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Moscheen in Deutschland Konflikte um ihre Errichtung und Nutzung

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Teil IV - Kap. 11<br />

��In Laar waren es offensichtlich vor allem Angehörige der (unteren?) Mittelschichten,<br />

häu� g praktizierende Kirchgänger beider Konfessionen, die sich<br />

gegen den Ezan e<strong>in</strong>setzten. In diese Kategorie lassen sich auch die Mitglieder<br />

der Bürger<strong>in</strong>itiative weitgehend e<strong>in</strong>ordnen, wenn auch deren Mitglieder, soweit<br />

dem Autor bekannt, nicht <strong>in</strong> Laar wohnten. Dabei setzte sich die gegen den<br />

Ezan gerichtete Haltung auch <strong>in</strong> Teilen des Bildungs bürgert<strong>um</strong>s <strong>und</strong> <strong>in</strong> weiteren<br />

bürgerlichen Schichten fort.<br />

��E<strong>in</strong> ganz anderes Bild zeigte sich <strong>in</strong> Marxloh bei der dortigen Bürger versammlung,<br />

deren Verlauf ebenfalls nicht unwichtig für den weiteren Fort gang des Kon� ikts<br />

war. Hier dom<strong>in</strong>ierten neben Rentnern offenbar vor allem Industrie arbeiter,<br />

die unter anderem bei Thyssen beschäftigt waren <strong>und</strong> gerade zur damaligen<br />

Zeit ständig mit der Angst vor e<strong>in</strong>em Arbeitsplatzverlust leben mussten. Ke<strong>in</strong>e<br />

große Rolle spielten h<strong>in</strong>gegen Arbeitslose auf der e<strong>in</strong>en, Angehörige der<br />

Mittelschicht, selbständige Gewerbe treibende <strong>und</strong> Hand werker auf der anderen<br />

Seite. Praktizierende Kirchgänger hatten <strong>in</strong> Marxloh, anders als <strong>in</strong> Laar, versucht,<br />

mäßigend <strong>in</strong> die Debatte e<strong>in</strong>zugreifen. 138<br />

E<strong>in</strong> SPD-Bezirkspolitiker drückte sich <strong>in</strong> Bezug auf die Motivationen für die hochemotionalen<br />

Äußerungen bei der Marxloher Versammlung wie folgt aus: „Man<br />

hat endlich mal e<strong>in</strong>en Popanz gehabt.“ H<strong>in</strong>ter den Protesten habe <strong>in</strong> Marxloh, so<br />

der Bezirkspolitiker, gerade aber auch die Angst vor Arbeits platz verlust gesteckt,<br />

die damals wie e<strong>in</strong> Damoklesschwert über der Belegschaft von Thyssen h<strong>in</strong>g. 139<br />

Insofern trifft auf den Protest <strong>in</strong> Marxloh zu, dass er gerade auch von sogenannten<br />

„etablierten Außenseitern“, also Deutschen aus den unteren sozialen Schichten<br />

ausg<strong>in</strong>g. 140<br />

Natürlich lassen sich real, anders als hier zunächst aus analytischen Gründen<br />

versucht wurde, die sozialen Dimensionen des Konflikts nicht von se<strong>in</strong>en ethnischkulturellen<br />

trennen. Bei realer oder befürchteter Deprivation bei großen Teilen<br />

der deutschen Marxloher Bevölkerung boten sich die Türken eben als „Sündenböcke“<br />

141 an, z<strong>um</strong>al bei gleichzeitiger, realer oder befürchteter Verschlech terung<br />

der eigenen sozialen Situation immer mehr Türken als Haus besitzer oder Mercedesfahrer<br />

wahrgenommen wurden, 142 die e<strong>in</strong>stigen Außen seiter Teile der deutschen<br />

138 Die Erläuterungen zu Marxloh beruhen, neben der Auswertung von Presseartikeln, v.a. auf den<br />

Mitteilungen e<strong>in</strong>es Teilnehmers der Versammlung.<br />

139 Telefonisches Gespräch mit e<strong>in</strong>em SPD-Bezirksvertreter, November 2000.<br />

140 DANGSCHAT 1998, S. 56, <strong>in</strong> Bezug auf die gr<strong>und</strong>legende, <strong>in</strong> den sechziger Jahren formulierte<br />

Unterscheidung nach ELIAS <strong>und</strong> SCOTSON von Etablierten <strong>und</strong> Außenseitern, wobei sich<br />

„Etablierte“ <strong>in</strong> der Fallstudie, anhand derer Elias <strong>und</strong> Scotson die Term<strong>in</strong>ologie entwickelten, auf<br />

die Angehörigen der alte<strong>in</strong>gesessenen Familien, <strong>und</strong> „Außenseiter“ auf die „Neuankömml<strong>in</strong>ge“<br />

bezog (vgl. ELIAS/SCOTSON 1993, S. 64).<br />

141 Sündenböcke <strong>in</strong> dem S<strong>in</strong>ne, dass den Migranten <strong>und</strong> speziell den Türken von e<strong>in</strong>em Teil<br />

der Deutschen explizit die Verursachung gesamtgesellschaftlicher Probleme wie etwa der<br />

Arbeitslosigkeit zugeschrieben wurde – statt z<strong>um</strong> Beispiel <strong>in</strong> unternehmerischem Handeln, bei der<br />

Politik oder ökonomischen <strong>und</strong> politischen Prozessen die Ursachen zu suchen (vgl. die Ergebnisse<br />

der entsprechenden quantitativen Befragung <strong>in</strong> SCHRÖDER u.a. 2000, S. 113).<br />

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