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Moscheen in Deutschland Konflikte um ihre Errichtung und Nutzung

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Fallstudie Bob<strong>in</strong>gen<br />

Katholische Kirche<br />

Der katholische Dechant <strong>und</strong> Pfarrer der Bob<strong>in</strong>ger Innenstadtpfarrei gab der Lokalzeitung<br />

Ende 1992 e<strong>in</strong> Gespräch. Dar<strong>in</strong> äußerte er sich verhalten positiv zu dem<br />

M<strong>in</strong>arettbau, mit dem Tenor: „An e<strong>in</strong>em M<strong>in</strong>arett wird der christliche Glaube nicht<br />

zerbrechen“. Er betonte die bestehenden guten Kontakte zwischen ihm <strong>und</strong> dem<br />

Moscheevere<strong>in</strong>, <strong>und</strong> dass er die Moschee zu <strong>ihre</strong>r E<strong>in</strong>weihung besucht hatte. Gegner<br />

des M<strong>in</strong>aretts, die mit der Unterdrückung von Christen <strong>in</strong> islamischen Ländern<br />

arg<strong>um</strong>entierten, verwies er auf die „Goldene Regel“ der Bergpredigt, die Maßstab<br />

des Handelns für Christen se<strong>in</strong> müsse („Alles, was ihr von anderen erwartet, das<br />

tut auch ihnen“), sowie auf die ausgesprochen positiven Äußerungen des Zweiten<br />

Vatikanischen Konzils zu den Muslimen. 27<br />

Schon wenige Wochen später hielt sich der katholische Pfarrer aber mit<br />

öffentlichen Äußerungen z<strong>um</strong> Thema M<strong>in</strong>arett sehr zurück <strong>und</strong> verweigerte<br />

weitere Interviews – was er nach außen mit der unseriösen überregionalen Medienberichterstattung<br />

über Bob<strong>in</strong>gen begründete. E<strong>in</strong>er der tatsächlichen Gründe für<br />

se<strong>in</strong>e Zurückhaltung könnte aber gewesen se<strong>in</strong>, dass er e<strong>in</strong>em deutlichen Druck von<br />

konservativen Teilen se<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de ausgesetzt war <strong>und</strong> diesem Druck damit e<strong>in</strong><br />

Stück weit nachgab. Nicht zuletzt existierten personelle Überschneidungen zwischen<br />

dem Kirchenvorstand <strong>und</strong> der CSU-Fraktion im Stadtrat. Hier herrschte offenbar<br />

e<strong>in</strong> oberflächlich-traditioneller Katholizismus vor, der dem baulichen Symbol der<br />

fremden Religion ke<strong>in</strong>e positiven Aspekte abgew<strong>in</strong>nen konnte. Schließlich hatte<br />

sich auch z<strong>um</strong> Jahresende 1992 das Bischöfliche Ord<strong>in</strong>ariat Augsburg <strong>in</strong> den Fall<br />

e<strong>in</strong>gemischt <strong>und</strong> <strong>in</strong>tern die Pfarrer der weiteren Umgebung aufgefordert, sich <strong>in</strong><br />

dieser Frage „größte Zurückhaltung“ bei öffentlichen Äußerungen aufzuerlegen.<br />

Dies geschah, nachdem sich <strong>in</strong> der Umgebung e<strong>in</strong> anderer Pfarrer im Gottesdienst<br />

zugunsten des M<strong>in</strong>arettbaus geäußert <strong>und</strong> Kritik am Verhalten der Bob<strong>in</strong>ger<br />

Stadträte geübt hatte, was Widerspruch bei traditionellen Katholiken hervorrief.<br />

Der Pfarrgeme<strong>in</strong>derat der katholischen Pfarrgeme<strong>in</strong>de im Stadtteil Bob<strong>in</strong>gen-<br />

Siedlung sprach sich trotz des bischöflichen Maulkorbs im Mai 1993 öffentlich<br />

zugunsten des M<strong>in</strong>aretts aus. Die Haltung des Pfarr geme<strong>in</strong>derats wurde gerade<br />

auch von engagierten Laienkatholiken im Pfarrgeme<strong>in</strong>derat getragen <strong>und</strong> war <strong>in</strong><br />

der Gesamtgeme<strong>in</strong>de nicht un<strong>um</strong>stritten. Versuche, die Bob<strong>in</strong>ger Innenstadt pfarrei<br />

ebenfalls zu e<strong>in</strong>er Erklärung pro M<strong>in</strong>arett zu bewegen, schlugen fehl.<br />

Der Konflikt <strong>um</strong> das M<strong>in</strong>arett fand damit e<strong>in</strong>e Fortsetzung <strong>in</strong> den Ause<strong>in</strong>andersetzungen<br />

zwischen liberalen, theologisch reflektierten Katholiken auf der e<strong>in</strong>en,<br />

<strong>und</strong> traditionellen, konservativen Katholiken <strong>in</strong> den Geme<strong>in</strong>den auf der anderen<br />

Seite – man könnte auch sagen: zwischen „sanfterem“ <strong>und</strong> „härterem“ Katholizismus.<br />

28 Die Bist<strong>um</strong>sleitung wollte offenbar diese Konfliktl<strong>in</strong>ie kaschieren,<br />

<strong>in</strong>dem sie die Pfarrer der Umgebung zur „größten Zurückhaltung“ aufrief <strong>und</strong><br />

27 SAZ, 3.12.1992: „‚Am M<strong>in</strong>arett wird der Glaube nicht scheitern‘“. – Z<strong>um</strong> Zweiten Vatikan<strong>um</strong> vgl.<br />

Kap. 6.5.2.<br />

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