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Psychotherapeutenjournal 2/2007 (.pdf)

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Leserbriefe<br />

Replik von Wolfgang M. Groeger zu den Leserbriefen von N. Rückert und R. Rumpeltes<br />

Beide Leserbriefe signalisieren grundsätzliche<br />

Zustimmung zu einer Neukonzeption<br />

der Psychotherapieausbildung. Zugleich<br />

benennen sie Punkte, in denen abweichende<br />

Auffassungen bestehen.<br />

Ein solcher Punkt betrifft die Frage, ob die<br />

Hochschulen in der Lage sind, die psychodynamischen<br />

Psychotherapieverfahren angemessen<br />

zu vermitteln. Zweifel daran<br />

werden damit begründet, dass psychodynamische<br />

Verfahren in der akademischen<br />

Psychologie nur eine marginale<br />

Rolle spielen. Wer solche Bedenken vorträgt,<br />

blendet allerdings die Existenz von<br />

derzeit insgesamt 35 universitären Ausbildungsgängen<br />

in Psychologischer Psychotherapie<br />

aus, die die Grundausbildung in<br />

allen Verfahren längst übernommen haben,<br />

so wie jede andere staatlich anerkannte<br />

Ausbildungsstätte auch. Was wäre<br />

denn die Alternative: Können Verhaltenstherapie-Ausbildungsstätten<br />

eine Grundausbildung<br />

in psychodynamischen Psychotherapieverfahren<br />

sehr viel besser gewährleisten<br />

als die Hochschulen? Die<br />

Antwort hierauf ist ein klares Nein. Es gibt<br />

keinerlei Befunde, die eine Überlegenheit<br />

der derzeitigen Regelungen zur psychotherapeutischen<br />

Grundausbildung untermauern.<br />

Ein weiterer Punkt betrifft die Auswirkungen<br />

eines früheren Approbationszeitpunktes<br />

auf die Bezahlung in der darauf<br />

folgenden Weiterbildung. Macht es für<br />

Ausbildungsteilnehmer tatsächlich keinen<br />

Unterschied, ob sie ihre Leistungen selbst<br />

abrechnen oder ob „ganz im eigenen Ermessen<br />

der Ausbildungsinstitute“ ein mehr<br />

oder weniger großer Teil der Honorare<br />

ausgezahlt wird? Das viel größere Potenzial<br />

in bezug auf die Einkommensmöglichkeiten<br />

findet sich im übrigen nicht bei<br />

der Vergütung für die praktische Ausbildung,<br />

sondern bei der für die praktische<br />

Tätigkeit, die bisher viel zu oft als „Praktikant“<br />

ohne jegliche Bezahlung zu erbringen<br />

ist.<br />

Der zentrale Punkt des Artikels betrifft die<br />

Frage der Zugangsvoraussetzungen – genügt<br />

ein Bachelorabschluss oder bedarf<br />

es eines Masterabschlusses? Ich habe<br />

218<br />

hierfür zwei Antworten zur Diskussion gestellt:<br />

1. Nein, ein Bachelorabschluss reicht nicht<br />

aus, wenn der Ausbildungsgang bis zur<br />

Approbation unverändert bleibt.<br />

2. Ja, ein Bachelorabschluss reicht aus,<br />

wenn die Ausbildung als Masterstudium<br />

konzipiert wird, die Approbation auf der<br />

Basis einer Grundausbildung mit dem<br />

Masterabschluss erworben wird und die<br />

Fachkunde für ein Psychotherapieverfahren<br />

im Anschluss daran im Rahmen<br />

einer Weiterbildung.<br />

Diesen Punkt greift Herr Rückert in seinem<br />

Leserbrief auf, indem er der 2. Antwort<br />

zustimmt, der 1. Antwort aber vehement<br />

widerspricht. Er stellt dabei in Abrede,<br />

dass es einen Unterschied zwischen<br />

den Fachhochschuldiplomen und den<br />

neuen Bachelorabschlüssen gibt. Dass dies<br />

bestenfalls so sein kann, war auch der<br />

Ausgangspunkt meiner Analyse (S. 344).<br />

Zur Psychotherapieausbildung zugelassen<br />

werden nun aber auch alle Absolventen<br />

eines 6-semestrigen Studiengangs, dem<br />

Regelfall bei allen Bachelorstudiengängen.<br />

Wer diese Kürzung der Studiendauer um<br />

bis zu vier Semester einbezieht, kommt zu<br />

dem Ergebnis, dass die Eingangsqualifikation<br />

für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten<br />

abgesenkt wird. Nur wer<br />

diese Absenkung in Abrede stellt, kann die<br />

von mir geäußerte Befürchtung (S. 348),<br />

„dass „Bachelor-Psychotherapeuten“ überfordert<br />

wären, so dass es vermehrt zu<br />

Behandlungsfehlern kommen kann“, als<br />

„Abwertung und Beleidigung aller bisher<br />

ausgebildeten und künftig auszubildenden<br />

Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten“<br />

sehen. Dies ist im Hinblick auf die<br />

bisher Ausgebildeten aber nicht meine<br />

Auffassung – und was ich erreichen möchte,<br />

ist ein Beitrag dazu, dass wir solche<br />

Verhältnisse auch zukünftig nicht bekommen.<br />

Es bleibt ein weiterer wichtiger Punkt, die<br />

grundsätzlich forschungsorientierte Konzeption<br />

des Masterstudiums. Hierzu<br />

kommt man ganz ohne „krummen“ Weg,<br />

„den Universitätsinstituten das Monopol<br />

der Hochschulausbildung für Psychothe-<br />

rapie sichern zu wollen“, wenn man sich<br />

klar macht, dass ein akademischer Heilberuf<br />

eine forschungsorientierte Ausbildung<br />

für sein Überleben und seine Weiterentwicklung<br />

braucht. Genau deshalb ist<br />

die Masterstudienphase unverzichtbar. Forschungsorientierung<br />

ist nur im Masterstudium<br />

möglich und ergänzt die anderen<br />

Ausbildungsbestandteile, den Erwerb<br />

der Grundlagen im Bachelorstudium und<br />

die anwendungsorientierte dritte Ausbildungsphase,<br />

die Psychotherapieausbildung<br />

– sei sie nun wie bisher als Ausbildung<br />

oder zukünftig hoffentlich als Weiterbildung<br />

konzipiert.<br />

Ich möchte meine Replik nicht schließen,<br />

ohne Herrn Rückert als Fachhochschullehrer<br />

an der Evangelischen Fachhochschule Hannover<br />

mit ihrer Kooperation mit dem Winnicott<br />

Institut anzusprechen. Nur in den (sozial-)pädagogischen<br />

Fachrichtungen können<br />

heute schon Masterstudiengänge eingerichtet<br />

werden, die einen Teil der Ausbildung<br />

zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten<br />

abdecken, während der andere,<br />

verfahrens- und anwendungsbezogene Teil<br />

im Anschluss daran an einer Ausbildungsstätte<br />

fortgeführt wird, mit der der Studiengang<br />

kooperiert. Erforderlich hierzu wäre,<br />

mit den zuständigen Ministerien auszuloten,<br />

ob und unter welchen Bedingungen mit<br />

dem Masterabschluss eine befristete Erlaubnis<br />

zur Berufsausübung nach § 4 PsychThG<br />

erteilt werden kann. Absatz 1 dieses Paragraphen<br />

sieht ausdrücklich vor, dass eine<br />

befristete Erlaubnis möglich ist, wenn „eine<br />

abgeschlossene Ausbildung für den Beruf“<br />

nachgewiesen wird, die nicht die Voraussetzungen<br />

nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 PsychThG erfüllt.<br />

Ein Masterabschluss in Kinder- und<br />

Jugendlichenpsychotherapie könnte als eine<br />

solche „abgeschlossene Ausbildung für den<br />

Beruf“ aufgefasst werden. Die (sozial-)pädagogischen<br />

Fachrichtungen könnten damit<br />

zu einer Avantgarde werden, die dabei hilft,<br />

den Weg zu entsprechenden Änderungen<br />

für alle Psychotherapeuten zu ebnen.<br />

Dr. Wolfgang M. Groeger<br />

Zentrum für Psychotherapie<br />

Ruhr-Universität Bochum<br />

44780 Bochum<br />

groeger@kli.psy.ruhr-uni-bochum.de<br />

<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 2/<strong>2007</strong>

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