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SOCIETY 372 /2017

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Die erste afrikanische<br />

Buchhandlung in Wien<br />

DIVERSITÄT<br />

KOMMENTAR<br />

Zum ersten Mal in der Geschichte Österreichs<br />

wurde am 29. Juni <strong>2017</strong> eine afrikanische<br />

Buchhandlung in Wien eröffnet.<br />

Fotos: simon inou<br />

In der Lassallestrasse 20, im zweiten Wiener<br />

Bezirk, nur drei Kilometer von den Wiener<br />

Vereinten Nationen stadteinwärts entfernt,<br />

liegt AFRIEUROTEXT. So heißt die Buchhandlung,<br />

deren Besitzer der aus Kamerun stammende<br />

Literatur- und Kulturwissenschaftler und<br />

am Institut für Afrikawissenschaften der Universität<br />

Wien tätige Dr. Daniel Romuald Bitouh ist. <strong>SOCIETY</strong><br />

hat ihn getroffen und mit ihm über die Gründungsmotive<br />

und die Rolle dieses kulturellen Ortes in Zeiten<br />

von digitalisiertem Wissen gesprochen.<br />

Herr Bitouh, was bedeutet AFRIEUROTEXT,<br />

der Name ihrer Buchhandlung?<br />

AFRIEUROTEXT ist zuerst eine Buchhandlung<br />

und gleichzeitig ein Projekt des Kulturvereins<br />

AFRIEUROTEXT. Der Akronym AFRIEUROTEXT<br />

bedeutet Afrikanische und Europäische Textualitäten.<br />

Damit wird das Nicht-Monolithische in der<br />

Kultur unterstrichen. Wir gehören alle zu einer<br />

Welt und in dieser Welt spielt jeder bzw. jede eine<br />

Rolle. Mit dem Akronym wird gezeigt, dass Afrika<br />

und Europa seit Jahrtausenden vereint und<br />

aufeinander angewiesen sind, trotz spaltender<br />

Diskurse, die in der Öffentlichkeit herrschen.<br />

Wie kam es zu der Gründung der Buchhandlung?<br />

Die Idee, die heute praktisch umgesetzt wird,<br />

ist ein Traum meiner Kindheit. Als Gymnasiast<br />

des Lycée Leclerc und des Lycée d´Ekounou, beide<br />

in Yaounde, der Hauptstadt von Kamerun, war ich<br />

sehr aktiv in den verschiedenen literarischen, philosophischen<br />

und wissenschaftlichen Clubs beider<br />

Institutionen tätig. Ich debattierte gern, lernte<br />

gern neue Sachen und war immer daran interessiert,<br />

etwas Neues und Nützliches zu vermitteln.<br />

Neues und Nützliches zu vermitteln. Was bedeutet<br />

das in einem österreichischen Kontext?<br />

Sie wissen wie Afrika in den Medien, Institutionen<br />

und Forschungseinrichtungen manchmal dargestellt<br />

wird, nämlich als ein Kontinent ohne endogene<br />

WissenschaftlerInnen, die für sich denken;<br />

als ein Kontinent der immer als „loser“ präsentiert<br />

wird, ein Kontinent der anscheinend nur Rohstoffe<br />

für den Rest der Welt liefert. Das ist nur ein winziger<br />

Teil dieses reduktionistischen Herrschafts- bzw.<br />

Machtdiskurses. Diese Buchhandlung setzt sich unter<br />

anderem zum Ziel, durch das Kulturgut „Buch“<br />

diesem Diskurs entgegenzuwirken.<br />

Mit welchen Mitteln wollen Sie dies erreichen?<br />

In dem wir z.B. hier in der Buchhandlung neue<br />

afrikanische Wissensproduktionen in mehreren<br />

Feldern sichtbar machen, Literaturen verbreiten,<br />

Debatten organisieren. An der Eingangstür steht:<br />

„Afrika anders erleben und entdecken“. Unsere<br />

Rolle ist eine andere Perspektive, ein anderes<br />

bzw. differenziertes Bild Afrikas zu vermitteln.<br />

Afrika wie wir es aus afrikanischen Ländern kennen<br />

und kein kolonialistisch kolportiertes Afrika-Bild.<br />

Ein positives, umfassendes und würdiges<br />

Bild Afrikas aus entkolonisierten Perspektiven.<br />

Also den Diskurs vom Zentrum in die Peripherie<br />

mitnehmen?<br />

Ja, den Diskurs diversifizieren und fruchtbar<br />

machen und wir können ihn erst fruchtbar<br />

machen, indem wir mit vielen Menschen – AfrikanerInnen,<br />

EuropäerInnen und Menschen aus<br />

anderen Erdteilen - arbeiten, die Afrika und<br />

AfrikanerInnen respektieren und auf Augenhöhe<br />

treffen wollen. Die AFRIEUROTEXT Buchhandlung<br />

schließt niemanden aus und versteht sich<br />

als Ort des interkulturellen literarischen, künstlerischen<br />

und philosophischen Dialogs. Sie ist ein<br />

Netzwerk- und Vernetzungsraum.<br />

Was für Bücher sind bei Ihnen zu finden?<br />

Unsere Buchhandlung hat ein abwechslungsreiches<br />

Sortiment: Tatsachen über Afrika, afrikanische<br />

Literatur in afrikanischen Sprachen,<br />

afrikanische Literatur in europäischen Sprachen,<br />

aber auch Migrations- und Flüchtlingsproblematik,<br />

Integration und Diversität und vieles mehr.<br />

Unser Sortiment beinhaltet sowohl Kinder-, als<br />

auch Kochbücher. Es ist sinnvoll, Kinder spielerisch<br />

mit dem wunderbaren afrikanischen<br />

Kontinent vertraut zu machen, um verfälschten<br />

Bildern über diesen Erdteil, seiner Länder und<br />

seiner Bevölkerung entgegenzuwirken. •<br />

TEXT: Simon Inou<br />

ZUR PERSON<br />

Dr. phil. Daniel Romuald<br />

Bitouh ist promovierter<br />

Literatur- und Kulturwissenschaftler.<br />

2006 kam er über<br />

ein Germanistik-Stipendium<br />

von Hamburg nach Wien. Er<br />

hat Germanistik, Romanistik<br />

und Afrikanistik an den Universitäten<br />

Yaounde (Kamerun)<br />

und Wien (Österreich)<br />

studiert und beteiligt sich<br />

als Lektor für Afrikanische<br />

Literatur am Lehrangebot<br />

des Instituts für Afrikawissenschaften<br />

der Universität<br />

Wien. All diese Erfahrungen<br />

kommen in seiner Monographie<br />

„Ästhetik der Marginalität<br />

im Werk von Joseph<br />

Roth“ (2016 erschienen)<br />

zum Ausdruck. Weiters ist<br />

Dr. Bitouh als Deutschlehrer<br />

im Erwachsenenbildungsbereich<br />

tätig, Mitbegründer<br />

und Leiter des Kulturvereins<br />

AFRIEUROTEXT, einer in<br />

Österreich etablierten und<br />

produktiv mitgestaltenden<br />

Kulturorganisation.<br />

KONTAKT<br />

AFRIEUROTEXT<br />

Buchhandlung<br />

Inhaber: Dr. Daniel Romuald<br />

Bitouh<br />

Lassallestrasse 20/Tür 3<br />

A-1020 Wien<br />

Tel: +43 650 723 50 99<br />

www.afrieurotext.at<br />

<strong>SOCIETY</strong> 2_<strong>2017</strong> | 117

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