Psychotherapeutenjournal 2/2007 (.pdf)
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Wer wird Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutIn nach der Bologna-Reform?<br />
Lesser (2002) werden aus sozialarbeiterischer<br />
Sicht zielgruppen- und arbeitsfeldspezifisch<br />
methodische Ansätze unter Einbezug<br />
der psychotherapeutischen Schulen<br />
erarbeitet. Eine Promotion ist hierfür<br />
keineswegs – wie aus deutscher Sicht häufig<br />
fälschlicherweise angenommen – zwingende<br />
Voraussetzung, jedoch tragen<br />
Lizensierungsverfahren und die Entwicklung<br />
von weiterführenden Ausbildungslevels,<br />
von Standards und wissenschaftlichen<br />
Zeitschriften in verschiedenen Disziplinen<br />
zu einer wissenschaftlichen Community<br />
bei, die sich interdisziplinär auf<br />
hohem Niveau auseinander setzt (vgl.<br />
dazu Dentler, 2006; Graziano, 2006;<br />
ABECSW, 2004). Dies ebnet häufig den<br />
Weg in ein Kombinationsstudium, welches<br />
nach dem Masterabschluss einen sog.<br />
Ph.D. relativ leicht anschließen lässt. Daher<br />
ist der Anteil promovierter PsychotherapeutInnen<br />
in den USA weitaus höher<br />
als in Deutschland.<br />
Die auf die Arbeit mit Kindern spezialisierte<br />
Praxis allein im Feld der Clinical Social<br />
Work zeichnet sich durch eine hohe Diversität<br />
hinsichtlich der Zielgruppen und<br />
Settingvarianten aus, die jeweils angefangen<br />
von der kindlichen Entwicklung, dem<br />
familiären Kontext und den jeweiligen Systemstrukturen<br />
über die Unabdingbarkeit<br />
der Selbsterfahrung bis hin zu (psycho-)<br />
therapeutischen Kompetenzen beschrieben<br />
und bezogen auf Praxisfelder ausgearbeitet<br />
ist (ABECSW, 2004).<br />
Die weitgreifenderen Möglichkeiten gelten<br />
keineswegs nur für Übersee, sondern auch<br />
für den deutschsprachigen und europäischen<br />
Raum wie beispielsweise in Österreich.<br />
So findet man dort seit vielen Jahren<br />
psychotherapeutische Gemeinschaftspraxen<br />
mit medizinischer, psychologischer<br />
und sozialarbeiterischer Ausrichtung, die<br />
je nach Problematik gezielt indikationsspezifisch<br />
und situationsadäquat tätig werden<br />
und damit ermöglichen, dass verschiedene<br />
Disziplinen fruchtbar zusammenwirken<br />
– eine Entwicklung, die in Deutschland<br />
bisher im Rahmen ambulanter Kassenpsychotherapie<br />
nicht Fuß fassen konnte<br />
und einen nicht unbeachtlichen Teil<br />
psychosozialer Versorgung offen lässt<br />
(Gahleitner, 2006; vgl. allerdings zur Psychotherapie<br />
in Erziehungsberatungsstel-<br />
112<br />
len, in denen ein berufsgruppenübergreifender<br />
Ansatz verwirklicht wird z.B.<br />
Borg-Laufs, 2003; i.Dr.).<br />
Die Hochschulreform in Deutschland verfolgt<br />
u.a. auch das Ziel von mehr Beweglichkeit<br />
der Studierenden und internationaler<br />
Konkurrenzfähigkeit der Studienabschlüsse<br />
(Beschluss der Kultusministerkonferenz<br />
vom 12.06.2003). In einer sorgfältigen<br />
Reflexion über den Stand der Professionalisierung<br />
im direkten Kontakt und<br />
Austausch auf Praktiker- und Hochschulebene<br />
und der Schaffung einer ‚internationalen<br />
scientific community’ liegt tatsächlich<br />
eine Chance der gegenseitigen Bereicherung<br />
mit Blick auf die bestmögliche Unterstützung<br />
unserer PatientInnen (Klein,<br />
2006).<br />
Chancen und Möglichkeiten<br />
vor Ort<br />
Sozialpädagogische Grundberufe befinden<br />
sich in der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie<br />
mit zahlreichen PionierInnen<br />
in einer langjährigen Tradition. Dies spiegelt<br />
sich auch heute in der Versorgungslandschaft<br />
und in der Zusammensetzung<br />
der Ausbildungskurse für KJP wieder.<br />
SozialarbeiterInnen, SozialpädagogInnen<br />
und HeilpädagogInnen mit Hochschulabschluss<br />
sind in ihrem Studium in großem<br />
Umfang mit Problemstellungen des Kindes-<br />
und Jugendalters befasst. Sie leisten<br />
ihre Praktika oftmals in Einrichtungen der<br />
Kinder- und Jugendhilfe und erfahren<br />
dort u.a. die Notwendigkeit der Integration<br />
psychosozialer Hilfen und psychotherapeutischer<br />
Behandlungen. Die im Studium<br />
vermittelten klinischen Kompetenzen<br />
betonen die Integration und Vernetzung<br />
der beratenden, sozial- und psychotherapeutischen<br />
sowie pädagogischen Arbeit,<br />
die beispielsweise im Rahmen der Elternberatung<br />
und Familienhilfe, der Interventionen<br />
im Alltag des Kindes bzw. Jugendlichen,<br />
der Kooperation z.B. mit Schulen<br />
und psychiatrischen Einrichtungen besondere<br />
Beachtung finden. Heilsame Veränderung<br />
vollzieht sich in diesem Altersbereich<br />
in besonderes großem Ausmaß<br />
in einem fördernden Lebensfeld – eine<br />
Aufgabenstellung Klinischer Sozialarbeit, liegen<br />
ihre spezifischen Stärken doch in der<br />
Arbeit mit besonders schwierigem Klientel<br />
in ‚Multiproblemsituationen‘ (Pauls, 2004;<br />
2005). Auf diese grundlegenden sozialpädagogischen<br />
Kompetenzen, die im Rahmen<br />
der KJP-Ausbildung durch individuumsbezogene<br />
psychotherapeutische<br />
Kompetenzen wesentlich erweitert wird,<br />
sollte auch zukünftig nicht verzichtet werden.<br />
Psychotherapie ist offenkundig nicht die<br />
Domäne nur einer Berufsgruppe. Bereits<br />
die Psychiatrie-Enquete von 1975 stellte fest,<br />
dass nichtärztliche und nichtpsychologische<br />
Berufsgruppen, insbesondere die SozialarbeiterInnen<br />
bzw. SozialpädagogInnen,<br />
an der psychotherapeutischen Versorgung<br />
der Bevölkerung in Deutschland mitwirken:<br />
Sozialarbeiter und Sozialpädagogen „sind<br />
auf Grund ihrer speziellen beruflichen<br />
Grundausbildung … sowie ihrer zusätzlichen<br />
berufsbegleitenden Weiterbildung in<br />
analytischer Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie<br />
für die psychotherapeutische<br />
Behandlung von Kindern und Jugendlichen<br />
sowie zur Beratung von deren<br />
Eltern und anderen Beziehungspersonen<br />
qualifiziert“ (BMJFG, 1975, S. 298). Ein integrierendes<br />
und kooperatives bio-psychosoziales<br />
Verständnis zwischen Medizin, Psychologie<br />
und Sozialarbeit war in Deutschland<br />
dennoch lange Zeit nicht gegeben. Seit<br />
einigen Jahren wird erkannt, dass zum<br />
Wohle der Betroffenen eine enge Kooperation<br />
zwischen Kinder- und Jugendhilfe,<br />
Kinder- und Jugendpsychiatrie und Kinderund<br />
Jugendlichenpsychotherapie erforderlich<br />
ist (Fegert, 2001). Dabei gewinnen soziale<br />
Dimensionen immer wieder auch primäre<br />
Bedeutung (Zurhorst, 2000).<br />
Bologna bietet also eine Chance: die Chance<br />
der Qualitätssicherung der Kinder- und<br />
Jugendlichenpsychotherapie auf einem interdisziplinären<br />
Niveau. Bei den ersten bereits<br />
bestehenden Masterstudiengängen<br />
mit klinischem Profil im Bereich der Sozialen<br />
Arbeit (Master of Arts) wurde das hohe<br />
wissenschaftliche und fachliche Niveau<br />
durch die erfolgreiche Akkreditierung mit<br />
der Empfehlung der AbsolventInnen für<br />
den Höheren Dienst bereits belegt. Um dieses<br />
Qualifikationsniveau durch einen verbindlichen<br />
Rahmenplan für Masterabschlüsse<br />
im (sozial-)pädagogischen Bereich<br />
zu sichern, hat sich eine Arbeitsgemeinschaft<br />
‚Zukunft der Ausbildung zum Kinder-<br />
und Jugendlichenpsychotherapeuten’<br />
<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 2/<strong>2007</strong>