08.12.2012 Aufrufe

Moscheen in Deutschland Konflikte um ihre Errichtung und Nutzung

Moscheen in Deutschland Konflikte um ihre Errichtung und Nutzung

Moscheen in Deutschland Konflikte um ihre Errichtung und Nutzung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Theoretische Ansätze<br />

Geographie werden Rational-Choice-Ansätze vor allem von REUBER (2000a; 1999)<br />

vertreten. Es mag se<strong>in</strong>, dass <strong>in</strong> Bezug auf die von Reuber untersuchten Konfliktformationen<br />

– H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> s<strong>in</strong>d kommunale Gebietsreformen der sechziger <strong>und</strong><br />

siebziger Jahre – eigen- <strong>und</strong> gruppen nutzenorientierte Erklärungs modelle e<strong>in</strong>e<br />

höhere Plausibilität besitzen als <strong>in</strong> Moschee-<strong>Konflikte</strong>n, <strong>in</strong> denen Akteure vor<br />

echte Wertentscheidungen gestellt werden <strong>und</strong> <strong>in</strong> deren Verlauf unbewusste Motive/<br />

Motivationen e<strong>in</strong>e vergleichsweise höhere Wirk samkeit entfalten. Als Gr<strong>und</strong>lage<br />

für e<strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong> gültiges Handlungsmodell ersche<strong>in</strong>en Rational-Choice-Theorien<br />

aber m.E. überfordert (vgl. h<strong>in</strong>gegen REUBER 2000a, S. 36f., 53; REUBER 1999,<br />

S. 12-21, 305-310). Selbst verständlich spielen eigennutzen orientierte Strategien<br />

im menschlichen Handeln e<strong>in</strong>e, vielleicht sogar große Rolle. Ungeachtet dessen<br />

lässt sich im „Garten des Menschlichen“ (VON WEIZSÄCKER 1977) die Bereitschaft<br />

zu altruis tischem oder wert orientiertem Handeln erkennen. Auf der anderen Seite<br />

ist mensch liches Handeln <strong>und</strong> Verhalten von unbewussten Motiven mitbestimmt;<br />

ebenso existieren destruktive Handlungs- <strong>und</strong> Verhaltensweisen. Diese allgeme<strong>in</strong>e,<br />

„offene“ anthropologische Konzeption spiegelt sich auch im empirischen<br />

Bef<strong>und</strong> der hier untersuchten Fallstudien wider. Wenn der Begriff des eigen nutzenorientierten<br />

Handelns nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>flationären S<strong>in</strong>ne gebraucht wird, werden<br />

Rational-Choice-Theorien große Mühen haben, als wertorientiert oder destruktiv<br />

ersche<strong>in</strong>ende Handlungs weisen plausibel zu erklären.<br />

Vielmehr ersche<strong>in</strong>t <strong>in</strong> erster Näherung für viele Situationen e<strong>in</strong> Denkmodell<br />

plausibel, demzufolge die Akteure vor Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>er Handlung die Eigen- <strong>und</strong><br />

Gruppen <strong>in</strong>teressen, altruistische Motive, Werte <strong>und</strong> Normen gegene<strong>in</strong>ander<br />

abwägen. Wie die konkrete Abwägung ausfällt, hängt von der jeweiligen Situation,<br />

aber auch von der jeweiligen Person mit <strong>ihre</strong>m biographischem H<strong>in</strong>ter gr<strong>und</strong>, <strong>ihre</strong>r<br />

Sozialisation <strong>und</strong> Inkulturation sowie von den von der Person rezi pierten Diskursen<br />

ab. Freilich: Wenn <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Gesellschaft oder Kultur zuneh mend Nutzenmaximierung<br />

gelehrt <strong>und</strong> gepredigt wird, mal explizit, mal subtil, mit der Ökonomie (genauer:<br />

der Mikroökonomie) als gesellschaftlicher Leit wissenschaft, dann kann es natürlich<br />

se<strong>in</strong>, dass die Mitglieder e<strong>in</strong>er Gesell schaft e<strong>in</strong>e solche Eigennutzenorientierung<br />

zunehmend ver<strong>in</strong>nerlichen – <strong>und</strong> damit die Erklärungskraft <strong>und</strong> Reichweite korrespondierender<br />

Theorien mit der Zeit zunehmen.<br />

Unbewusste Motive können, als sche<strong>in</strong>bar rationale Arg<strong>um</strong>ente maskiert, <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>en Entscheidungs vorgang e<strong>in</strong>fließen. Je nach Gewichtung kann e<strong>in</strong>e Entscheidung<br />

auch gegen primäre persönliche Vorteile ausfallen. Dabei müssen zwischen<br />

eigennutzenorientiertem <strong>und</strong> wert orientiertem Handeln nicht immer Gegensätze<br />

bestehen. Beide Handlungs orientierungen können sich auch ergän zen <strong>und</strong><br />

vermischen, oder es kann e<strong>in</strong> Ausgleich zwischen beiden stattf<strong>in</strong>den.<br />

Bei der Rekonstruktion der Fallstudien wird dabei auf die Unterscheidung von<br />

zweckrationalem, wert-, norm- <strong>und</strong> verständigungsorientiertem Handeln zurück-<br />

13 Vgl. WERLEN 2000, S. 324, der allerd<strong>in</strong>gs wertorientiertes Handeln nicht gesondert ausweist oder<br />

unter norm orientiertes Handeln subs<strong>um</strong>iert.<br />

14 Dies wurde bereits im e<strong>in</strong>leitenden Fallbeispiel z<strong>um</strong> Gladbecker Kon� ikt deutlich.<br />

99

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!