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SOCIETY 372 /2017

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KULTUR<br />

INTERVIEW<br />

Fotos: Doris KUCERA<br />

nicht für die Katholische Kirche kämpfen wolle,<br />

da für sie alle Religionen gleich seien. So wurden<br />

die Freimaurer in katholischen Ländern wie<br />

Österreich-Ungarn stark beschränkt, da sie als<br />

Gefahr gesehen wurden. Die Freimaurer in protestantischen<br />

Ländern, wie beispielsweise in England,<br />

hatten hingegen keine Probleme. Aus dieser<br />

historischen Epoche kommt auch dieses Gefühl<br />

der Geheimhaltung. Ich liebe den Ausdruck diskret<br />

– wir sind ein diskreter Bund, denn wir sind<br />

nicht auf Facebook, wir schalten keine Inserate,<br />

wir gehen nicht an die Öffentlichkeit. Es gibt uns,<br />

das wissen wir und das genügt uns.<br />

Worum geht es den Freimaurern? Was sind ihre<br />

Grundsätze?<br />

Die ursprünglichen Grundsätze der Freimaurerei<br />

sind: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit<br />

und Toleranz. Diese Begriffe wirken in der heutigen<br />

Zeit etwas sperrig – der Begriff der Brüderlichkeit<br />

kann mit Solidarität gleichgesetzt<br />

werden, Freiheit mit Demokratie, Gleichheit mit<br />

dem Begriff Menschenrechte und Humanität mit<br />

Menschlichkeit. Wir sehen uns regelmäßig einmal<br />

in der Woche zur selben Uhrzeit. Bei diesen<br />

Zusammenkünften diskutieren wir die verschiedenen<br />

Meinungen, die in der Loge bestehen und<br />

es geht uns darum zu erkennen, dass der eigene<br />

Blick doch nicht immer das Maß aller Dinge ist.<br />

Es soll das Bewusstsein geschaffen werden, dass<br />

es – neben der eigenen Überzeugung – noch andere<br />

Einschätzungen gibt. Wir haben ein wöchentliches<br />

Ritual, in welchem es vorerst ums<br />

Innehalten geht, um dann die nötige Ruhe zu<br />

haben, um über tiefgreifende Themen zu diskutieren.<br />

Ich muss eine Zensur zu dem Leben da<br />

draußen schaffen. Jede funktionierende Familie<br />

hat ihre Rituale – das Ritual prägt und schafft<br />

Gemeinsamkeit. Das Ritual besteht aus Goethe-<br />

Texte, die unglaublich impactstark sind – es ist<br />

möglich, immer wieder neue inhaltliche Aspekte<br />

zu finden. Neben dem Lesen der Texte, muss man<br />

aber auch das Kerzenlicht und die Atmosphäre<br />

als Ganzheit erleben. In einem Aspekt fallen wir<br />

sozusagen ein bisschen aus dem zeitgenössischen<br />

Rahmen: Wir glauben, dass Zeit und Entschleunigung<br />

eine ganz wichtige Funktion haben und<br />

wollen Dinge langsam angehen.<br />

Wie wird man ein Freimaurer?<br />

Man entwickelt Interesse, sobald man etwas<br />

von der Freimaurerei hört. Es ist die persönliche<br />

Geisteshaltung – es geht darum, Dinge vom Gedanken<br />

der Menschlichkeit aus anzugehen. Das<br />

heißt nicht, dass wir weltfremd sind, oder ein<br />

Armutsgelübde ablegen. Das heißt nicht, dass<br />

wir eine Religion sein wollen, oder eine bessere<br />

Kirche. Die Freimaurerei richtet sich an den Einzelnen,<br />

sie sollte aus jedem Einzelnen das Gute,<br />

das bereits in ihm steckt, hervorholen. Nach dem<br />

Motto: „Werde der, der du sein könntest.“ Die persönliche<br />

Entwicklung steht im Vordergrund. Der<br />

klassische Weg ist der, dass man angesprochen<br />

»Die Geschichte<br />

zeigt, dass<br />

reine Männerlogen<br />

und reine<br />

Frauenlogen<br />

funktionieren,<br />

gemischte<br />

Logen nicht.<br />

«<br />

CURRICULUM<br />

VITAE<br />

GEORG SEMLER kommt aus<br />

der Textilbranche und ist im<br />

Vorstand der Rudolfinerhaus<br />

Privatklinik. Seit 2014<br />

ist er Großmeister der österreichischen<br />

Großloge.<br />

KONTAKT<br />

GROSSLOGE VON<br />

ÖSTERREICH<br />

www.freimaurerei.at<br />

wird, oder das Gefühl hat, dieser Mensch könnte<br />

etwas mit der Freimaurerei zu tun haben und<br />

ihn selbst anspricht. Der zweite Weg ist sehr einfach:<br />

Wir haben eine Website über die man uns<br />

auch kontaktieren kann – es entsteht dann ein<br />

interaktiver Dialog und wir sind stolz darauf,<br />

dass wir auch maximal 24 Stunden später alle<br />

E-Mails beantworten. So beginnt ein Kommunikationsprozess<br />

– man könnte es fast wie in einer<br />

Beziehung sehen: Es ist ein Prozess des sich Kennenlernens:<br />

Wo passt´s, wo hackt´s und wie geht<br />

man damit um. Die Bindung sollte aber für ein<br />

ganzes Leben eingegangen werden. In aller Regel<br />

bleiben die Herren bei uns, es treten nicht einmal<br />

drei Prozent wieder aus.<br />

Was geschieht, wenn bekannt wird, dass sich ein<br />

Mitglied nicht an die Grundsätze hält?<br />

Freimaurer geloben sich an die Gesetze des<br />

Landes zu halten, in dem sie leben. Jede Art von<br />

Rechtsbruch und strafbarem Verhalten ist natürlich<br />

verpönt – das ist aber eine Untergrenze an<br />

Standards, die wir anlegen. Darüber hinaus geht<br />

es auch um moralisches Verhalten und grundsätzliche<br />

Einstellungen. Was ich gerne zu sagen<br />

pflege, ist, dass Freimaurerei kein Verein, sondern<br />

eine innere Haltung ist. Es gibt bei den Freimaurern<br />

so eine Art Schwarmintelligenz. Das<br />

Mitglied bekommt zunächst den sozialen Druck<br />

zu spüren. Im Endeffekt kann sich die Loge natürlich<br />

auch von Mitgliedern trennen – das ist ein<br />

standardisiertes Verfahren.<br />

Warum werden in die Großloge von Österreich<br />

nur Männer aufgenommen?<br />

Freimaurerei hat mit persönlicher Öffnung<br />

zu tun. Die erste Aufgabe für jeden Neuling ist<br />

folgende: „Erkenne dich selbst – schau, wo deine<br />

persönlichen Fallstricke liegen, über die du im<br />

Leben immer wieder stolperst. Welchem Mechanismus<br />

hast du dich unterworfen, der dich stetig<br />

behindert?“ Ich glaube, dass man sich hinsichtlich<br />

dieser persönlichen Öffnung vor gleichgeschlechtlichen<br />

Mitgliedern leichter tut. Das hat<br />

nichts mit Ausgrenzung des anderen Geschlechts<br />

zu tun. Ein Öffnungsprozess funktioniert so einfach<br />

besser. Es gibt in Österreich auch die weibliche<br />

Freimaurerei. Es existieren drei Logensysteme:<br />

reine Männerlogen, reine Frauenlogen und<br />

gemischte Logen. Außerdem gibt es den englischen<br />

und den französischen Strang. In Frankreich<br />

waren von Beginn an Frauen dabei. Wir leiten<br />

uns von der englischen Loge ab, respektieren<br />

aber den französischen Strang genauso. Ich habe<br />

kein Problem mit Frauenlogen. Das einzige, was<br />

den Engländern wichtig ist, ist der geschützte<br />

Raum der Loge, der auch in unserem Verständnis<br />

den Logenmitgliedern, und das sind nur Männer,<br />

vorbehalten ist. Die Frauenlogen in Österreich<br />

nehmen dasselbe Recht für sich in Anspruch. Interessant<br />

ist auch, dass die Geschichte zeigt, dass<br />

reine Männerlogen und reine Frauenlogen<br />

funktionieren, gemischte Logen nicht. •<br />

<strong>SOCIETY</strong> 2_<strong>2017</strong> | 147

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