78 Teufels Werk und Gottes Beitrag Dies ist die Nacherzählung einer völkerverbindenden Love-Story. Österreich meets Italien. Obstler, gemischt mit Aperol-Sprizz. Frauscher trifft Feltrinelli. Es ist die Geschichte zweier großer Dynastien, die ihre Begeisterung für Motorboote verbindet. Das Produkt dieser Liebesheirat ist das vielleicht schönste und wendigste, garantiert jedoch eines der exklusivsten Motorboote der Gegenwart. Text: Florian T. Mrazek · Fotos: Heiko Mandl
YACHTEN 79 Da stehen wir nun und warten. Redakteur und Fotograf, beide starren wortlos über das unbewegte Wasser. Sieben Uhr am Morgen ist sogar der berüchtigten Gardaseewelle zu früh. Nun ja, die Italiener habens halt nicht so mit dem zeitigen Aufstehen. Drüben, am anderen Ufer des Gardasees, liegt am Monte Baldo sogar noch Schnee. Und das Mitte Mai, hier im Trentino. Fröstelnd erwarten wir die ersten wärmenden Sonnenstrahlen eines ganz besonderen Tages. Erster, furchtbarer Gedanke: Ist es zeitgemäß, was hier gleich passiert? Darf soviel Spaß überhaupt noch sein, während daheim die Politiker darum streiten, ob auf sechsspurigen Autobahnen nun Tempo <strong>10</strong>0 oder doch lieber Tempo 80 angesagt ist? Ist das, was wir hier machen, politically correct? Zweiter, tröstender Gedanke: Ja, ja und nochmal ja! Solche Momente werden sogar immer wichtiger. Am Ende von Tempolimitkriegen und Spritpreiswahnsinn steht doch immer noch der Spaß. Und während Reinhard Mey die ultimative Freiheit einst über den Wolken vermutete, wissen wir es besser: Die letzte Herausforderung erwartet echte Benzinbrüder am Wasser des Gardasees. Hier und jetzt. Plötzlich sind sie da. Die Brüder Mauro, Sergio und Dino Feltrinelli. Wie sie so verschlafen daherstiefeln mit müden Mienen, könnten sie ebenso gut Corleone heißen, wie das Mafia-Geschlecht aus Francis Ford Coppolas Mafia-Epos „Der Pate“. Mauro, der Älteste, wäre dann ganz klar der Don Vito, also Marlon Brando, Dino als Jüngster ginge mit etwas Augenzudrücken als Michael alias Al Pacino durch. Lediglich der Mittlere, Sergio, passt da nicht ganz ins Bild. Sein gelassener Blick hinter dem altmodischen Brillengestell erinnert eher an Meister Geppetto als an blutige Mafiakriege. Kein Licht ohne Schatten So groß die Triumphe der Vorkriegsrennen auch waren, so fatal wirkten sie sich auf die Finanzen der Familie aus. Ein Rennen nach dem anderen zu gewinnen, ohne dabei die Verkaufszahlen anzukurbeln, führte mit wehenden Fahnen ins Verderben. So war es der Vater der drei Brüder, der 1964 den Bau originaler Feltrinelli-Boote stoppte. Zu gewaltig war die Konkurrenz serienmäßiger GfK-Boote aus industriellen Anlagen geworden. Das wertvolle Handwerk, über Generationen weitergeben, war plötzlich nichts mehr wert. Es brauchte schon ein kleines Wunder, um die traditionsreiche Familie wieder an die alte Stärke zurückzuführen. Dieses Wunder kam aus Oberösterreich. Hier, im verschlafenen Keramikstädtchen Gmunden, schrieb ein anderes, kleines Familienunternehmen sein Märchen vom Erfolg. Auch hier ist es ein Trio, Stefan, Michael und Andrea, das mit dem Bau hochmoderner Elektro- und Motorboote mit so klingenden Namen wie „Riviera“, St. Tropez“ oder „Valencia“ erfolgreich ist. Auch sie blicken auf eine 80-jährige Tradition und mehr als 6.500 verkaufte Boote zurück, schafften dank eines spektakulären Hybrid-Projekts mit Steyr Motors und dem weltweit ersten serienmäßigen Wasserstoff-Elektroboot jedoch den Fitnesstest fürs 21. Jahrhundert. Don Vito, Al Pacino und Geppetto Kaum jemand würde in ihnen die Vertreter einer der bedeutendsten Bootsdynastien Europas vermuten. Die Heilige Dreifaltigkeit des Wassers. The Godfathers of Motorboot. Seit 1870 bauen die Feltrinellis hier in Gargnano am Westufer des Gardasees schon Boote. Lange bevor die Filmcrew des letzten James Bond-Streifens unweit von hier zwei Aston Martins am Seegrund parkte, war ihr Großvater Dino Feltrinelli in den 1920er und 1930er Jahren der Held legendärer Motorbootrennen wie der Coppa dell’Oltranza oder der Giornata del Fuoribordo am Comosee. Die jahrzehntelange Legendenverdichtung mag anderswo wirksamer gewesen sein. Dass anno dazumal der Vater eines gewissen Carlo Riva als Lehrling seine ersten Nieten in Feltrinelli-Boote geschlagen hat – lange, bevor das erste Riva-Boote gebaut war – rückt die Maßstäbe aber wieder zurecht. 1 Mach mir den Walfisch. Das Lieblingskunststück von Dino Feltrinelli. 2 The Godfathers of Motorboot. Mauro, Sergio und Dino Feltrinelli, Vertreter einer der bedeutendsten Bootsdynastien Europas.