Plenarprotokoll
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Abgeordnetenhaus von Berlin<br />
17. Wahlperiode<br />
Seite 7786 <strong>Plenarprotokoll</strong> 17/75<br />
28. Januar 2016<br />
(Martin Delius)<br />
dividuell zu betreuen usw., auf diesen Weg begeben,<br />
dann verhindert doch das Probejahr, dass wir diesen Weg<br />
tatsächlich erfolgreich gehen. Ich verstehe es nicht!<br />
Die Anzuhörenden in dem Ausschuss haben auch alle<br />
gesagt: Ja, wir wollen, dass es vergleichbar ist. Wir finden,<br />
dass die beiden Schulformen miteinander gut harmonieren,<br />
bzw. wir wollen diesen Unterschied und diese<br />
Stigmatisierung nicht haben. – Der Vertreter des Gymnasiums<br />
hat gesagt: Wir kümmern uns um die Kinder. Es<br />
sind gute Lehrerinnen und Lehrer. Die wollen auch, dass<br />
alle Kinder weiter am Gymnasium arbeiten. – Wozu<br />
brauchen wir dann – verdammt noch mal! – das Probejahr?<br />
Das ist mir völlig unklar!<br />
[Beifall von Regina Kittler (LINKE)]<br />
Wir diskutieren hier seit Anfang der Legislaturperiode.<br />
Und die Geschichtsstunde – das ist schön: Ich erfahre<br />
immer wieder viel Neues über die Schulstrukturreform –<br />
Frau Remlinger, zu Ihnen sage ich gleich noch etwas –,<br />
aber ehrlich gesagt, ist es mir egal. Mir geht es darum,<br />
welche Probleme aktuell existieren und wo wir nachsteuern<br />
müssen. Da reden wir über mehr berufliche Qualifizierung,<br />
Berufsorientierung an Gymnasien, um die Gymnasien<br />
an das, was die ISS leisten können, anzugleichen.<br />
Wir reden über Stundenaufwüchse im sozialen Bereich,<br />
im Erzieher- und Betreuerbereich usw. Das sind sinnvolle<br />
Vorschläge, die jedoch der Institution des Probejahres<br />
widersprechen.<br />
Jetzt zu Ihnen, Frau Remlinger! Wir sind uns ganz oft<br />
einig. Und ich finde es auch super, dass sich die Grünen<br />
konzeptionelle Gedanken über Schule der Zukunft und<br />
solche Sachen machen. Ich finde es wichtig, dass man da<br />
Visionen entwickelt. Und dafür bin ich Ihnen auch dankbar.<br />
Aber wenn Sie sich hier hinstellen und wieder einmal<br />
typische Grünen-Rhetorik bringen, sie hätten als einzige<br />
die Qualität und die Kinder im Blick, dann wird das der<br />
Debatte nicht gerecht, dann wird das der Debatte, die in<br />
der Vergangenheit geführt wurde, nicht gerecht, und dann<br />
finde ich das z. B. mir als engagierten Bildungspolitiker<br />
gegenüber nicht fair. Das wollte ich noch einmal zum<br />
Schluss sagen. Ansonsten gibt es die Abstimmung. –<br />
Danke schön!<br />
[Beifall bei den PIRATEN –<br />
Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]<br />
Vizepräsident Andreas Gram:<br />
Danke, Kollege Delius! – Der Kollege Oberg hat jetzt das<br />
Wort für eine Zwischenbemerkung. Wir wollen immer<br />
daran erinnern: Auf den Vorredner beziehen – bitte!<br />
[Lars Oberg (SPD): Ja, ausschließlich!]<br />
Lars Oberg (SPD):<br />
Es ist nicht schwierig, sich auf den Vorredner zu beziehen,<br />
schon gar nicht, wenn er einen persönlich anspricht.<br />
– Schade, Herr Delius, dass Sie jetzt gehen!<br />
Vizepräsident Andreas Gram:<br />
Herr Delius! Es geht gerade um Sie!<br />
[Martin Delius (PIRATEN): Ja, ich weiß,<br />
aber ich habe zu tun!]<br />
Lars Oberg (SPD):<br />
Der RBB ist wichtiger als das Parlament. Das ist für<br />
einen Piraten eine beachtliche Aussage!<br />
[Zuruf von den PIRATEN]<br />
Ob er nun Pirat ist oder nicht, das entscheiden Sie selber.<br />
[Andreas Baum (PIRATEN): Das entscheidet er!]<br />
Es ist aber immerhin Ihr Fraktionsvorsitzender. Aber die<br />
Stigmatisierung ist etwas, was Herr Delius, auch wenn er<br />
jetzt dem RBB etwas anderes erzählt, als Thema eingeführt<br />
hat. Ich glaube, darüber sollten wir gemeinsam<br />
nachdenken, denn die Stigmatisierung ist nichts, was vom<br />
Himmel fällt, sondern Stigmatisierung ist etwas, was wir<br />
selber machen. Die Stigmatisierung entsteht durch uns.<br />
Sie entsteht durch Menschen. Und wenn wir uns wünschen,<br />
dass Menschen nicht stigmatisiert werden, dann<br />
sollten wir unser eignes Handeln überprüfen, ob wir nicht<br />
vielleicht selbst das, was wir beklagen, erst herbeiführen.<br />
[Steffen Zillich (LINKE): Genau!]<br />
Wenn wir uns hinstellen und sagen: Es ist eine Stigmatisierung,<br />
wenn ein Kind nach der 7. Klasse auf eine Schule<br />
kommt, wo es die gleichen Abschlüsse erreichen kann,<br />
wo es die gleichen Chancen hat, wo es eine bessere Förderung<br />
erhält als auf der Schule, auf der es bisher war,<br />
wenn wir sagen, dass das eine Niederlage ist, dass es ein<br />
Abschieben ist, dann ist es diese Rhetorik, die erst zur<br />
Stigmatisierung führt.<br />
Es gibt noch einen anderen Fall in unserem Bildungssystem,<br />
wo wir genau den gleichen Fehler machen. Es geht<br />
um die Schuleingangsphase. Die Schuleingangsphase –<br />
darauf kommen wir heute noch einmal in einer anderen<br />
Rederunde – ist so konstruiert, dass sie ein, zwei oder<br />
drei Jahre dauern kann.<br />
[Zuruf von Regina Kittler (LINKE)]<br />
Der Wille des Gesetzgeber war es zu sagen: Jedes Kind<br />
soll seine eigene Zeit bekommen. Und in dem Augenblick<br />
stigmatisieren wir, wo wir sagen: Wenn das Kind<br />
aber drei Jahre braucht, dann bleibt es sitzen, dann sind<br />
das die Verweiler, dann ist das ganz katastrophal. – Liebe<br />
Kolleginnen und Kollegen – und das geht gerade an<br />
Herrn Delius, der jetzt etwas dem RBB erzählt: Wenn Sie<br />
Stigmatisierung meinen, dann betreiben Sie in dem