Plenarprotokoll
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Abgeordnetenhaus von Berlin<br />
17. Wahlperiode<br />
Seite 7817 <strong>Plenarprotokoll</strong> 17/75<br />
28. Januar 2016<br />
(Katrin Vogel)<br />
während der 25. Konferenz der Gleichstellungs- und<br />
Frauenministerinnen ganz klar für die Notwendigkeit<br />
einer weiteren Prüfung und Umsetzung geeigneter<br />
Schutz- und Unterstützungsmaßnahmen positioniert.<br />
Darum trägt die Senatsverwaltung einen von Nordrhein-<br />
Westfalen erarbeiteten Antrag „Cybergewalt gegen Frauen<br />
und Mädchen ist reale Gewalt“ mit. Unter anderem<br />
wurde in diesem Antrag das Bundesministerium der Justiz<br />
und für Verbraucherschutz gebeten, zu prüfen, ob die<br />
derzeit geltenden strafrechtlichen Vorschriften ausreichen.<br />
Und vielleicht kommen wir ja dann auch zu einer<br />
Regelung wie sie in Österreich stattgefunden hat. – Aus<br />
diesem Grund bedarf es an dieser Stelle keiner besonderen<br />
Initiative des Senates.<br />
[Anja Kofbinger (GRÜNE): Ja, das stimmt!]<br />
In diesem Jahr 2016 werden Fachgespräche der drei zuständigen<br />
Senatsverwaltungen Arbeit/Integration/ Frauen,<br />
Justiz/Verbraucherschutz und Bildung/Jugend/Wissenschaft<br />
stattfinden, um einerseits die bestehenden Maßnahmen<br />
zur Bekämpfung von Cybergewalt abzustimmen<br />
und andererseits mögliche Lücken aufzuzeigen sowie<br />
Lösungsvorschläge zu erarbeiten.<br />
Wir können zusammenfassend feststellen, dass sich bereits<br />
mehrere Senatsverwaltungen in den jeweiligen Ressorts<br />
aktiv mit Cybergewalt auseinandersetzen und dagegen<br />
vorgehen. In Berlin bestehen bereits verschiedene<br />
Beratungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten. Was die<br />
Berliner Politik hier tun kann, geschieht also offensichtlich.<br />
– Der Antrag in der vorliegenden Form erweist sich<br />
somit als entbehrlich, was die ablehnenden Beschlussempfehlungen<br />
auch verdeutlichen. Meine Fraktion wird<br />
sich diesen anschließen. – Vielen Dank!<br />
[Benedikt Lux (GRÜNE): Stimmen Sie jetzt zu? –<br />
Anja Kofbinger (GRÜNE): Ist das so schlecht? –<br />
Beifall bei der CDU]<br />
Präsident Ralf Wieland:<br />
Danke, Frau Kollegin! – Für die Piratenfraktion hat jetzt<br />
der Kollege Kowalewski das Wort.<br />
Simon Kowalewski (PIRATEN):<br />
Geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und<br />
Kollegen! Wir haben es hier mit einem Antrag zu tun, der<br />
mit ungewöhnlicher Geschwindigkeit den parlamentarischen<br />
Gang hinter sich gebracht hat.<br />
[Michael Dietmann (CDU): Durchgepeitscht wurde der!]<br />
Die erste Lesung war am 24. September 2015 – wohlgemerkt.<br />
Aber der Antrag ist ja auch dringend. In den letzten<br />
vier Monaten, also seit wir zum ersten Mal über diesen<br />
Antrag gesprochen haben, haben wir erlebt, wie Hate-<br />
Speech in den sozialen Medien das unerträgliche Maß,<br />
das wir bereits bei der ersten Lesung angesprochen hatten,<br />
noch weit überstiegen hat.<br />
Ich habe zwei kleine Beispiele von gestern mitgebracht:<br />
Eine ARD-Korrespondentin hat in einer Kneipe antisemitische<br />
Morddrohungen erlebt. Als sie im Fernsehen darüber<br />
sprach, überschlugen sich im Internet die Kommentare<br />
von zwei Seiten: von den üblichen deutschen Antisemiten<br />
und von denen, die behaupteten, es gebe gar<br />
keinen Antisemitismus in Deutschland, und dieser Vorfall<br />
sei – natürlich falsch! – irgendwelchen Zuwanderern<br />
zuzuordnen. – Oder auch die Sprecherin von „Moabit<br />
hilft!“, also der Organisation, die sich auch gegen den<br />
Widerstand des LAGeSo dafür einsetzt, dass die Menschen,<br />
die dort tage- und wochenlang warten müssen,<br />
eben überleben können. Sie hatte sich auf ein Posting<br />
eines bislang sehr gewissenhaften Helfers verlassen, der<br />
scheinbar in seiner Überforderung einen missglückten<br />
Hilferuf abgegeben hat. Jetzt wird sie ebenfalls von Mobbing<br />
von verschiedensten Seiten, manche davon sogar<br />
hier auf der Regierungsbank, überzogen. – An wen sollen<br />
sich eigentlich diese Frauen wenden?<br />
[Michael Dietmann (CDU): Peinlich, peinlich!]<br />
Die Frage, die sich viele von Ihnen jetzt vielleicht stellen,<br />
ist aber vermutlich eher: Warum bringt der Kowalewski<br />
jetzt gerade diese beiden Beispiele? – Ich wollte damit<br />
zum Abschluss der Beratung dieses Antrags noch auf<br />
einen Punkt hinweisen, den die Kollegin Czyborra schon<br />
angerissen hat: Das sogenannte Cybermobbing passiert<br />
meist nicht nur im Internet. Es hat oft Wurzeln im Offline-Leben.<br />
Es liegt an einer Gesellschaft, die in Zeiten<br />
von rassistischen und antisemitischen Aufmärschen<br />
längst jeden Anstand verloren hat. Es liegt an einer Gesellschaft<br />
von Antifeministinnen und Antifeministen, die<br />
sich zwar als Frauenrechtlerinnen und Frauenrechtler<br />
aufspielen, wenn es dazu dient, Frauen Verhaltensvorschriften<br />
zu machen, aber den Frauen, die in der Debatte<br />
eine ihnen nicht genehme Meinung einnehmen, gleich<br />
wünschen, Opfer einer Vergewaltigung zu werden.<br />
Wir sind für diesen Antrag, weil er sinnvolle Maßnahmen<br />
zum Schutz vor Übergriffen im Internet enthält. Trotzdem<br />
sollten wir uns vor lauter Cyber-Cyber-Bingo nicht<br />
vormachen, dass wir eine kaputte Gesellschaft allein im<br />
Internet retten könnten. – Vielen Dank!<br />
[Beifall bei den PIRATEN –<br />
Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN –<br />
Beifall von Evrim Sommer (LINKE)]<br />
Präsident Ralf Wieland:<br />
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Zu dem Antrag<br />
auf Drucksache 17/2455 empfiehlt der Rechtsausschuss<br />
mehrheitlich, gegen die Oppositionsfraktionen, die<br />
Ablehnung auch mit geändertem Berichtsdatum. Wer<br />
dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um<br />
das Handzeichen. – Das sind die Grünen, die Piraten und<br />
eine Linke.