Moscheen in Deutschland Konflikte um ihre Errichtung und Nutzung

Teil IV - Kap. 11
11 Duisburg – Kon� ikt um den islamischen Gebetsruf
Einleitung
Die bei weitem komplexeste und daher auch umfangreichste Fallstudie befasst
sich mit den konflikthaften Auseinandersetzungen, die sich 1996/97 in Duisburg
um die Frage des öffentlichen, lautsprecherverstärkten Gebetsrufs entzündeten.
Von den übrigen Fallstudien unterscheidet sich die folgende durch die spezifische
Thematik – Konfliktgegenstand ist der öffentliche Gebetsruf (türkisch ezan) und
nicht die Errichtung einer Moschee oder eines Minaretts – sowie die großstädtische
Dimension des Konflikts. Der Duisburger Ezan-Konflikt kann als der spektakulärste
moscheebezogene Konflikt in Deutschland über haupt gelten, der nicht nur die
Aufmerksamkeit überregionaler, sondern punktuell auch internationaler Medien
erregte. 1
Der Konflikt ereignete sich vor dem Hintergrund einer krisenhaften Zuspitzung
der sozio ökonomischen Situation der Stadt. Der generelle Trend fortschreitender
Dein dustria lisierung wurde für die traditionelle Montanstadt Mitte der neunziger
Jahre zu einem existentiellen Problem, als der Hauptarbeitgeber Thyssen
seine Belegschaft innerhalb weniger Jahre um vierzig Prozent reduzierte.
Besonders betroffen von Arbeitslosigkeit waren die industrie nahen Stadtteile im
Duisburger Norden, in denen sich sozialstrukturelle, ethnisch-kulturelle, aber
auch stadtstrukturelle Problemlagen akkumulierten. Letztere äußerten sich in
einem zunehmenden Verfall der meist gründerzeitlichen Bau substanz und einer
Schließung attraktiver Geschäfte. Der Duisburger Norden ist generell von einem
hohen Anteil ausländischer Wohnbevölkerung gekenn zeichnet; die kleinräumige
Segregation reicht stellenweise an hundert Prozent heran. Zahlreiche Probleme,
Alltags konflikte und –reibereien belasten das Zusam men leben von Deutschen und
den meist türkisch stämmigen Migranten. Diese Situation bildete den Hintergrund
für den Konflikt, der sich 1996 in Duisburg entzündete.
Eine hohe Anzahl von Akteursgruppen und Konfliktparteien war in den großstädti
schen Konflikt involviert. Dabei verliefen die Konfliktlinien häufig nicht zwischen,
sondern durch die beteiligten Organisationen hindurch. Ein Ziel der folgenden
Darstellung ist es, die zahlreichen Facetten, Konfliktlinien und Diskurse, die
sich in dem Konflikt verschränkten, die „Konflikte im Konflikt“, dessen Rahmenbedingungen
und deren jeweilige Bedeutung für den Gesamtkonflikt herauszuarbeiten.
1 Vgl. Time, 24.2.1997 (Autor: Jordan Bonfante): „No Rest in the Ruhr?“
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