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Moscheen in Deutschland Konflikte um ihre Errichtung und Nutzung

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Teil II - Kap. 4<br />

ländern für den Bau <strong>und</strong> Unterhalt der <strong>Moscheen</strong> <strong>und</strong> für die Aus bildung <strong>und</strong><br />

Bezahlung der Theologen. In <strong>Deutschland</strong> (<strong>und</strong> <strong>in</strong> den anderen euro päischen<br />

E<strong>in</strong>wanderungsländern) stellte sich die Situation als e<strong>in</strong>e völlig andere dar:<br />

„Selbstorganisation <strong>und</strong> Selbstverwaltung“ durch die Migranten waren „das Gebot<br />

der St<strong>und</strong>e“ (a.a.O.). Der Islam nahm damit <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> e<strong>in</strong>e gänzlich andere<br />

Organisations struktur an, als sie den Gläubigen aus den Heimat ländern bekannt<br />

war. Die Rechts form des e<strong>in</strong>getragenen Vere<strong>in</strong>s bildete <strong>in</strong> der Regel den rechtlichen<br />

<strong>und</strong> organisa torischen Rahmen für die Bildung von Mo schee geme<strong>in</strong>den.<br />

1973 wurde von der B<strong>und</strong>esregierung e<strong>in</strong> Anwerbestopp für ausländische Arbeitskräfte<br />

verhängt, als e<strong>in</strong>e Folge der durch die Ölkrise bed<strong>in</strong>gten Re zession, welche<br />

sich <strong>in</strong> steigenden Arbeitslosen zahlen niederschlug. Durch den Anwer be stopp war<br />

es den ausländischen Arbeitnehmern nicht mehr möglich, sich die Option „B<strong>und</strong>esrepublik“<br />

für die Zukunft offenzuhalten, sobald sie <strong>in</strong> <strong>ihre</strong> Herkunfts länder<br />

zurückkehrten. Auf öffentlichen Druck h<strong>in</strong> erließ der B<strong>und</strong>estag 1974 e<strong>in</strong> Gesetz<br />

zur Familien zusammenführung, das den ausländischen Arbeits kräften erlaubte, <strong>ihre</strong><br />

Familien angehörigen nachzuholen. Dies führte <strong>in</strong> der Folge zu e<strong>in</strong>em allmählichen<br />

Anwachsen der ausländischen Wohnbevölkerung <strong>in</strong> der B<strong>und</strong>esrepublik, bei gleichzeitiger<br />

Abnahme der ausländischen Beschäftigten (vgl. PRZYBYLA 1999).<br />

Diese Arbeit ist nicht der Ort, die zahlreichen praktisch wie psycho sozial<br />

widrigen Bed<strong>in</strong>gungen ausführlich zu reflektieren, die das Leben der Migrantenfamilien<br />

<strong>in</strong> der B<strong>und</strong>esrepublik belasteten. Diese schwierige Lebenssituation der<br />

Migranten spiegelte sich aber auch im Leben der Moschee geme<strong>in</strong>den wider, die<br />

bisher vor allem für die Angehörigen der ersten Generation, die sich heute z<strong>um</strong><br />

Großteil im Rentenalter bef<strong>in</strong>den, e<strong>in</strong> Ort des Gebets <strong>und</strong> e<strong>in</strong> „soziales Refugi<strong>um</strong>“<br />

(VÖCKING 1984) darstellten.<br />

Die <strong>Moscheen</strong> der siebziger <strong>und</strong> frühen achtziger Jahre kann man <strong>in</strong> der Regel<br />

als „Laden - oder H<strong>in</strong>terhofmoscheen“ bezeichnen. Sie wurden also häufig <strong>in</strong> angemieteten,<br />

ehemals gewerblich genutzten Rä<strong>um</strong>en e<strong>in</strong>gerichtet. Kle<strong>in</strong>e <strong>Moscheen</strong><br />

<strong>um</strong>fassten neben dem Gebetsra<strong>um</strong> (weitgehend nur von Männern benutzt) <strong>und</strong> den<br />

Waschgelegenheiten e<strong>in</strong>e Teestube, häufig „Lokal“ genannt. Größere <strong>Moscheen</strong><br />

konnten <strong>und</strong> können, je nach Ra<strong>um</strong> angebot <strong>und</strong> Ausrichtung des Moscheevere<strong>in</strong>s,<br />

z<strong>um</strong> Beispiel Frauen- <strong>und</strong> Jugendrä<strong>um</strong>e, e<strong>in</strong>e Bibliothek, e<strong>in</strong>en Vorstandsra<strong>um</strong> mit<br />

Büro, e<strong>in</strong>e „Kant<strong>in</strong>e“ mit Lebensmittel verkauf 14 oder gelegentlich e<strong>in</strong>e Friseurecke<br />

<strong>um</strong>fassen. Nicht selten wurden die Rä<strong>um</strong>lichkeiten der <strong>Moscheen</strong> mit der Zeit<br />

durch Anbauten erweitert. Mit wachsender Konsolidierung wurde auch die Innene<strong>in</strong>richtung<br />

verbessert, <strong>und</strong> nach Möglichkeit wurden kle<strong>in</strong>ere durch größere, peripher<br />

gelegene durch günstiger gelegene Rä<strong>um</strong>lichkeiten ersetzt.<br />

Die aufgeheizte <strong>in</strong>nenpolitische Situation <strong>in</strong> der Türkei der siebziger <strong>und</strong> frühen<br />

achtziger Jahre machte sich damals auch <strong>in</strong> den türkischen <strong>und</strong> isla mischen Verbänden<br />

<strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> <strong>und</strong> <strong>in</strong> den hiesigen <strong>Moscheen</strong> bemerkbar. Dies wird z<strong>um</strong><strong>in</strong>dest<br />

14 Of� ziell � ndet der Lebensmittelverkauf dabei <strong>in</strong> der Regel „nur an Mitglieder“ statt.<br />

15 So e<strong>in</strong>e von HEINE (1997, S. 118f.) zitierte, von diesem nicht näher bezeichnete Selbst darstellung<br />

der D�T�B.<br />

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