Plenarprotokoll
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Abgeordnetenhaus von Berlin<br />
17. Wahlperiode<br />
Seite 7801 <strong>Plenarprotokoll</strong> 17/75<br />
28. Januar 2016<br />
Vizepräsident Andreas Gram:<br />
Danke schön, Kollegin Bentele! – Für die Fraktion<br />
Bündnis 90/Die Grünen erteile ich jetzt das Wort der<br />
Kollegin Remlinger. – Bitte schön, Frau Kollegin!<br />
Stefanie Remlinger (GRÜNE):<br />
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau<br />
Bentele! Ich weiß nicht, warum Sie noch diesen Schlussschlenker<br />
gemacht haben. Sagen Sie mir am Schluss noch<br />
mal, wozu wir zu wenige Vorschläge gemacht haben. Ich<br />
bringe sie dann gern noch nach, wenn wir da irgendwo<br />
Versäumnisse haben. Ansonsten will auch ich hier keinen<br />
Gegensatz konstruieren, den ich nicht sehe. Wir freuen<br />
uns in der Tat – das haben wir schon vor zwei Wochen<br />
gesagt –, dass dieses Stück Weg gegangen wurde, und<br />
wenn Sie unsere Schützenhilfe bei diesem Thema hilfreich<br />
fanden, freut uns das auch.<br />
Es müsste hier eigentlich zu dem Thema Früheinschulung<br />
gar nicht mehr viel gesagt werden, wenn nicht in der<br />
Anhörung im Ausschuss aus den SPD-Reihen noch mal<br />
klar gekommen wäre, dass man die Hoffnung hat, das<br />
eventuell in der nächsten Wahlperiode wieder zurückdrehen<br />
zu können – mit anderen Mehrheiten.<br />
[Lars Oberg (SPD):<br />
Es gab keine Anhörung dazu!]<br />
– In der Diskussion. Entschuldigung! –<br />
[Lars Oberg (SPD): Was?]<br />
– Ja, das waren gerade Sie, Herr Oberg, den ich so verstanden<br />
habe. –<br />
[Lars Oberg (SPD): Lesen Sie<br />
das bitte noch mal nach!]<br />
Deshalb möchte ich doch vorsichtshalber noch etwas<br />
dazu sagen: Wir hatten heute schon mal das Thema, und<br />
wir würden als Ziel formulieren: Zwangfreie Wege zur<br />
guten Schule! – Wir haben Lehren aus der Schulstrukturreform<br />
zu ziehen, und wir hatten Lehren aus JüL zu ziehen,<br />
wo das ursprünglich für alle Schulen verpflichtend<br />
und übergeordnet war. Es war klug, das zu korrigieren.<br />
Genauso ist es bei der Früheinschulung, die anfangs auch<br />
ohne die Möglichkeit von Rückstellungsanträgen usw.<br />
verordnet worden war. Damit haben Sie sich einen Bumerang<br />
eingehandelt, den Sie dann auch durch eine sukzessive<br />
Erleichterung der Rückstellungen nicht mehr einfangen<br />
konnten. Deshalb ist es klug, auch hier eine Korrektur<br />
vorzunehmen. Wir sind froh, dass sie jetzt endlich<br />
kommt.<br />
Im Hinblick auf Ihr „Wir schrauben das wieder zurück“<br />
möchte ich noch sagen, dass Sie wieder nicht beweisen<br />
konnten, dass es irgendjemandem nützt. Sie konnten mit<br />
Hängen und Würgen nur beweisen, dass es nicht schadet.<br />
Sie haben auch keinerlei Begründung dafür gebracht,<br />
warum unsere Berliner Kinder früher den Übergang von<br />
der Kita in die Schule meistern müssen als Kinder im<br />
übrigen Bundesgebiet. Sie haben auch nie bewiesen, dass<br />
die Kita der falsche Ort sei, um fünf- oder sechsjährige<br />
Kinder zu fördern.<br />
Abschließend möchte ich angesichts Ihrer Ausführungen<br />
im Ausschuss sagen: Statt die Familien zu beschimpfen,<br />
sie würden ihre Kinder zu sehr behüten, möchte ich Ihnen<br />
mitgeben, dass es produktiver wäre, darüber nachzudenken,<br />
ob das Kind-sein in diesen schwierigen Zeiten nicht<br />
auch ein Wert an sich ist. Wir jedenfalls sehen das so. –<br />
Vielen Dank!<br />
[Beifall bei den GRÜNEN]<br />
Vizepräsident Andreas Gram:<br />
Vielen Dank, Frau Kollegin Remlinger! – Die SPD hat<br />
den Kollegen Oberg benannt. Ich erteile ihm das Wort. –<br />
Bitte schön!<br />
Lars Oberg (SPD):<br />
Herzlichen Dank! – Liebe Kolleginnen und Kollegen!<br />
Herr Präsident! Frau Remlinger! Ihre Rede hat bewiesen,<br />
dass es richtig ist, noch einmal ein bisschen genauer hinzugucken,<br />
wie das eigentlich mit der Früheinschulung in<br />
Berlin gekommen ist, denn offenbar haben Sie einiges<br />
von dem, was in den letzten Jahren stattgefunden hat,<br />
entweder nicht miterlebt oder nicht verstanden. Bei der<br />
Entscheidung vor über zehn Jahren, das Einschulungsalter<br />
zu verändern, gab es einige gute oder zumindest wirkungsmächtige<br />
Argumente. Da gab es den breiten gesellschaftlichen<br />
Wunsch, mehr Geschwindigkeit in das Bildungssystem<br />
zu bringen. Schüler sollten schneller zum<br />
Abitur kommen, früher und schneller zu einem ersten<br />
Abschluss studieren und eben auch früher in die Schule<br />
kommen. Das war die wüste Zeit des Neoliberalismus, in<br />
der PISA noch ein wildes Echo fand. Das war früher.<br />
Ein richtiges Argument für die Früheinschulung war die<br />
auch heute noch richtige Überlegung, für alle Kinder die<br />
aus ihrer sozialen Herkunft erwachsenden Nachteile<br />
durch frühe Bildung möglichst früh auszugleichen. Es<br />
ging um frühe Bildung, Spracherwerb bei gleichzeitiger<br />
Flexibilisierung der Schuleingangsphase, die individuell<br />
ein, zwei oder drei Jahre für jedes Kind bedeutete. Es<br />
wird in der Diskussion immer unter den Tisch fallen<br />
gelassen, dass damals mit dem vorgezogenen Einschulungsalter<br />
auch eine Reform des Beginns der Grundschule<br />
vorgenommen wurde, die es möglich macht, dass kleinere<br />
Kinder und Kinder mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen<br />
individuell ihren Weg in die Grundschule<br />
finden, der ein, zwei oder drei Jahre dauert.<br />
Seitdem hat sich einiges geändert. Der Neoliberalismus<br />
findet sich nur noch in ein paar gesellschaftlichen und<br />
parlamentarischen Nischen, auch in einigen Nischen<br />
dieses Hauses, aber nicht mehr in großen. Verändert hat<br />
sich auch der Wunsch vieler Eltern. Heute steht