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ZAP-16-17

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Miete/Nutzungen Fach 4 R, Seite 901<br />

Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. 20<strong>17</strong><br />

c) Nutzung aus betrieblichen Gründen notwendig<br />

Und schließlich hat der Senat entschieden, dass eine Kündigung wegen Betriebsbedarfs voraussetzt,<br />

dass betriebliche Gründe die Nutzung gerade der gekündigten Wohnung notwendig machen. Die<br />

Wohnung muss deshalb für die betrieblichen Abläufe nach den Aufgaben der Bedarfsperson von<br />

wesentlicher Bedeutung sein. Dies sei etwa bei einem Angestellten, dem die Aufgaben eines<br />

„Concierge“ für ein Haus übertragen worden sind und der vor Ort sein muss, der Fall. Bei einem<br />

Hausmeister, der mehrere Objekte des Vermieters betreuen soll und ohnehin bereits in der Nähe eines<br />

der Objekte wohnt, sei diese Voraussetzung aber zu verneinen (BGH MDR 20<strong>17</strong>, 693 = GE 20<strong>17</strong>, 658 =<br />

WuM 20<strong>17</strong>, 342 = MietPrax-AK § 573 BGB Nr. 64 m. Anm. BÖRSTINGHAUS; BÖRSTINGHAUS jurisPR-BGHZivilR<br />

12/20<strong>17</strong> Anm. 2; SCHACH GE 20<strong>17</strong>, 621; DRASDO NJW-Spezial 20<strong>17</strong>, 419).<br />

3. Schadensersatz wegen vorgetäuschten Eigenbedarfs<br />

Inzwischen häufen sich die Entscheidungen des BGH zum Schadensersatzanspruch wegen vorgetäuschten<br />

Eigenbedarfs. In der Praxis geht es in diesen Fällen zum einen darum zu entscheiden, ob der<br />

behauptete Bedarf überhaupt eine Kündigung rechtfertigt, und zum anderen geht es prozessual immer<br />

um die Frage, ob der Mieter bewiesen hat, dass dieser Kündigungsgrund nur vorgeschoben war. Nach<br />

Ansicht des BGH (MDR 20<strong>17</strong>, 693 = GE 20<strong>17</strong>, 658 = WuM 20<strong>17</strong>, 342 = MietPrax-AK § 573 BGB Nr. 64 m. Anm.<br />

BÖRSTINGHAUS;BÖRSTINGHAUS jurisPR-BGHZivilR 12/20<strong>17</strong> Anm. 2; SCHACH GE 20<strong>17</strong>, 621; DRASDO NJW-Spezial 20<strong>17</strong>,<br />

419) komme dem Mieter hier aber dann eine Beweiserleichterung zugute, wenn der Vermieter nach<br />

Auszug des Mieters den angekündigten Bedarf gar nicht umsetzt. In diesem Fall trifft den Vermieter eine<br />

sekundäre Darlegungslast zum nachträglichen Wegfall des Bedarfs. Setzt der Vermieter den behaupteten<br />

Selbstnutzungswillen nach dem Auszug des Mieters nicht um, liege nämlich der Verdacht nahe, dass der<br />

Bedarf nur vorgeschoben gewesen sei. Unter diesen Umständen sei es dem Vermieter zuzumuten,<br />

substantiiert und plausibel („stimmig“) darzulegen, aus welchem Grund der mit der Kündigung<br />

vorgebrachte Bedarf nachträglich entfallen sein soll; an diese Darlegung sind nach der Rechtsprechung<br />

des Senats (BGH WuM 20<strong>16</strong>, 743 = MDR 20<strong>17</strong>, 21 = NZM 20<strong>17</strong>, 23 = GE 20<strong>17</strong>, 97 = ZMR 20<strong>17</strong>, 32 = MietPrax-<br />

AK § 573 BGB Nr. 61 m. Anm. BÖRSTINGHAUS; BÖRSTINGHAUS jurisPR-BGHZivilR 1/20<strong>17</strong> Anm. 2; SCHÜLLER NZM<br />

20<strong>17</strong>, 26; SUILMANN MietRB 20<strong>17</strong>, 35) strenge Anforderungen zu stellen.<br />

4. Fortsetzung des Mietverhältnisses nach der Sozialklausel<br />

Der Kündigungsschutz des sozialen Mietrechts ist vom Gesetzgeber dual ausgestaltet worden (vgl.<br />

STERNEL, Vortrag auf dem Deutschen Mietgerichtstag 20<strong>17</strong>, www.mietgerichtstag.de). Zunächst muss der<br />

Vermieter ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses haben. Auf dieser Ebene<br />

werden die Interessen des Mieters noch nicht berücksichtigt. Das „zweite Standbein“ des dualen<br />

Kündigungsschutzes ist der Fortsetzungsanspruch des Mieters gem. §§ 574 ff. BGB. Hier geht es um die<br />

Mieterinteressen. Dieser Anspruch spielte in der Vergangenheit in der gerichtlichen Praxis kaum eine<br />

Rolle.<br />

Gemäß § 574 Abs. 1 S. 1 BGB kann der Mieter einer an sich gerechtfertigten ordentlichen Kündigung des<br />

Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die<br />

Beendigung des Mietverhältnisses für ihn oder seine Familie eine Härte bedeuten würde, die auch unter<br />

Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Der BGH (GE 20<strong>17</strong>,<br />

469 = DWW 20<strong>17</strong>, 134 = NJW 20<strong>17</strong>, 1474 = NZM 20<strong>17</strong>, 286 = WuM 20<strong>17</strong>, 285 = MDR 20<strong>17</strong>, 635 = ZMR 20<strong>17</strong>,<br />

382 = MietPrax-AK § 574 BGB Nr. 2 m. Anm. BÖRSTINGHAUS; SINGBARTL/HENKE NZM 20<strong>17</strong>, 289; BÖRSTINGHAUS<br />

jurisPR-BGHZivilR 9/20<strong>17</strong> Anm. 2; SANDIDGE/WICHERT MietRB 20<strong>17</strong>, 153; BEYER jurisPR-MietR 12/20<strong>17</strong> Anm.<br />

2) verlangt von den Tatsachengerichten zu diesen Voraussetzungen eine gründliche und sorgfältige<br />

Sachverhaltsfeststellung und anschließend eine Gewichtung und Würdigung der beiderseitigen<br />

Interessen. Die Härte muss aber stärker sein als die mit einem Wohnungswechsel typischerweise<br />

verbundenen Unannehmlichkeiten. Behauptet der Mieter gesundheitliche Auswirkungen eines Umzugs,<br />

müsse das Tatsachengericht regelmäßig ein Gutachten einholen. Auf der anderen Seite müssten die<br />

Tatsachengerichte auch berücksichtigen, wie groß und dringlich das Vermieterinteresse an der<br />

Eigenbedarfskündigung letztendlich ist. Da es im vorliegenden Fall wohl eher um eine Erhöhung des<br />

„Wohnkomforts“ gegangen sei als um eine Beseitigung völlig unzureichender beengter Wohnverhält-<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>16</strong> 9.8.20<strong>17</strong> 869

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