quellen der Freude waren natürlichen Ursprungs:<br />

Sonne, Luft, der Blick auf eine schöne Landschaft, auf vorhandene oder<br />

frisch gesetzte Bäume und Pfl anzen, auf den nächtlichen Himmel. Diese<br />

Attribute eines gehobenen Lebensstils des modernen Menschen sind in<br />

dem berühmt gewordenen Brief an Madame Meyer vom Oktober 1925<br />

aufgezählt. In der Beschreibung der Villa Savoye beschwört Le Corbusier<br />

den virgilschen Traum herauf: Der moderne Mensch, umgeben von<br />

den Produkten einer mechanisierten Gesellschaft, fühlt sich in seiner<br />

intellektuellen Überlegenheit bestätigt, aber den Blick auf eine schöne<br />

und unberührte Landschaft gerichtet.<br />

Le Corbusier glaubte, wie Adolf Loos, daß man den Fortschritt nicht<br />

zurückdrehen könne. Der Mensch des zwanzigsten Jahrhunderts sei<br />

zu verstädtert, zu zivilisiert, also zwangsläufi g zu intellektuell, um<br />

sich in althergebrachten kunstgewerblichen Formen auszudrücken. In<br />

einer Welt, in welcher der Luftraum erobert worden ist, die Bautechnik<br />

sich revolutionär entwickelt hat, gehöre der Mensch in eine erhobene<br />

Position, so hoch wie möglich über dem Boden, auf daß er nicht nur<br />

der Verseuchung durch feuchte und wuchernde Vegetation, sondern<br />

auch den Folgen der Zusammenballung in den Städten entkomme. Le<br />

Corbusiers Häuser erheben sich oft zu einer Reihe von hohen Punkten,<br />

von denen aus man nicht nur die außerhalb liegende Gegend, sondern<br />

auch das Innere des Hauses selbst kontrollieren kann. Er baute, wo immer<br />

es möglich war, «Architektur-Promenaden» (eine Bezeichnung, die bei<br />

der Beschreibung der Villa La Roche zum ersten Mal geprägt wurde), die<br />

aus: Le Corbusiers Pariser Villen 1920-1930, Timothy J. Benton<br />

17<br />

in vorbildlicher Weise durch die Räume des Hauses führen, sich auf die<br />

verschiedenen Ebenen menschlicher Aktivitäten erheben und in einer<br />

Bibliothek oder einem Aussichtspunkt auf die Natur enden. Diese hohen<br />

Punkte sind oft absichtlich mit Risiken und persönlichem Engagement<br />

verbunden: Steile Leitern und eng gewundene Treppen müssen erklettert,<br />

fl ache Dächer ohne Brüstungen erstiegen werden.<br />

Die Fußböden sind nüchtern gehalten: kleine, eng verlegte Kacheln<br />

(schwarze für «öffentliche», weiße für «saubere»» Räume), nahtloses<br />

Linoleum für Schlafzimmer und Empfangsräume, Gummibelag<br />

für Aufgänge. Schwarzweiße Berberteppiche und weiße Vorhänge<br />

waren erlaubt. Thonet-Stühle und Maples-Ledersessel wurden in der<br />

ersten Hälfte des Jahrzehnts bevorzugt, Stahlrohr-Prototypen (die<br />

ebenfalls von Thonet hergestellt wurden), nachdem im Jahre 1927 die<br />

Zusammenarbeit mit Charlotte Perriand begann. Kamine aus Beton<br />

standen frei und auffallend im Raum. Die Wände waren mit Tempera-<br />

oder Ölfarbe gestrichen, in einer Skala von hellen Grün- und Blautönen,<br />

gebrannter Umbra oder Schwarz für zurückgesetzte Flächen, hell- und<br />

dunkelgrauen Halbtönen. Henry Church beschwerte sich schriftlich über<br />

das Farbschema von Le Corbusier, aber die meisten Bauherren scheinen<br />

es akzeptiert zu haben.<br />

Die Auftraggeber können in Künstler (Ozenfant, Lipchitz, Miestchaninoff,<br />

Ternisien - ein Musiker - und Planeix), Kunstliebhaber und Sammler (La<br />

Roche, Stein, Cook) und Vermögende (wieder Stein, Church, Savoye)<br />

unterteilt werden. Diese Einteilung ist in gewissem Grade hilfreich -<br />

die Ateliers können klar von den Häusern unterschieden werden -, aber<br />

eine wichtigere Unterscheidung ergibt sich aus der Zugehörigkeit der<br />

Häuser zu den verschiedenen Epochen. Beim Haus Besnus und dem<br />

Atelier Ozenfant tauchen in unterschiedlicher Stil- und Symmetriefragen<br />

auf – sie betreffend die Grundlagen, auf denen die EIemente des Le-<br />

Corbusier-Hauses beruhen: Fenster, Türen und Schränke. Vom Haus La<br />

Roche an wirkt die Entwicklung malerischer Eindrücke, innen wie außen,<br />

als Gegenpol zur strengen Analyse der Standardformen, die aus den<br />

Wohnzellen resultierten. Aus diesem Grund sind die Projekte Casa Fuerte<br />

und Mongermon (Januar bis April 1925) sowie die vier Meyer-Entwürfe<br />

(Oktober 1925 bis Mai 1926) entscheidend für die Entwicklung des<br />

Themas der «Architektur-Promenade» innerhalb der streng begrenzten<br />

Gegebenheiten städtischer Grundstücke. Bei vielen späteren Entwürfen<br />

kann man beobachten, daß zwischen dem Versuch, die Beschränkung<br />

(und eine «gegebene» Form) zu meistern, und explosive Ausbrüchen ins<br />

Malerische, Organische und Dynamische ein Konfl ikt entsteht. Der zutiefst<br />

romantische Impuls, innerhalb eines begrenzten Grundstücks und bei<br />

limitierten Finanzen unmögliche großartige Eindrücke schaffen zu wollen,<br />

wird stets neu entwickelt und tritt dann wieder in den Hintergrund. Diese<br />

Spannung zwischen Freiheit und Beschränkung kommt in einer Reihe von<br />

spezifi schen Elementen praktisch zum Ausdruck.

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