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ZAP-16-17

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Fach 4 R, Seite 900<br />

Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. 20<strong>17</strong><br />

Miete/Nutzungen<br />

Nunmehr hat der Senat (BGH GE 20<strong>17</strong>, 653 = WuM 20<strong>17</strong>, 333 = NZM 20<strong>17</strong>, 405 = MietPrax-AK § 573 BGB<br />

Nr. 65 m. Anm. BÖRSTINGHAUS; BÖRSTINGHAUS jurisPR-BGH-ZivilR 11/20<strong>17</strong> Anm. 3; HINZ NZM 20<strong>17</strong>, 412), wie<br />

er selbst schreibt, versucht, diese Missverständnisse seiner Rechtsprechung durch die Untergerichte<br />

auszuräumen, wobei dies durchaus auch als „Rechtsprechungsänderung“ (so die Überschrift des<br />

Urteilsabdrucks in NZM 20<strong>17</strong>, 405) verstanden wird, was der Senat aber selbst ausdrücklich bestreitet.<br />

Nach dem sehr allgemeinen Leitsatz der Entscheidung aus dem Jahre 2012 hat der Senat jetzt acht<br />

Leitsätze formuliert, die alleine schon fast die Länge eines amtsgerichtlichen Urteils haben. Damit wollte<br />

er wohl weitere Missverständnisse für die Zukunft vermeiden. Im konkreten Fall hatte eine Vermieterin<br />

eine sehr kleine Wohnung gekündigt, weil ihr Mann, der im gleichen Haus einer selbstständigen<br />

Tätigkeit nachging, dort Akten lagern wollte. Das war weder Eigenbedarf noch rechtfertigte es eine<br />

Kündigung wegen wirtschaftlicher Verwertung. Eine Verwertungskündigung setze voraus, dass der<br />

Vermieter durch das bestehende Wohnraummietverhältnis an einer wirtschaftlichen Verwertung „des<br />

Grundstücks“, also an einer Realisierung des diesem innewohnenden materiellen Werts gehindert sei.<br />

Eine solche Verwertung geschehe durch einen Verkauf oder eine Vermietung des Grundstücks. Die<br />

Vermietung sollte hier aber nicht der Erzielung eines höheren Ertrags dienen, sondern dem Betrieb des<br />

Ehemanns zugute kommen. In Betracht kam also allenfalls eine Kündigung nach der Generalklausel des<br />

§ 573 Abs. 1 BGB.<br />

Ob ein (frei-)beruflicher oder gewerblicher Bedarf eine Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses<br />

nach § 573 Abs. 1 S. 1 BGB rechtfertigt, lasse sich nicht allgemein beantworten. Es müsse in jedem<br />

Einzelfall festgestellt werden, ob der Vermieter ein „berechtigtes Interesse“ an der Kündigung habe.<br />

Dabei sei zu beachten, dass sowohl die Rechtsposition des Vermieters als auch das vom Vermieter<br />

abgeleitete Besitzrecht des Mieters von der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützt<br />

seien. Wie diese Interessen zu gewichten seien, könne aus § 573 Abs. 2 BGB abgeleitet werden. Nach<br />

§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB reicht der Nutzungswunsch des Vermieters alleine aus, wenn er die Wohnung<br />

zu Wohnzwecken nutzen will. Geht es dagegen um eine wirtschaftliche Verwertung des Grundstücks<br />

gem. § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB, erlaubt das Gesetz eine Kündigung nur bei erheblichen Nachteilen<br />

für den Vermieter. Das Interesse des Vermieters, die vermietete Wohnung zu (frei-)beruflichen oder<br />

gewerblichen Zwecken selbst zu nutzen, ist von der Interessenlage her zwischen den genannten<br />

typisierten Regeltatbeständen anzusiedeln. Es müsse deshalb jedesmal festgestellt werden, ob der<br />

konkrete Betriebsbedarf einen etwas größeren personalen Bezug habe oder näher an einer<br />

Verwertungskündigung zu sehen sei. Im letzteren Fall müssten dem Vermieter erhebliche Nachteile<br />

drohen. Und genau diese hat der Senat bei der vorliegenden Fallgestaltung verneint; ein solcher<br />

Nachteil von einigem Gewicht sei vorliegend nicht ansatzweise zu erkennen. Durch eine Auslagerung<br />

eines größeren Teils des Aktenbestands in andere, etwas entfernter gelegene Räumlichkeiten sei<br />

keine wirtschaftliche Einbuße von einigem Gewicht oder ein die Organisation des Unternehmers<br />

erheblich beeinträchtigender Nachteil erkennbar.<br />

b) Wirtschaftliche Verwertung des Grundstücks<br />

In einer zweiten Entscheidung (BGH GE 20<strong>17</strong>, 769 = WuM 20<strong>17</strong>, 410 = MietPrax-AK § 573 BGB Nr. 66 m.<br />

Anm. BÖRSTINGHAUS) hat der Senat diese von ihm jetzt neu entwickelten und dargestellten Grundsätze auf<br />

eine Fallgestaltung angewandt, bei der der Vermieter eine Wohnung gekündigt hatte, um sie einer ihm<br />

nahestehenden Gesellschaft zur Verfügung zu stellen, die im ganzen Haus eine soziale Wohngruppe<br />

einrichten wollte. Für den erforderlichen Umbau sollte diese Gesellschaft staatliche Fördermittel<br />

erhalten, die aber wiederum von der Schaffung einer bestimmten Anzahl von Wohngruppenplätzen<br />

abhängig waren. Auch hier ist der Senat davon ausgegangen, dass allenfalls eine Kündigung nach der<br />

Generalklausel des § 573 Abs. 1 BGB in Betracht komme und dass hier wiederum eine größere Nähe zur<br />

Verwertungskündigung bestehe. Auch hier hat der Senat die erheblichen Nachteile auf Vermieterseite<br />

verneint. Zum einen sollte der Vermieter weder umbauen noch Fördermittel bekommen und zum<br />

anderen hatte der Vermieter bereits während des Räumungsprozesses begonnen, das Projekt zu<br />

realisieren und zu betreiben.<br />

868 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>16</strong> 9.8.20<strong>17</strong>

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