Moscheen in Deutschland Konflikte um ihre Errichtung und Nutzung

Teil IV - Kap. 9
Thema heran: Die Drehleiter eines Feuerwehrwagens wurde neben der Moschee
auf die beantragte Minaretthöhe ausgefahren und anschließend „das Ergebnis von
allen Straßenrichtungen her in Augenschein genommen.“ Die Stadtspitze urteilte:
„Insbesondere aus dem Bereich des Wertachtales ergab es sich, daß dieses Minarett
unübersehbar im dortigen Bereich Akzente setzen wird.“ 20
Anfang Dezember 1992 wurde das Thema im Bauausschuss des Stadtrats behandelt.
In einem ausführlichen Bericht zog der Bürgermeister über die vergangenen
Wochen Bilanz und vertrat schließlich folgende Position (zitiert nach dem Protokoll
des Ausschusses):
„Er [= der Bürgermeister, T.S.] könne sich der Auffassung der Regierung von Schwaben
leider nicht anschließen. Rechtsgrundlage für das Bauprojekt sei § 34 BauGB.
Es sei zu prüfen, ob sich das Minarett bzw. die Bauweise dieses Gebäudes einfügt
in die vorhandene Umgebung. Es sei unstreitig doch so, daß im Mittel schwäbischen
die Errichtung eines Gebäudes im alpenländischen Stil aus Rechtsgründen genauso
unzulässig sei wie die Verwendung von Haustypen wie sie in Nordfriesland oder Ostfriesland
üblich seien. Das sei wohl Rechtslage. Dies bedeutet, daß bei Gleichbehandlung
ein Gebäude im türkischen Stil wohl gleichermaßen rechtlich unzulässig sein
muß (....) Vorwiegend geht es nicht um das Grundrecht der freien Religionsausübung.
Dieses Grundrecht sei [durch die bestehende Moschee – auch ohne Minarett, T.S.]
vollinhaltlich in Bobingen gewahrt (...). Die Frage sei, ob zur freien Religions ausübung
es gehört, daß im Stil des Heimatlandes auch nach außen hin aufgetreten wird, oder
ob das Baurecht hier die Wünsche überlagert und bezüg lich der Außen gestaltung die
Grundsätze unseres Rechtes gelten. Nach seiner Meinung bestehe kein Rechtsanspruch,
nach türkischem Baurecht [sic!] hier vorzugehen (....) Auch hier ging es darum,
wie fremdartig dieses Gebäude einwirken könnte auf die Stadtsilhouette. Die Silhouette
Bobingens sei bestimmt von Kirchtürmen, die unter Denkmalschutz gestellt seien.
(....)“
Befremdend wirkt, dass der Bürgermeister, von Hause aus Jurist, von türkischem
Baurecht, statt von türkischem (bzw. osmanischem) Baustil sprach. Folgenreich
für den Fortgang des Konflikts war die Schlussempfehlung des Bürger meisters,
das gemeindliche Einvernehmen zu verweigern und somit eine grund sätzliche
gerichtliche Klärung zu ermöglichen, zumal damit zu rechnen sei, dass „weitere
Anträge zur Errichtung von Minaretten in Bayern und darüberhinaus gestellt“
würden. 21 Ohne jegliche Diskussion 22 nahm der Bau ausschuss die Empfehlung
des Bürgermeisters an. Die Stadt wollte, so die offizielle Lesart, eine gerichtliche
Klärung des Konflikts, die zudem Bezugsfallwirkung für ganz Bayern haben solle.
18 Bild (Ausgabe München), 29.10.1992 (Autor: Karsten Riechers): „Riesen-Streit bei Augsburg -
Moschee höher als Pfarrkirche“.
19 SAZ, 3.12.1992: „Gerichte entscheiden über Minarett“; vgl.: Die Zeit, 1.1.1993 und: Stadtzeitung,
4.11.1992.
20 Protokoll der Sitzung des Bau-, Werk- und Umweltausschusses vom 1.12.1992.
21 Protokoll der Sitzung des Bau-, Werk- und Umweltausschusses vom 1.12.1992.
22 SAZ, 3.12.1992: „Gerichte entscheiden über Minarett“.
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