SOCIETY 372 /2017
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
KULTUR<br />
INTERVIEW<br />
Werde der, der du<br />
sein könntest<br />
<strong>SOCIETY</strong> sprach mit Georg Semler, dem Großmeister der<br />
Freimaurer in Österreich, über den geheimnisumwobenen<br />
Bund.<br />
Woher kommt die<br />
Freimaurerei?<br />
Die Freimaurerei<br />
gilt als<br />
diskreter Bund<br />
und kein, wie<br />
oft fälschlicherweise verlautbart, Geheimbund<br />
– wo liegen die wesentlichen Unterschiede?<br />
Die Freimaurerei ist aus sogenannten<br />
Handwerkszünften entstanden. Die<br />
Steinmetze beispielsweise hatten ein sehr<br />
spezielles Wissen und waren ein kleiner,<br />
geschlossener Kreis. Sie waren bereits im<br />
17. Jahrhundert eine international vernetzte<br />
Gruppe, die sich bewusst war, dass<br />
sie ihr Wissen einerseits schützen und<br />
andererseits an Nachwuchs weitergeben<br />
muss, indem sie diesen ausbilden. Es gab<br />
internationale Erkennungszeichnen, um<br />
eine länderübergreifende Kommunikation<br />
möglich zu machen. Bereits aus dieser<br />
Zeit rührt die falsche Verdächtigung,<br />
dass die Freimaurerei ein Geheimbund<br />
sei. Was ist dann passiert: In den katholisch<br />
dominierten Ländern gab es das<br />
historisch bedingte Missverständnis,<br />
dass die Freimaurer gegen die Religion<br />
wären. Die Freimaurerei sagt hierzu jedoch:<br />
„Wir glauben an einen Schöpfer,<br />
aber wir geben keine Religion vor – wir<br />
sehen keinen Gott, keinen Mohammed.<br />
Wir einigen uns darauf, dass es eine Autorität<br />
gibt. Wir müssen uns aber nicht<br />
darauf einigen, wie sie aussieht, oder wie<br />
sie heißt, geschweige denn, an was sie<br />
glaubt. Wir bezeichnen diese Autorität<br />
als „Großen Baumeister aller Welten“,<br />
was etwas Naturwissenschaftliches zum<br />
Ausdruck bringt, und nichts Geistiges.<br />
Dass eine damalige Katholische Kirche,<br />
die einen Alleinstellungs- und Exklusivitätsanspruch<br />
hat, ein Problem mit einer<br />
Gruppe von Intellektuellen hat, die von<br />
England ausgehend, auch Einfluss auf<br />
die Königshäuser hatte, ist machtstrategisch<br />
verständlich. Die Freimaurerei<br />
gab aber lediglich zu verstehen, dass sie<br />
146 | <strong>SOCIETY</strong> 2_<strong>2017</strong>