Psychotherapeutenjournal 2/2007 (.pdf)
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Recht: Aktuell<br />
Praxistipps – Hinweise – Informationen<br />
Michael Seiters, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht und Steuerrecht<br />
Der Supervisor in der praktischen Ausbildung von PiAs<br />
Eine Risikoanalyse<br />
Der Beitrag befasst sich mit<br />
Rechts- und Haftungsfragen im<br />
Zusammenhang der Tätigkeit<br />
selbständiger Supervisoren an<br />
Ausbildungsinstituten. Im Anschluss<br />
an die Ausführungen<br />
von RA Gerlach in einer der letzten<br />
Ausgaben des PTJ werden<br />
zunächst einzelne weitere berufs-,<br />
steuer- und sozialversicherungsrechtliche<br />
Aspekte besprochen<br />
(A), wobei der Autor<br />
zum Teil eine andere Auffassung<br />
als Gerlach vertritt. Sodann wird<br />
der Frage der zivilrechtlichen<br />
Haftung des Supervisors für<br />
die therapeutische Tätigkeit der<br />
Ausbildungskandidaten nachgegangen<br />
(B). Zur Veranschaulichung<br />
der Problematik wird<br />
beiden Teilen eine typische<br />
Sachverhaltskonstellation vorangestellt.<br />
A. Einzelne berufs-,<br />
steuer- und sozialversicherungsrechtliche<br />
Fragen zur Tätigkeit<br />
des Supervisors<br />
Sachverhaltskonstellation I.<br />
Der Diplom-Psychologe TS<br />
(Therapeut und Supervisor)<br />
arbeitet seit mehreren Jahren<br />
als approbierter Psychologischer<br />
Psychotherapeut mit<br />
Kassenzulassung in eigener<br />
Praxis. Da seine Sprechstun-<br />
150<br />
dentätigkeit in der Praxis ihn<br />
zeitlich nicht mehr als ca.<br />
15 Stunden wöchentlich beansprucht,<br />
ist er seit einiger Zeit<br />
zunehmend außerdem als Supervisor<br />
tätig. Im Umfang von<br />
ca. 8 Wochenstunden supervidiert<br />
TS approbierte Berufskollegen.<br />
Weitere ca. 12 Stunden<br />
wöchentlich supervidiert er<br />
die Ausbildungsteilnehmer eines<br />
staatlich anerkannten Ausbildungsinstitutes.<br />
Dort steht TS<br />
neben weiteren Supervisoren<br />
auf einer Liste, aus der sich die<br />
Kandidaten den für ihre Ausbildungstheorien<br />
benötigten<br />
Supervisor ihrer Wahl aussuchen.<br />
Wie sich aus dem zwischen<br />
dem Institut und TS<br />
abgeschlossenen freien Mitarbeitervertrag<br />
ergibt, ist TS für<br />
die Abführung der im Zusammenhang<br />
seiner Tätigkeit anfallenden<br />
Steuern und Sozialversicherungsabgaben<br />
selbst<br />
verantwortlich.<br />
1. Zur Präsenz und Erreichbarkeit<br />
des niedergelassenen<br />
Vertrags-Psychotherapeuten<br />
Fraglich ist zunächst, ob dem<br />
TS die beschriebene Supervisionstätigkeit<br />
neben seiner<br />
Tätigkeit als Kassen-Psychotherapeut<br />
ohne weiteres gestattet<br />
ist. Die Tätigkeit könnte sowohl<br />
von ihrer zeitlichen Organisation<br />
her, wie auch nach ihrem<br />
Umfang in berufs- und vertragsärztlicher<br />
Hinsicht problematisch<br />
sein.<br />
a) Berufsrechtlich hat der Therapeut<br />
zu gewährleisten, dass<br />
Hilfe suchende Patienten ihn<br />
auch tatsächlich in seiner Praxis<br />
antreffen können (soweit er<br />
nicht zulässigerweise einen Vertreter<br />
bestellt hat). In § 22 der<br />
Musterberufsordnung für PsychologischePsychotherapeuten<br />
und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten<br />
(BO)<br />
heißt es dazu: „Praxen von Psychotherapeuten<br />
müssen den<br />
besonderen Anforderungen<br />
der psychotherapeutischen Behandlung<br />
genügen. Präsens<br />
und Erreichbarkeit sind zu gewährleisten<br />
…“<br />
b) Die vertragsärztliche Präsenzpflicht<br />
geht noch darüber<br />
hinaus:<br />
aa) Gemäß § 17 Abs. 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte<br />
(BMV-<br />
Ä) ist der Vertragsarzt gehalten,<br />
seine Sprechstunden entsprechend<br />
dem Bedürfnis nach<br />
einer ausreichenden und<br />
zweckmäßigen vertragsärztlichen<br />
Versorgung und den<br />
Gegebenheiten seines Praxisbereiches<br />
festzusetzen und<br />
seine Sprechstunden auf einem<br />
Praxisschild bekannt zu geben.<br />
Danach ist es dem Therapeu-<br />
ten untersagt, seine Praxis für<br />
den Patientenverkehr willkürlich<br />
zu öffnen oder zu schließen.<br />
Zwar enthält diese Vorschrift<br />
gegenwärtig noch keine konkreten<br />
zeitlichen Vorgaben.<br />
Allerdings gilt ein Vertragarzt<br />
nach § 20 der Zulassungsverordnung<br />
für Vertragsärzte für<br />
die Ausübung vertragsärztlicher<br />
Tätigkeit als nicht geeignet, wenn<br />
er wegen eines Beschäftigungsverhältnisses<br />
oder wegen anderer<br />
nicht ehrenamtlicher Tätigkeit<br />
für die Versorgung der<br />
Versicherten persönlich nicht in<br />
erforderlichem Maße zur Verfügung<br />
steht. Dabei ist die<br />
Grenze bei einer Nebentätigkeit<br />
in einem abhängigen<br />
Beschäftigungsverhältnis bereits<br />
dann überschritten, wenn<br />
sie den Therapeuten mehr als<br />
13 Stunden wöchentlich beansprucht<br />
(vgl. z.B. Urteil des<br />
Bundessozialgerichts vom 30.<br />
01.2002, – Az.: – B 6 KA 20/<br />
01 R –). Die Frage, ob diese<br />
Grenze auch für die Ausübung<br />
einer selbständigen Tätigkeit<br />
gilt, hatte das Bundessozialgericht<br />
bisher offengelassen.<br />
Insoweit stellte sich in der Rechtsprechung<br />
bisher eher die Frage,<br />
ob die in Rede stehende<br />
andere „ärztliche Tätigkeit ihrem<br />
Wesen nach mit der Tätigkeit<br />
des Vertragsarztes am Vertragsarztsitz<br />
zu vereinbaren ist“ (vgl.<br />
§ 20 Abs. 2 Satz 1 Ärzte-ZV).<br />
<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 2/<strong>2007</strong>