SOCIETY 372 /2017
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DIPLOMATIE<br />
BUCHREZENSION<br />
Benita Ferrero-Waldner mit<br />
Mutter in Salzburg<br />
„Benita“: Bilanz einer<br />
engagierten Europäerin<br />
Gemeinsam mit dem Böhlau-Verlag präsentierte der<br />
ÖGAVN das neue Werk von Benita Ferrero-Waldner<br />
in der Wiener Stallburg.<br />
oben: Benita Ferrero-Waldner spricht<br />
Begrüßungsworte für die freigelassenen<br />
bulgarischen Krankenschwestern am<br />
Flughafen von Sofia am 24. Juli 2007<br />
Über die Angelobung der ÖVP-<br />
FPÖ-Regierung ist Bundespräsident<br />
Thomas Klestil sichtlich nicht<br />
erfreut (Februar 2000)<br />
Der ukrainische Präsident Wiktor<br />
Juschtschenko (m) mit Kommissionspräsident<br />
José Manuel Barroso<br />
Benita Ferrero-Waldner: “Benita – Wo<br />
ein Wille, da ein Weg“. Aufgezeichnet<br />
von Ewald König, Böhlau Verlag, 420<br />
Seiten, ISBN 978-3-205-20620-0<br />
Der Zeitpunkt für die Veröffentlichung<br />
der Bilanz ihres politischen<br />
Lebens könnte nicht besser sein. Benita<br />
Ferrero-Waldner, ehemalige Außenministerin<br />
Österreichs und EU-<br />
Kommissarin, hat im Böhlau-Verlag ein Buch über<br />
ihre aufregende politische Karriere veröffentlicht.<br />
„Benita – Wo ein Wille, da ein Weg“ lautet<br />
der Titel des biografischen Werks, das Ferrero-<br />
Waldner gemeinsam mit dem Journalisten Ewald<br />
König verfasst hat. Dieses Lebensmotto hat die<br />
engagierte Europäerin und Kosmopolitin auf allen<br />
Stationen ihres Lebens geleitet. In Spitzenpositionen<br />
der Vereinten Nationen (Protokollchefin<br />
1994-95), der österreichischen Bundesregierung<br />
(Staatssekretärin 1995-2000, Außenministerin<br />
2000-2003), und der EU-Kommission (Kommissarin<br />
für Außenbeziehungen 2004-2009) lernte sie<br />
die ganze Welt kennen.<br />
Die gebürtige Salzburgerin hat auf der Weltbühne,<br />
ob in New York, Brüssel oder Wien, erlebt,<br />
„wie Entscheidungen hinter den Kulissen zustande<br />
kommen und Außenpolitik nicht nur auf Wahrung<br />
von Interessen, sondern oft auf persönlicher<br />
Chemie beruht“. Ihre persönliche Kenntnis von<br />
Polit-Akteuren in aller Welt war für die späteren<br />
Posten der erprobten Diplomatin in Wien und<br />
Brüssel von großem Nutzen.<br />
Die Welt ist im Umbruch. Ferrero-Waldner<br />
analysiert auf der Basis ihrer Erfahrungen in der<br />
Weltpolitik den Standort Europas im globalen<br />
Geschehen, die Turbulenzen in der Europäischen<br />
Union, das Verhältnis Europas zu Russland und<br />
den Vereinigten Staaten. Im EU-Kapitel schildert<br />
sie die Osterweiterung als Höhepunkt. Doch heute<br />
„schwächelt“ die Union. Die Autorin äußert<br />
Sorge über einen „Austritts-Virus“ nach dem Brexit<br />
infolge von Nationalismus und Populismus.<br />
Unverzichtbar ist für „Benita“ die strategische<br />
Partnerschaft zwischen der EU und den USA. Der<br />
Protektionismus von US-Präsident Donald Trump<br />
lasse negative Folgen befürchten. Sie kommentiert<br />
den Vertrauensverlust zwischen der EU und<br />
Russland und die Sanktionen im Zuge der Krim-<br />
Krise. Wie in einem Abenteuerroman schildert<br />
sie aber auch gefährliche Reisen in die arabische<br />
Welt, nach Algerien, in den Irak und nach Libyen.<br />
Ein ausführliches Kapitel in dem Buch, das<br />
auch die emotionale Seite nicht außer Acht lässt,<br />
ist den Sanktionen der EU-Partner im Jahr 2000<br />
gewidmet. Als Außenministerin der ÖVP-FPÖ-Regierung<br />
musste Ferrero-Waldner Brüskierungen<br />
und Beleidigungen hinnehmen. Die neun Sanktionsmonate<br />
- „an Dramatik nicht zu überbieten“<br />
- fielen noch dazu in die Zeit des österreichischen<br />
OSZE-Vorsitzes. Österreich wurde damals der Dialog<br />
verweigert, so „Benitas“ Fazit. •<br />
TEXT: Hermine Schreiberhuber<br />
Fotos: europäische union, privat, böhlau verlag, European Pressphotography Agency (EPA), alle fotos aus dem besprochen buch<br />
36 | <strong>SOCIETY</strong> 2_<strong>2017</strong>