Plenarprotokoll
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Abgeordnetenhaus von Berlin<br />
17. Wahlperiode<br />
Seite 7752 <strong>Plenarprotokoll</strong> 17/75<br />
28. Januar 2016<br />
(Fabio Reinhardt)<br />
Im November wurde eine Massenunterkunft mit 5 000<br />
Menschen und die Änderung des Tempelhofer-Feld-<br />
Gesetzes angekündigt. Mitte November gab es dann eine<br />
Informationsveranstaltung, auf der Staatssekretär Gaebler<br />
persönlich versprach, dass es, wenn er das als Staatssekretär<br />
sage, nur um die Seite des Tempelhofer Damms<br />
gehe. Am nächsten Tag kam Senator Geisel: Natürlich<br />
brauche man auch die Neuköllner Seite. – Eine Woche<br />
später sagte dann der Senat: Auch der Columbiadamm! –<br />
Das heißt, es gab ständig neue, tagesaktuelle Informationen.<br />
Dann gab es im November die Aussprache hier in der<br />
ersten Lesung, und ich will noch mal auf ein oder zwei<br />
Punkte hinweisen, die ich dabei durchaus bemerkenswert<br />
fand. Herr Kollege Evers hat auch einiges von sich selber<br />
zitiert. Aber Sie haben eine Sache interessanterweise<br />
weggelassen. – Herr Kollege, Sie brauchen auch nicht nur<br />
auf das Smartphone zu gucken. – Sie haben persönlich<br />
gesagt, dass Sie alle Alternativen, die es für die Unterbringung<br />
gibt, vorher geprüft haben wollen und sonst<br />
einer Gesetzesänderung nicht zustimmen und es auch<br />
nicht zulassen würden, dass Ihre Fraktion das tut. Genau<br />
das erwarte ich auch von Ihnen, wenn Sie mal nicht nur<br />
damit beschäftigt sind, sich irgendwo zu beschweren,<br />
dass Immobilien vielleicht einen Wertverlust erleiden,<br />
sondern sich darauf konzentrieren, wie wir in dieser Stadt<br />
wirklich Flüchtlinge unterbringen können.<br />
[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN<br />
und der LINKEN]<br />
Aber angeblich war es ja nur ein Vorratsgesetz. Obwohl<br />
es nur ein Vorratsgesetz war, musste es natürlich direkt in<br />
der Folgewoche ohne vorherige Ankündigung, ohne<br />
vorherige Möglichkeit, eine Anhörung zu beantragen,<br />
und ohne eine sinnvolle sozialpolitische, inhaltliche Diskussion<br />
durch den Sozialausschuss gepeitscht werden.<br />
Kollege Buchholz! Das ist genau das, was nach Ihrer<br />
Darstellung angeblich nicht passiert ist, nämlich das<br />
Durchpeitschen durch die Gremien, ohne sich intensiv<br />
damit beschäftigen zu können.<br />
Übrigens hat der Sozialausschuss ja eine Variante beraten,<br />
die heute gar nicht mehr auf der Tagesordnung steht.<br />
Theoretisch hätte man das noch mal in den Sozialausschuss<br />
geben müssen, um dort die völlig andere, die geänderte<br />
Version, die ja nichts mehr mit der Ursprungsversion<br />
zu tun hat, auch noch mal auf ihre sozialpolitischen<br />
Aspekte zu prüfen.<br />
[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN<br />
und den GRÜNEN]<br />
Dass das der Sozialausschuss eh nicht tut, weil die Koalition<br />
dort kein Interesse an sozialpolitischen Fragen hat,<br />
wissen Sie genauso gut wie ich.<br />
Anfang Dezember kam dann eben eine völlig neue Version.<br />
Wegen Gegenwind und wegen Machbarkeit hieß es<br />
dann, man wolle die Randflächen gar nicht mehr nutzen,<br />
und man wolle sich jetzt doch auf das Vorfeld konzentrieren,<br />
von dem es vorher noch geheißen hatte, dass es gar<br />
nicht zu nutzen sei – wegen der mangelnden Medien. Der<br />
vorherige Entwurf war damit komplett obsolet.<br />
Dann im Januar ein Fachgespräch, wo erstmalig erklärt<br />
wurde, was man in der neuen Fassung überhaupt konkret<br />
plant. Interessanterweise war bei diesem Fachgespräch<br />
schon klar, dass am 28. Januar abgestimmt wird und was<br />
das Ergebnis der Abstimmung sein wird, nämlich dass<br />
Sie zustimmen. Formal wollten Sie aber vorher noch eine<br />
Bürgerversammlung abhalten, die aber völlig irrelevant<br />
ist, weil offensichtlich war, dass Ihr Abstimmungsverhalten<br />
schon feststeht. Insofern können sich die über tausend<br />
Menschen, die sich dort im Januar getroffen haben, fragen,<br />
warum sie dorthin gehen, wenn die Koalition ja doch<br />
den Bürgerwillen komplett ignoriert, obwohl er dort zutage<br />
getreten ist.<br />
Dann kam die Abstimmung gestern in den drei Ausschüssen<br />
– auch das natürlich im Schnellverfahren an einem<br />
Tag: Ausschuss für Stadtentwicklung, Ausschuss für<br />
Bauen und Verkehr und der Hauptausschuss. – Das ist<br />
jetzt erst mal die Chronologie der Ereignisse zu diesem<br />
Gesetzentwurf.<br />
[Dr. Manuel Heide (CDU):<br />
Das überrascht uns jetzt aber!]<br />
Ich will aber auch mal auf einen anderen wichtigen Punkt<br />
hinweisen, und zwar darauf: Hier wird ständig von Gemeinsamkeiten<br />
gesprochen. Kollege Evers hat schon<br />
wieder gesagt, er würde sich wünschen, dass wir hier mal<br />
an einem Strang ziehen. Wir haben am 12. November<br />
eine Regierungserklärung des Regierenden Bürgermeisters<br />
Müller unter dem Titel „Eine gemeinsame Kraftanstrengung<br />
für Berlin“ erlebt. Gemeinsam! Acht Mal kam<br />
das Wort „gemeinsam“ in der Regierungserklärung vor –<br />
zwölf Mal das Wort „zusammen“. Aber es gibt kein „zusammen“,<br />
es gibt kein „gemeinsam“. Sie machen Vorschläge<br />
und wollen, dass wir die absegnen. Unsere Vorschläge<br />
werden rundheraus abgelehnt. Auch wenn Vorschläge<br />
beispielsweise gestern im Hauptausschuss einstimmig<br />
angenommen wurden, werden Sie die heute<br />
wieder ablehnen. Es gibt kein Interesse von Ihnen an<br />
einer Zusammenarbeit. Wir können Vorschläge machen –<br />
noch und nöcher –, aber wenn wir Kritik üben oder wenn<br />
wir eingebunden werden wollen, dann kritisieren Sie uns<br />
noch dafür und sagen uns, dass wir ja nicht gemeinsam<br />
arbeiten würden. Das ist ein Hohn.<br />
[Beifall bei den PIRATEN und den GRÜNEN –<br />
Beifall von Regina Kittler (LINKE)]<br />
Die Widersprüche im aktuellen Verfahren sind eklatant.<br />
Es wird zum einen damit argumentiert, dass das Ganze<br />
nur temporär bis 2019 sei. In § 9 Abs. 4 des aktuell vorliegenden<br />
Gesetzentwurfs ist jedoch ausdrücklich kein<br />
Rückbau vorgesehen. Außerdem gibt es keine Argumente,<br />
die dagegen sprechen, dass Sie es einfach verlängern.