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Moscheen in Deutschland Konflikte um ihre Errichtung und Nutzung

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Teil IV - Kap. 11<br />

Text-Komposition letztlich bewusst war, welche <strong>in</strong>haltlichen Verschiebungen sie durch <strong>ihre</strong> Art<br />

der Text-Komposition vornahmen, sei dah<strong>in</strong>gestellt. Während das fünf seitige Positionspapier<br />

sich <strong>um</strong> e<strong>in</strong>en konservativ akzentuierten, aber weitgehend sachlichen Problemaufriss bemühte,<br />

wurde dieser Anspruch <strong>in</strong> der verkürzten Flugblatt-Version zugunsten e<strong>in</strong>er polarisierenden<br />

Darstellung aufgegeben. Wie so häu� g g<strong>in</strong>g auch hier mit e<strong>in</strong>er Positionsverkürzung e<strong>in</strong>e<br />

Positions verschiebung e<strong>in</strong>her.<br />

Die zitierte Textstelle lässt sich zugespitzt folgendermaßen <strong>in</strong>terpretieren: Der (islamische)<br />

Gebetsaufruf wird abgelehnt (Aussage A), weil das Gr<strong>und</strong>gesetz se<strong>in</strong>e Wurzeln <strong>in</strong> der christlichen<br />

Kultur- <strong>und</strong> Werte ordnung habe (Aussage B), <strong>und</strong> sich deshalb die Muslime nicht<br />

auf es berufen können; also A weil B. Nun ist bekanntlich die Prämisse B, die ideengeschichtliche<br />

Herleitung des Gr<strong>und</strong>gesetzes alle<strong>in</strong> aus christlichen kulturellen E<strong>in</strong>� üssen, unhaltbar.<br />

Doch selbst wenn B zuträfe, ergäbe sich die Folgerung A aus der Prämisse B allenfalls dann,<br />

wenn spezi� sche Annahmen – nämlich exklusivistischer, fe<strong>in</strong>dlicher Art – über die Sicht<br />

des Christent<strong>um</strong>s auf den Islam h<strong>in</strong>zukämen. Sollte diese Interpretation der Text stelle zutreffen,<br />

so transportierte sie subtil e<strong>in</strong>seitige Vorstellungen über das Verhältnis beider Religionen<br />

zu e<strong>in</strong>ander <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e ausgesprochen „unortho doxe“ Inter pretation der Geltungs voraussetzungen<br />

des Gr<strong>und</strong>gesetzes.<br />

3. Negative versus positive Religionsfreiheit<br />

Die Bürger<strong>in</strong>itiative Duisburg arg<strong>um</strong>entierte <strong>in</strong> <strong>ihre</strong>r Anfangsphase vor allem<br />

juristisch gegen den lautsprecherverstärkten Ezan. Dieser sei nicht verfassungskonform,<br />

denn er verletze die negative Religionsfreiheit der nichtmuslimischen<br />

Bevölkerung. Dabei bezogen sich die Gegner auf den <strong>in</strong> das Gr<strong>und</strong>gesetz aufgenommenen<br />

Artikel 140 Weimarer Verfassung, demzufolge niemand zur Teil nahme an<br />

e<strong>in</strong>er kirchlichen Handlung oder religiösen Übung gezwungen werden darf. Zwar<br />

könne niemand völlig von fremden Glaubens bek<strong>und</strong>ungen <strong>in</strong> der Gesellschaft<br />

verschont bleiben. Doch:<br />

„Davon zu unterscheiden wäre jedoch e<strong>in</strong>e von e<strong>in</strong>er Glaubensgeme<strong>in</strong>schaft (Muslime)<br />

geschaffene Lage, <strong>in</strong> der (..) Bürger, die nicht Anhänger des Islam s<strong>in</strong>d, ohne<br />

Ausweich möglichkeit <strong>und</strong> auf die Dauer, ggfs mehrmals am Tage dem unmittelbaren<br />

E<strong>in</strong>� uß e<strong>in</strong>es bestimmten Glaubens (hier des Islam), e<strong>in</strong>er wesentlichen Kulthandlung<br />

(hier dem Gebetsruf des Muezz<strong>in</strong>s als Verkündigung des islamischen Glaubensbekennt<br />

nisses), <strong>in</strong> der er sich manifestiert, ausgesetzt s<strong>in</strong>d.“ 106<br />

Zudem verletze der Ezan das Gr<strong>und</strong>recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung, wenn<br />

„gegen den erklärten Willen von Nicht muslimen <strong>und</strong> ggfs bis zu fünf mal am Tage,<br />

das Glaubensbekenntnis des Islam durch den Privatbereich der angeb lich gr<strong>und</strong>rechtlich<br />

geschützten Wohnung dröhnt“ (a.a.O.).<br />

Bildhaft gesprochen, versuchten die Gegner des Ezan, im juristischen Diskurs<br />

m<strong>in</strong>destens ebenso schwere Geschütze aufzufahren wie die Befürworter, <strong>in</strong>dem sie<br />

der positiven Religions freiheit die negative gegenüberstellten <strong>und</strong> zudem weitere<br />

Gr<strong>und</strong>rechte arg<strong>um</strong>entativ für <strong>ihre</strong> Position <strong>in</strong> Anspruch nahmen.<br />

106 E* C*, Beschwerde über das Vorgehen von Rat <strong>und</strong> Verwaltung der Stadt Duisburg <strong>in</strong> Sachen<br />

Gebetsruf, Januar 1997.<br />

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