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Moscheen in Deutschland Konflikte um ihre Errichtung und Nutzung

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e<strong>in</strong> höchstrichterliches Urteil gefällt wird, welches für die Geneh migung von<br />

Moscheebauten dann tatsächlich für ganz Bayern Bezugs fallwirkung gehabt<br />

hätte (<strong>und</strong> von dem man annehmen musste, dass es zuguns ten der Muslime<br />

ausgefallen wäre). Somit drängte auch die Bayerische Staats regierung 1997 auf<br />

e<strong>in</strong> Verhandlungsergebnis, <strong>um</strong> zu e<strong>in</strong>er Konflikt befriedung zu kom men, die den<br />

M<strong>in</strong>arettstreit <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en unmittelbaren rechtlichen Aus wir kungen lokal begrenzen<br />

sollte. 84<br />

4 Andenken <strong>und</strong> Machtsymbol: Die unterschiedliche Wahrnehmung<br />

e<strong>in</strong>es M<strong>in</strong>a retts durch die Akteursgruppen<br />

In der Wahrnehmung z<strong>um</strong><strong>in</strong>dest e<strong>in</strong>es Teils der deutschen Bevölkerung wurde das<br />

geplante M<strong>in</strong>arett offensichtlich symbolisch aufgeladen, was man bereits an dem<br />

Umstand erkennen kann, dass befürchtet wurde, bereits e<strong>in</strong> schlanker M<strong>in</strong>aret tturm<br />

würde die eigene Heimat verfremden. Das M<strong>in</strong>arett wurde damit zu e<strong>in</strong>em Symbol<br />

– nicht nur im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es unverfänglichen, letztlich beliebig aus tausch baren<br />

Zeichens, sondern zu e<strong>in</strong>em Symbol, das auch tiefere, emotionale Seelen bereiche<br />

anspricht. Psychische Projektionen auf deutscher Seite <strong>in</strong> Bezug auf das M<strong>in</strong>arett<br />

g<strong>in</strong>gen offenbar mit e<strong>in</strong>em Streit <strong>um</strong> Bedeutungen e<strong>in</strong>her: Von Teilen der deutschen<br />

Bevölkerung <strong>und</strong> des Stadtrats wurde dabei den Muslimen unterstellt, für<br />

sie sei das M<strong>in</strong>arett e<strong>in</strong> besonderes Symbol, nämlich e<strong>in</strong> Macht symbol, 85 etwa <strong>in</strong><br />

dem S<strong>in</strong>ne, dass das M<strong>in</strong>arett quasi die Eroberung e<strong>in</strong>es frem den Territori<strong>um</strong>s oder<br />

z<strong>um</strong><strong>in</strong>dest den Machtanspruch auf dieses Territori<strong>um</strong> repräsentiere.<br />

Offenbar wurden solche Spekulationen auf deutscher Seite zusätzlich durch e<strong>in</strong>en irrtümlichen<br />

Übersetzungsfehler e<strong>in</strong>es jungen Muslims genährt. E<strong>in</strong> Vertreter des Moscheevere<strong>in</strong>s äußerte<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Besprechung mit Vertretern der Stadt auf türkisch, dass das M<strong>in</strong>arett auch als hat�ra,<br />

Andenken, gedacht sei: e<strong>in</strong> Andenken an die türkische Heimat, aber auch e<strong>in</strong> Andenken <strong>in</strong> dem<br />

S<strong>in</strong>ne, dass es die nach kommenden (türkischstämmigen) Generationen <strong>in</strong> Bob<strong>in</strong>gen an die<br />

erste Generation der Migranten zurück er<strong>in</strong>nern solle. E<strong>in</strong> junger Türke der zweiten Generation<br />

übersetzte hat�ra <strong>in</strong> diesem Gespräch irrtümlicherweise mit Denkmal, 86 was ihm zufolge<br />

sofort entsprechende Irritationen auf Seiten der städtischen Vertreter ausgelöst habe. Man kann<br />

annehmen, dass Denkmal hier seitens der städtischen Vertreter im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es Machtsymbols<br />

aufgefasst wurde. Anhand dieser Episode des Bob<strong>in</strong>ger Kon� ikts wird noch e<strong>in</strong>mal deutlich,<br />

dass <strong>in</strong> <strong>in</strong>terkulturellen Kon� ikten mit Verstehens- <strong>und</strong> Verständigungs problemen zu rechnen<br />

ist, die den Kon� ikt anheizen können. Dabei ist als Extremfall denkbar, dass sich <strong>in</strong>terkulturelle<br />

Kon� ikte vollständig auf solche Verständigungsprobleme zurückführen lassen, also der<br />

Widerspruch zwischen den Kon� iktparteien letztlich nur e<strong>in</strong> sche<strong>in</strong>barer ist (vgl. dazu auch<br />

Kap. 6.4.3).<br />

84 Vgl. u.a.: Protokoll der Sitzung des Bob<strong>in</strong>ger Stadtrats vom 25.2.1997, Blatt 18.<br />

85 In diesem S<strong>in</strong>ne äußerte sich z<strong>um</strong> Beispiel e<strong>in</strong> Interviewpartner, Bob<strong>in</strong>gen, Juli 1999.<br />

86 Interview Bob<strong>in</strong>gen, Juli 1999.<br />

Fallstudie Bob<strong>in</strong>gen<br />

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