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wdr 3 open: Studio Akustische Kunst<br />
Foto: Mauritius<br />
Chopin Postlu<strong>de</strong>s<br />
von Rudolf Eb.er,<br />
Boris Polonski,<br />
Reutonion, Valerie<br />
Scherstjanoi, Peter Simon,<br />
Kouhei Matsunaga u. a.<br />
Realisation: die Autoren<br />
Produktion: wdr 2009/ca. 54’<br />
2. Januar Fr 23:05 wdr 3<br />
Er wollte nicht nur mit<br />
literarischen Traditionen<br />
brechen, son<strong>de</strong>rn<br />
gleich die ganze<br />
Schriftkultur überwin<strong>de</strong>n.<br />
Der im Januar<br />
2008 im englischen<br />
Dereham verstorbene<br />
Henri Chopin<br />
dachte Wort, Klang<br />
und Körper immer<br />
im Zusammenhang.<br />
An<strong>de</strong>re Dichter hinterlassen wohlgeordnete Gesamtausgaben<br />
auf Papier, wie aber wirkt das Œuvre eines<br />
radikalen Körperkünstlers wie Henri Chopin nach, <strong>de</strong>r<br />
seinen Körper als „Klangfabrik“ betrachtete und nicht<br />
davor zurückschreckte, seine Speiseröhre zu mikrofonieren?<br />
Henri Chopin war mehr als ein Extrem-Performer<br />
und Bandmaschinen-Schamane. „Ich wollte eine<br />
ungreifbare Sprache fin<strong>de</strong>n. Eine Sprache, die von <strong>de</strong>n<br />
Mächtigen we<strong>de</strong>r kontrolliert noch zensuriert wer<strong>de</strong>n<br />
kann“, sagte er 2004. Am Vorabend seines ersten<br />
To<strong>de</strong>stags erinnern internationale Audio-Künstler im<br />
Studio Akustische Kunst mit kurzen Hörstücken an<br />
<strong>de</strong>n Pionier <strong>de</strong>r „Poésie sonore“. Miniaturen zwischen<br />
Dada und Death Metal.<br />
Henri Chopin (1922-2008) war einer <strong>de</strong>r wegweisen<strong>de</strong>n<br />
Pioniere und För<strong>de</strong>rer <strong>de</strong>r internationalen visuellen<br />
und akustischen Poesie. Seit 1959 zahlreiche Ausstellungen<br />
und Performances. Grün<strong>de</strong>te 1957/58 das Magazin<br />
Cinquième Saison. Realisation experimenteller Filme.<br />
Für das Studio Akustische Kunst <strong>de</strong>s wdr produzierte er<br />
u. a. „Le corpsbis“, „Les 9 Saintes-Phonies“ und „Echo <strong>de</strong><br />
bouche.“<br />
Heiner Müller 80<br />
RUHESTÖRUNG –<br />
Heiner Müller mieten<br />
von Sonja Ben<strong>de</strong>r<br />
Realisation: die Autorin<br />
Produktion: wdr 2009/ca. 50’<br />
9. Januar Fr 23:05 wdr 3<br />
Der Nachname Müller<br />
ist kein schillern<strong>de</strong>r. Er<br />
garantiert im Telefonbuch<br />
Masse und im<br />
Alltagsleben Unauffälligkeit.<br />
Verbun<strong>de</strong>n mit<br />
<strong>de</strong>m Zusatz „Heiner“<br />
benennt er in<strong>de</strong>s einen<br />
<strong>de</strong>r bekanntesten <strong>de</strong>utschen<br />
Dramatiker <strong>de</strong>r<br />
letzten 50 Jahre: eben Heiner Müller. Dieser, 1995 kurz vor<br />
seinem 68. Geburtstag gestorben, gehörte, gera<strong>de</strong> zum<br />
En<strong>de</strong> seines Lebens, wegen seiner Biografie und seiner<br />
Gesamtinszenierung zu <strong>de</strong>n intellektuellen Medienstars.<br />
„Der Dialog mit <strong>de</strong>n Toten“, sagte er einmal, „darf nicht<br />
abreißen, bis sie herausgeben, was an Zukunft mit ihnen<br />
begraben ist.“ Das Hörstück „Ruhestörung – Heiner<br />
Müller mieten“ führt einen Dialog mit <strong>de</strong>m Toten, seinen<br />
Hinterlassenschaften und zugleich mit <strong>de</strong>n Leben<strong>de</strong>n. Es<br />
hört, mit <strong>de</strong>n experimentellen Mitteln und Möglichkeiten<br />
<strong>de</strong>r Akustischen Kunst, zurück und ins Heute, spielt mit<br />
nahen und fernen Verwandten, geht temporäre Mietverhältnisse<br />
ein. Gut 80 Bürger hierzulan<strong>de</strong> heißen wie <strong>de</strong>r<br />
Dichter, nennen sich Heiner Müller, sind somit Träger <strong>de</strong>s<br />
berühmten Labels, gestatten keine Totenruhe, von <strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>r Tote ja selbst nichts wissen wollte. Ein vielstimmiger<br />
Fächer von Geschichte(n), I<strong>de</strong>ntitäten und Existenzen<br />
öffnet sich, synchron, diachron, zeitlos. Heiner Müller,<br />
<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re, ist einer von uns.<br />
Sonja Ben<strong>de</strong>r, 1970 in Dortmund geboren, studierte an <strong>de</strong>r<br />
Hochschule <strong>de</strong>r Künste Berlin experimentelles Medien<strong>de</strong>sign,<br />
lebt und arbeitet in Berlin und im Ruhrgebiet als Medienkünstlerin<br />
und VJ. Sie sammelt seit vielen Jahren Materialien<br />
aus allen Medien, bearbeitet, animiert und collagiert<br />
diese. Kooperationen u. a. mit Musikern wie Frie<strong>de</strong>r Butzmann,<br />
Michael Renkel, Terre Thaemlitz, Hans W. Koch.<br />
wdr hörspielprogramm 37