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Moscheen in Deutschland Konflikte um ihre Errichtung und Nutzung

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Fallstudie Lau<strong>in</strong>gen<br />

Zustimmung kam (...) ebenso von [dem SPD-Fraktionsvorsitzenden] D* B*, der die<br />

Moschee e<strong>in</strong> ‚sichtbares Zeichen der Ausländerfre<strong>und</strong>lichkeit unserer Stadt‘ nannte.<br />

[CSU-Fraktionsvorsitzender] H* Z* kündigte Zustimmung se<strong>in</strong>er Fraktion an, allerd<strong>in</strong>gs,<br />

so fügte er h<strong>in</strong>zu, müsse gesichert se<strong>in</strong>, daß der Muezz<strong>in</strong> nicht vom M<strong>in</strong>arett<br />

rufe. Bürgermeister Barfuß beschied ihn darauf, daß sich beides nicht mite<strong>in</strong>ander verb<strong>in</strong>den<br />

lasse. Die Moschee falle unter das Baurecht, der mögliche Ruf des Muezz<strong>in</strong>s<br />

sei jedoch Sache des Ordnungsrechts.“ 11<br />

Bei zwei Gegenstimmen stimmte der Stadtrat dem Moscheebau zu; bereits wenige<br />

Monate später erfolgte der Baubeg<strong>in</strong>n.<br />

Vom Frühjahr 1993 an zog der konfliktarme Verlauf des Geneh migungs verfahrens<br />

die Aufmerksamkeit der regionalen wie der überregionalen Medien auf<br />

sich – „Die Lau<strong>in</strong>ger bauen e<strong>in</strong>e Moschee – Im schwäbischen Landkreis Dill<strong>in</strong>gen<br />

will man die Religionsfreiheit ernst nehmen“, überschrieb etwa das Ham burger<br />

Abendblatt e<strong>in</strong>en ausführlichen Artikel. 12 Und schon damals wurde das „tolerante<br />

Lau<strong>in</strong>gen“ <strong>in</strong> der Berichterstattung dem sechzig Kilometer entfernten Bob<strong>in</strong>gen<br />

gegenübergestellt, dessen Stadtväter <strong>und</strong> -mütter sich dem Wunsch e<strong>in</strong>er muslimischen<br />

Geme<strong>in</strong>de nach dem Neubau e<strong>in</strong>es M<strong>in</strong>a retts verweigerten. Die Kontrastierung<br />

beider „Schwaben städte“ entwickelte sich 1995/96 zu e<strong>in</strong>em ergiebigen Leitmotiv<br />

der damit befassten Journalisten. Bereits 1993 wurde allerd<strong>in</strong>gs deutlich,<br />

dass auch <strong>in</strong> Lau<strong>in</strong>gen unter der Oberfläche Konflikt potential bestand, dass – wie<br />

die Bayerische Staatszeitung formulierte – „die Volksseele auch <strong>in</strong> Lau<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong>en<br />

d<strong>um</strong>pf-brodelnden Untergr<strong>und</strong> kennt, der mit Vernünfteleien <strong>und</strong> Appellen an die<br />

Toleranz nicht <strong>in</strong> den Griff zu bekommen“ 13 sei. Bei der Frage, ob – <strong>und</strong> wenn ja,<br />

<strong>in</strong> welcher Höhe – es e<strong>in</strong>en städti schen Zuschuss für den Bau der Moschee geben<br />

solle (analog zur Lau<strong>in</strong>ger Praxis bei Bauvorhaben anderer Vere<strong>in</strong>e), kam es z<strong>um</strong><br />

vorübergehenden Bruch der großen „Moschee-Koalition“ im Lau<strong>in</strong>ger Stadtrat.<br />

Die SPD-Fraktion lehnte entgegen <strong>ihre</strong>r bisherigen Zustimmung e<strong>in</strong>en Zuschuss<br />

von 150.000 DM als zu hoch ab – auch mit Verweis auf kritische Stimmen<br />

aus der Bevölkerung z<strong>um</strong> Moschee bauprojekt. 14 Über die Höhe des Zuschusses<br />

gab es schließlich e<strong>in</strong>en Kompro miss; der Moscheevere<strong>in</strong> erhielt von der Stadt<br />

100.000 DM für den Bau.<br />

Ab 1993 erreichte Barfuß (<strong>und</strong> <strong>in</strong>sgesamt den Lau<strong>in</strong>ger Stadtrat) e<strong>in</strong>e große Zahl<br />

von Schmäh briefen, die wüste Beschimpfungen bis h<strong>in</strong> zu Morddrohungen wegen<br />

des Moscheebaus enthielten. Diese Briefe waren die Kehrseite der überregionalen,<br />

praktisch ausnahmslos wohlwollenden Bericht erstat tung <strong>in</strong> den Medien. Sie kamen,<br />

soweit an den Absendern erkennbar <strong>und</strong> sofern solche vorhanden waren, allesamt<br />

von außerhalb der Stadt; nicht nur aus Bayern, sondern aus der gesamten<br />

11 DZ, 11.2.1993: „E<strong>in</strong> sichtbares Zeichen der Ausländer fre<strong>und</strong>lichkeit Lau<strong>in</strong>gens“.<br />

12 Hamburger Abendblatt, 12.3.1993 (Autor<strong>in</strong>: Ulrike Dotzer).<br />

13 Bayerische Staatszeitung, 21.4.1995 (Autor: Arthur Müller-Doldi): „Bitte mit M<strong>in</strong>arett“.<br />

14 Interview mit dem SPD-Fraktionsvorsitzenden, <strong>in</strong>: SCHAUEN, ARD 1993.<br />

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