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der Rückkehr beschrieb Jeanneret seine Reiseeindrücke in Aufsätzen,<br />

die in der „Feuille d‘avis de la Chaux-de-Fonds“ erschienen. Die vor<br />

Ort erworbene Kenntnis von Stadtlandschaften, Baudenkmälern und<br />

volkstümlichen Baustilen beeinfl usste seine eigenen Entwürfe und er<br />

stellte einen Katalog städtebaulicher, architektonischer und ornamentaler<br />

Elemente zusammen, den er ungezwungen einsetzte. Die Kenntnis der<br />

Baugeschichte verringerte seine Wertschätzung für die Bauten der Antike<br />

und der Renaissance nicht. In der Folge zitierte er die „Lehre Roms“ und<br />

beschimpfte die „ehrwürdigen Scheißkerle“ der Académie des Beaux-Arts,<br />

die diese Lehre verbogen und kastrierten.<br />

Auf der Suche nach einem „neuen Geist“ in Paris<br />

Als Reaktion auf die Zerstörung der französischen Landschaft legte er<br />

zusammen mit dem Bauingenieur Max du Bois im Jahr 1914 den Entwurf<br />

des „Dom-ino“-Hauses vor (abgeleitet von den lateinischen Vokabeln<br />

„domus“ und „innovatio“). Wie Dominosteine lässt es sich in geraden<br />

Reihen zu L- oder U-Formen zusammenstellen. Die Konstruktion aus<br />

Stützen und Betongeschossdecken gewährt größtmögliche Freiheit bei<br />

der Fassadengestaltung und der Innenaufteilung. In enger briefl icher<br />

Abstimmung mit Perret begann er auch mit der Arbeit an dem Buchprojekt<br />

„France-Allemagne“, in dem er die Vorrangstellung Frankreichs in der<br />

modernen Architekturbewegung beanspruchte. Er verbrachte das Jahr<br />

1915 damit, Bücher über Stadtverschönerungen und Gärten für das<br />

1909 begonnene Buchprojekt über Städtebau abzuzeichnen, das er aber<br />

schließlich aufgab.<br />

Jeanneret siedelte 1917 mit dem Ehrgeiz nach Paris über, sich die Stadt<br />

zu Eigen zu machen. Er führte dort zunächst ein Doppelleben als<br />

Baugewerbetreibender und Intellektueller. Das einzige Bauwerk, das er<br />

zustande brachte, war ein neo-klassizistisch gestalteter Wasserturm<br />

in einem Weinberg des Bordeaux-Gebietes, in Podensac. Wegen<br />

der berufl ichen Enttäuschung stellte er die Arbeiterbewegung der<br />

Nachkriegszeit in Frage und näherte sich den reformwilligen Arbeitgebern<br />

an. Durch Perret lernte er den Maler Amédée Ozenfant kennen, der seit 1915<br />

die Zeitschrift „L‘Elan“ herausgab und in ihm das Interesse an der Malerei<br />

weckte. Beide zeigten ihre Bilder 1918 in der Galerie Thomas. In Ergänzung<br />

zur Ausstellung publizierten Ozenfant und Jeanneret das Manifest<br />

„Après le cubisme“, in dem sie ein vieldeutiges ästhetisches Programm<br />

aufstellten. Sie lobten die „Objekte der vollkommensten Banalität“, die<br />

„den Vorteil perfekter Lesbarkeit und müheloser Erkennbarkeit (haben),<br />

Zerstreuung und Ablenkung der Aufmerksamkeit vermeiden“. Im selben<br />

Jahr, in dem Jean Cocteau in „Der Hahn und der Harlekin“ die romanischen<br />

Tugenden ehrte, näherten sich Ozenfant und Jeanneret der griechischen<br />

Architektur und dem modernen Fabrikbau.<br />

Im Jahr 1920 gründeten beide zusammen mit dem Dichter und<br />

Dada-Publizisten Paul Dermée die Zeitschrift „L‘Esprit nouveau“, eine<br />

„internationale Illustrierte zeitgenössischer Werktätigkeit“, in der sie bis<br />

1925 ihre Theorien und Kritiken veröffentlichten. Der Titel stammte aus<br />

einem Gedicht von Guillaume Apollinaire. In 28 Ausgaben berichteten<br />

Ozenfant und Jeanneret über aktuelle politische, künstlerische und<br />

wissenschaftliche Entwicklungen. Gleich ab dem ersten Heft schrieb<br />

Jeanneret unter dem Pseudonym Le Corbusier (in Anlehnung an seinen<br />

Vorfahren Lecorbésier oder auch den Maler Le Fauconnier). Das visuelle<br />

Universum von „L‘Esprit nouveau“ ist verwandt mit den von Jeanneret ab<br />

1919 geschaffenen Gemälden. Durch Ozenfant lernte er Künstler wie Juan<br />

Gris, Fernand Léger und Jacques Lipchitz kennen und besuchte die großen<br />

Ausstellungen der Kunsthändler Kahnweiler und Uhde, bei denen er für<br />

den Baseler Bankier Raoul La Roche kubistische Bilder erwarb. Während<br />

des Krieges wurde die „Rückkehr zur Ordnung“ begonnen und Ozenfant<br />

und Jeanneret begaben sich - wie die Kubisten - auf die Suche nach einer<br />

verfeinerten Formensprache, lehnten aber die Aufteilung von Objekten in<br />

Kunst- und Gebrauchsgegenstände sowie jedes Abgleiten ins Dekorative<br />

ab. Um die formalen Konstanten aufzuzeigen, konstruierten sie ihre Bilder<br />

als Zusammenstellungen von „Typen“: bauchige Karaffen, Bistro-Gläser,<br />

Tellerstapel, Gitarren oder Pfeifen im Dialog mit rechteckigen Büchern<br />

und Spielwürfeln. Solche Familienporträts des Maschinenzeitalters oder<br />

„organische Bildkompositionen“ stellten Ordnung und Struktur dar und<br />

vermittelten mit ihrer der griechischen Antike entlehnten chromatischen<br />

Farbpalette eine klassische Ruhe.<br />

„L‘Esprit nouveau“ wurde weltweit vertrieben und Le Corbusier<br />

veröffentlichte auch Texte wie 1923 „Vers une architecture“ oder 1925<br />

„Urbanisme“, „L‘ Art décoratif d‘aujourd‘hui“ und „La Peinture moderne“.<br />

Letzteres redigierte er mit Ozenfant. Die Nummer 29 wurde nach der<br />

Einstellung der Zeitschrift im Jahr 1925 in einen „Almanach d‘architecture<br />

moderne“ (1926) umgewandelt. „Vers une architecture“ wurde schon<br />

bald nach seinem Erscheinen ins Englische und Deutsche übersetzt. Es<br />

zeigte in provokativen Gegenüberstellungen Verbindungen zwischen der<br />

Welt der Maschinen und der Kunst auf und bot einem breiten Publikum<br />

neue Denkanstöße. Le Corbusier verglich das Parthenon mit einem Auto<br />

von Delage und meinte, dass ein vom Bildhauer bearbeiteter Stein und<br />

ein „maschinelles Organ“ von vergleichbarer Schönheit seien. Seine<br />

„Ermahnungen an die Herren Architekten“ in Bezug auf Grundriss,<br />

Oberfl ächen und Baumasse vereinten sich in dem Bemühen, „Augen,<br />

die nicht sehen“ für den Blick auf Flugzeuge, Kraftfahrzeuge oder<br />

Ozeandampfer zu öffnen. Aber er vergaß auch nicht, in die Geschichte<br />

zurückzublicken und die Bedeutung der „Lehre Roms“ und der „Aufriss-<br />

Regler“ zu unterstreichen, nach denen die Proportionen von Notre-Damede-Paris<br />

oder der Porte Saint-Denis festgelegt waren.<br />

Therapeut kranker Städte<br />

Ab den 1920er Jahren verfolgte Le Corbusier zwei unterschiedliche

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