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SOCIETY 372 /2017

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WIRTSCHAFT<br />

RECHT<br />

die Produktionskapazitäten konsequent steigern<br />

soll. Dies führt zum Multiplikatoreffekt bei der<br />

umfangreichen und einheitlichen Wirtschaftsentwicklung<br />

sowie bei der allgemeinen Zusammenarbeit<br />

mit externen Partnern. Soweit so gut.<br />

Aber funktioniert das in der Praxis?<br />

Ein wichtiger Aspekt für die Entwicklung der<br />

EAWU ist die Kopplung der Wirtschaftsunion an<br />

die chinesische „One Belt One Road“ Initiative,<br />

welche ihrerseits darauf abzielt, China mit der<br />

EU zu verbinden; ebenso wichtig ist auch - wie in<br />

der Vertragspräambel festgelegt - die Berücksichtigung<br />

von Rechtsvorschriften und Grundprinzipien<br />

der WTO.<br />

Wie der einheitliche Zollraum funktionieren<br />

soll, stellt eine der wichtigsten Fragen dar. Anfang<br />

2010 nahm die Zollunion im Rahmen der EAWU<br />

ihre Arbeit auf. Diese Union sollte die Handelsintegration<br />

verstärken und zollfreie Handelszonen<br />

schaffen, wo der Warenaustausch ohne jegliche<br />

wirtschaftliche Einschränkungen erfolgen könnte.<br />

Der Zollunion sind sämtliche Mitgliedstaaten<br />

der Eurasischen Wirtschaftsunion beigetreten,<br />

später im selben Jahr 2015 auch Armenien und<br />

Kirgisistan.<br />

Wie jeder andere Entstehungsprozess und jede<br />

Eingliederung in eine Staatenvereinigung ist auch<br />

eine so bedeutsame Vereinigung auf dem postsowjetischen<br />

Raum wie die EAWU mit Reibungen verbunden.<br />

So führen die einzelnen Mitgliedsstaaten<br />

trotz der Aufhebung der Zollkontrolle über ihre<br />

Grenze Einschränkungen hinsichtlich des freien<br />

Warenverkehrs. Laut Angaben der zuständigen Behörden<br />

seien solche Einschränkungen gemäß den<br />

Vorschriften zur Gesundheitskontrolle und zur<br />

epidemiologischen Kontrolle erforderlich. Oft gelten<br />

solche Einschränkungen kurzfristig und richten<br />

sich nach subjektiven Prioritäten des jeweiligen<br />

Landes betreffend der Gesundheitsvorsorge<br />

für die eigene Bevölkerung, etc. Jedoch stehen<br />

solche Maßnahmen, insbesondere im Falle einer<br />

langfristigen bzw. systematischen Anwendung in<br />

einem gewissen Widerspruch zu den langfristen<br />

von der EAWU verfolgten Zielen.<br />

Eine Auseinandersetzung findet gerade zwischen<br />

Kasachstan und Kirgisien statt. Kasachstan<br />

ist der Meinung, dass die Festlegung des Anteils<br />

Kirgisiens im konsolidierten Haushalt der EAWU<br />

in Höhe von 1,9 Prozent dem Land erlaubte, dessen<br />

Einkünfte aus Zollabgaben im Vergleich zu denen<br />

vor dem Beitritt zur Wirtschaftsunion zu verdreifachen.<br />

Aufgrund der vorzeitigen Anwendung des<br />

einheitlichen Einsenbahnhaushalts durch Kirgisien<br />

seien Kasachstan USD 49 Mio. abgegangen, so<br />

die kasachische Regierungsspitze. Weiters werden<br />

in Kasachstan die Stimmen laut, dass aufgrund einer<br />

starken Wiederausfuhr von chinesischen Handelswaren<br />

außerhalb Kasachstans nach Russland<br />

und auch nach Kasachstan eine Verletzung der<br />

DIE AUTORIN<br />

Dipl. iur. ANNA ZEITLIN-<br />

GER, leitet seit Mitte der<br />

2000er Jahre den Russian<br />

& CIS Desk bei LGP und hat<br />

sich auf Gesellschaftsrecht,<br />

M&A, Restrukturierungen,<br />

das Recht der Russischen<br />

Föderation und der GUS<br />

sowie auf Litigation und<br />

Arbitration im internationalen<br />

Kontext spezialisiert.<br />

Zu ihren Mandanten<br />

zählen neben Holdings<br />

und Investorengruppen<br />

auch Privatpersonen aus<br />

den GUS-Ländern. Anna<br />

Zeitlinger zählt zur Gruppe<br />

der Vertrauensberater der<br />

Russischen Föderation in<br />

Österreich, sie ist Präsidiumsmitglied<br />

der Österreich-Russischen<br />

Freundschaftsgesellschaft<br />

(ORFG)<br />

mit Sitz in Wien, Mitglied<br />

der Schiedsrechtsvereinigung<br />

„Young Arbitration<br />

Practitioners“, sowie der<br />

„International Chamber of<br />

Commerce“ (ICC).<br />

»Offensichtlich verfolgt die<br />

Union ferner auch den Zweck,<br />

den gemeinsamen Binnenmarkt<br />

rechtlich und angemessen<br />

zu schützen (...)<br />

«<br />

EAWU-Regeln vorliegt. Die Einfuhrzölle in Kirgisien<br />

auf die chinesischen Waren seien nämlich unvergleichbar<br />

niedriger. Die „Umetikettierung“ von<br />

chinesischen Waren und deren Einschleusung<br />

auf das Territorium des EAWU kosten dem kasachischen<br />

Staat enorme Einbußen bei den Zolleinnahmen,<br />

verzerren die Handelsbilanz und stehen<br />

dern einheimischen Warenherstellern im Wege.<br />

Die Vertreter aus Kirgisien hielten nicht Wort<br />

und behaupten der Beitritt Kasachstans zur WTO<br />

zu den eigenen, einzeln verhandelten Bedingungen<br />

hätte die Interessen aller anderen Unionsmitgliedstaaten<br />

schwer getroffen, weil der gemeinsame<br />

Markt ohne gleiche Regeln keinen Sinn<br />

ergeben würde; so entstünden Parallelstrukturen<br />

für den Import und zugleich die Notwendigkeit,<br />

jene Warenflüsse zu kontrollieren, bei denen Waren<br />

zu reduzierten Tarifen für den angeblichen<br />

inländischen Verbrauch eingeführt werden.<br />

Wie wir sehen, sind solche Probleme möglicherweise<br />

auf Widersprüche zurückzuführen, die<br />

einerseits zwischen der impliziten Gleichberechtigung<br />

der Seiten im Rahmen der EAWU-Ziele und<br />

dem Verhältnis zwischen der Größe der Volkswirtschaft<br />

und den in der EAWU festgelegten Rechten<br />

jedes einzelnen Landes liegen. Anderseits ist eine<br />

Balance zwischen der Vertragsverpflichtung zur<br />

Berücksichtigung der WTO-Vorschriften und der<br />

Gültigkeit der EAWU-Regeln gegenüber allen Unionsmitgliedstaaten<br />

zu finden.<br />

Aus unserer Sicht stellen die oben erwähnten<br />

Aspekte zurzeit taktische Hindernisse dar, welche<br />

unweigerlich eintreten müssten, und überdies,<br />

wenn richtig behandelt, zur Weiterentwicklung<br />

der EAWU beitragen werden. Angesichts regionaler<br />

Besonderheiten und historischem Erbe der EAWU-<br />

Mitgliedstaaten ist eine gewisse Wiederherstellung<br />

und Modernisierung der zuvor existenten Wirtschaftsbeziehungen<br />

in einem neuen offenen und<br />

für andere Teilnehmer der außenwirtschaftlichen<br />

Tätigkeit nachvollziehbaren Format aus unserer<br />

Sicht grundsätzlich unvermeidlich. Aus der Sicht<br />

der europäischen und sonstigen Außenwirtschaftspartner<br />

ist diese Anpassung jedoch positiv, denn<br />

langfristig führt sie zur Kostenreduktion derjenigen,<br />

die im Rahmen der EAWU operieren. •<br />

TEXT: Dipl. iur. Anna Zeitlinger<br />

<strong>SOCIETY</strong> 2_<strong>2017</strong> | 113

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