Zech et al. - 2014 - Böden der Welt ein Bildatlas
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A.1 Cryosole (CR) [gr. krýos = Kälte, Eis]<br />
Definition<br />
Böden mit <strong>ein</strong>em cryic** Horizont (Symbol f), <strong>al</strong>so<br />
<strong>ein</strong>er ganzjährig gefrorenen Bodenlage (Permafrost).<br />
Während des kurzen Sommers taut <strong>der</strong> Oberboden<br />
auf („active layer“), was zu Wasserstau und Redoximorphose<br />
oberh<strong>al</strong>b des cryic** Horizonts führen<br />
kann. Während des Wie<strong>der</strong>gefrierens tr<strong>et</strong>en häufig<br />
Verwürgungen (Kryoturbationen) auf (Symbol @),<br />
welche die Ausbildung horizont<strong>al</strong> verlaufen<strong>der</strong><br />
Horizonte verhin<strong>der</strong>n (Turbic*). Typische Horizontfolgen<br />
sind Ah-Bw@-Cf, Ah@-Bw@-Cf, Ah-<br />
Bwf-Cf o<strong>der</strong> Ah-Cf. Der cryic** Horizont beginnt<br />
innerh<strong>al</strong>b 100 cm u. GOF. Sofern Kryoturbation<br />
innerh<strong>al</strong>b <strong>der</strong> oberen 100 cm auftritt, genügt es,<br />
wenn <strong>der</strong> cryic** Horizont innerh<strong>al</strong>b 200 cm beginnt.<br />
Wegen <strong>der</strong> langsamen Zers<strong>et</strong>zung organischer<br />
Substanzen entwickeln sich oft Torflagen<br />
(Histic*), doch werden Permafrostböden mit mächtigeren<br />
organischen Lagen (wenn direkt auf Eis,<br />
dann genügen ≥10 cm) zu den Histosolen gestellt.<br />
In semiariden Regionen können sich aszendent<br />
S<strong>al</strong>zkrusten an <strong>der</strong> Oberfläche ausbilden (S<strong>al</strong>ic*).<br />
Physik<strong>al</strong>ische Eigenschaften<br />
Im gefrorenen Zustand Eisgeh<strong>al</strong>te zwischen 30<br />
und 75 Vol. -% in Form von Krist<strong>al</strong>len, Linsen<br />
o<strong>der</strong> Schlieren; Horizonte mit massivem Eis<br />
>75 Vol.-% erh<strong>al</strong>ten das Symbol I;<br />
häufig Wasserstau und Redoximorphose über<br />
<strong>der</strong> stauenden Permafrostlage;<br />
organische Horizonte: während <strong>der</strong> Tauperiode<br />
locker gelagert mit geringer Dichte, hohes Wasserh<strong>al</strong>tevermögen;<br />
Luftmangel;<br />
miner<strong>al</strong>ische Horizonte: an <strong>der</strong> Bodenoberfläche<br />
oft Frostmusterstrukturen; im Oberboden<br />
häufig Platten- aber auch Einzelkorn- o<strong>der</strong> Polye<strong>der</strong>gefüge,<br />
im Unterboden Kohärentgefüge<br />
hoher Dichte; f<strong>ein</strong>körnige Lagen haben höhere<br />
Eisgeh<strong>al</strong>te <strong>al</strong>s grobkörnige;<br />
vielfältige Formen <strong>der</strong> Kryoturbation: Polygon-,<br />
Tropfen-, Taschen-, Würgestrukturen und<br />
Mischformen; nach Austrocknung Verhärtung;<br />
Bildung von Stresscutanen möglich, da Gefrieren<br />
mit Volumen- und Druckzunahme verbun-<br />
den ist. Während <strong>der</strong> Auftauphase entsteht<br />
reichlich elektrolytarmes Schmelzwasser was<br />
zur Verlagerung von Ton- und Schluffteilchen<br />
führen kann („Häutchenbildung“ bzw. Verlagerungscutane<br />
in Böden aus Solifluktionsdecken).<br />
Chemische Eigenschaften<br />
Chemismus stark abhängig vom Ausgangsgest<strong>ein</strong>:<br />
– pH(H 2 O)-Werte ≈ 4 (z. B. auf Quarzit) bis 8<br />
(z. B. auf K<strong>al</strong>kgest<strong>ein</strong>);<br />
– BS variabel, 20–100 %;<br />
– KAK pot unterschiedlich, bei höheren Geh<strong>al</strong>ten<br />
an OS bis 40–60 cmol(+) kg –1 FE;<br />
– oft N- und P-Mangel trotz z. T. hoher Vorräte,<br />
da niedrige Miner<strong>al</strong>isierungsrate;<br />
– oft große Humusvorräte (ca. 1 700 Pg C org<br />
glob<strong>al</strong> in Permafrostböden); wenig untersucht<br />
sind die Prozesse <strong>der</strong> C org -Stabilisierung<br />
durch Gefrieren und in welchem Umfang<br />
Ton-Humus-Kopplungen vorliegen.<br />
Biologische Eigenschaften<br />
Organische Horizonte: beachtliche biologische<br />
Aktivität während <strong>der</strong> kurzfristigen Auftauphase,<br />
beson<strong>der</strong>s in Böden mit hohem pH-Wert,<br />
sofern k<strong>ein</strong> Wasserstau;<br />
Miner<strong>al</strong>ische Horizonte: nennenswerte mikrobiologische<br />
Aktivität im Oberboden möglich, da<br />
die bei Frostbeginn abgestorbenen Organismen<br />
während <strong>der</strong> Auftauphase rasch miner<strong>al</strong>isiert<br />
werden.<br />
A · Polare und Subpolare Zone (Tundra)<br />
DBG: (Permafrostböden)<br />
FAO: Gelic …, Cryic …<br />
ST: Gelisols<br />
Vorkommen und Verbreitung<br />
Cryosole entwickeln sich oftm<strong>al</strong>s aus Deckschichten<br />
(z. B. Solifluktionsdecken), bevorzugt mit f<strong>ein</strong>körniger<br />
Matrix.<br />
<strong>Welt</strong>weit nehmen CR <strong>et</strong>wa <strong>ein</strong>e Fläche von<br />
1,8 · 10 9 ha <strong>ein</strong>. In Nordamerika dominieren sie in<br />
<strong>der</strong> Subpolaren (NO-Kanada) und Alpinen/Niv<strong>al</strong>en<br />
Zone, sind aber auch in <strong>der</strong> Bore<strong>al</strong>en Zone verbreit<strong>et</strong><br />
(N-, NW-Alaska, NW-Kanada). In Eurasien tr<strong>et</strong>en<br />
sie vor <strong>al</strong>lem in Zentr<strong>al</strong>- und Ostsibirien auf<br />
(„Helle Taiga“) und reichen dort weit in die Bore<strong>al</strong>e<br />
Zone nach Süden hin<strong>ein</strong> (Mittelsibirisches Bergland,<br />
Jakutisches Becken, Ostsibirische Gebirge). In<br />
Skandinavien und im europäischen Russland nur<br />
sporadische Vorkommen. Außerdem in den Küstengebi<strong>et</strong>en<br />
Grönlands und <strong>der</strong> Antarktis sowie auf<br />
den Inseln des Nord- bzw. Südpolarmeeres.<br />
Nutzung und Gefährdung<br />
In <strong>der</strong> W<strong>al</strong>dtundra wie in <strong>der</strong> Taiga Holz<strong>ein</strong>schlag,<br />
in den moos- und zwergstrauchbedeckten Tundrengebi<strong>et</strong>en<br />
Rentierweiden.<br />
Sehr sensible Ökosysteme: Gefahr <strong>der</strong> Überweidung<br />
und Bodenerosion (Skandinavien); Schädigungen<br />
<strong>der</strong> Bodendecke bleiben über Jahrzehnte<br />
bis Jahrhun<strong>der</strong>te irreversibel; Bodenabtrag und<br />
Klimaerwärmung för<strong>der</strong>n Thermokarst.<br />
Als Folge <strong>der</strong> glob<strong>al</strong>en Luftzirkulation gelangen<br />
anorganische und organische Schadstoffe (z. B. Pb,<br />
Cd, PAK, PCB, Biozide), die in den industri<strong>al</strong>isierten<br />
Mittelbreiten emittiert o<strong>der</strong> in den tropischen<br />
Agrarlandschaften appliziert werden, bis in die<br />
(sub)polaren Gebi<strong>et</strong>e, wo sie bei niedrigen Temperaturen<br />
durch Kondensation abgeschieden werden.<br />
Dieser <strong>al</strong>s „glob<strong>al</strong> distillation“ bezeichn<strong>et</strong>e<br />
Effekt erklärt neben den Belastungen durch Bergbau<br />
und Ölgewinnung vor Ort die z. T. sehr hohe<br />
Schadstoffbelastung (sub)polarer Ökosysteme.<br />
Als Folge <strong>der</strong> zunehmenden Klimaerwärmung<br />
ist damit zu rechnen, dass Cryosole verstärkt auftauen,<br />
was die Freis<strong>et</strong>zung von Treibhausgasen wie<br />
CO 2 , N 2 O und CH 4 begünstigt.<br />
Qu<strong>al</strong>ifier für die Klassifikation<br />
Präfix-Qu<strong>al</strong>ifier. Glacic · Turbic · Folic · Histic · Technic · Hyperskel<strong>et</strong>ic<br />
Leptic · Natric · S<strong>al</strong>ic · Vitric · Spodic · Mollic · C<strong>al</strong>cic · Umbric · Cambic<br />
Haplic<br />
Suffix-Qu<strong>al</strong>ifier. Gypsiric · C<strong>al</strong>caric · Ornithic · Dystric · Eutric · Reductaquic<br />
· Oxyaquic · Thixotropic · Aridic · Skel<strong>et</strong>ic· Arenic · Siltic<br />
Clayic · Drainic · Transportic · Novic<br />
Qu<strong>al</strong>ifier für die Erstellung von Kartenlegenden<br />
Main Map Unit Qu<strong>al</strong>ifier. Glacic · Turbic · Folic/Histic · Hyperskel<strong>et</strong>ic/Leptic<br />
· Mollic/Umbric · Spodic · Reductaquic/Oxyaquic · Haplic<br />
Option<strong>al</strong> Map Unit Qu<strong>al</strong>ifier. Arenic · Aridic · C<strong>al</strong>caric · C<strong>al</strong>cic<br />
Cambic · Clayic · Drainic · Dystric · Eutric · Gypsiric · Natric · Novic<br />
Ornithic · S<strong>al</strong>ic · Siltic · Skel<strong>et</strong>ic · Thixotropic · Transportic · Vitric<br />
Profilcharakteristik · Ausgewählte Bodenkennwerte <strong>ein</strong>es Reductaquic Histic Turbic Cryosol aus silikatischem Geschiebelehm<br />
Diagnostika<br />
Cryic** Horizont (ständig gefrorener miner<strong>al</strong>ischer o<strong>der</strong> organischer<br />
Bodenhorizont)<br />
Kontinuierlich ≥ 2 auf<strong>ein</strong>an<strong>der</strong> folgende Jahre <strong>ein</strong>es <strong>der</strong><br />
folgenden Merkm<strong>al</strong>e:<br />
– bei ausreichenden Porenwassergeh<strong>al</strong>ten: massives<br />
Eis, Verhärtung durch Eis o<strong>der</strong> leicht sichtbare Eiskrist<strong>al</strong>le;<br />
– <strong>ein</strong>e Bodentemperatur von ≤ 0 °C, wenn geringe<br />
Porenwassergeh<strong>al</strong>te die Ausbildung leicht sichtbarer<br />
Eiskrist<strong>al</strong>le verhin<strong>der</strong>n;<br />
Mächtigkeit ≥ 5 cm.