der_gemeinderat_Ausgabe_April_2017
Die April-Ausgabe hat das Titelthema Breitbandausbau von Gewerbegebieten.
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Wirtschaft & Finanzen<br />
Finanzierung<br />
Wirtschaft & Finanzen<br />
Carry Trade<br />
Vorsicht vor verlockendem Kauf<br />
Viele Kommunen stehen bekanntermaßen finanziell mit dem Rücken zur Wand.<br />
In dieser Situation scheint <strong>der</strong> Kauf von Schuldscheindarlehen verlockend,<br />
um mit Zinseinnahmen die Kassenlage aufzubessern. Doch dieser Carry Trade<br />
ist riskant. Wenn es Ausfälle gibt, haften die Kommunen alleine.<br />
Immer mehr Städte kaufen am laufenden<br />
Band Schuldscheindarlehen in Millionenhöhe.<br />
Warum machen sie das,<br />
obwohl sie hoch verschuldet sind? Die<br />
Antwort klingt erst einmal wenig logisch:<br />
Gerade, weil sie hohe Schulden haben. Sie<br />
wollen damit ihre Finanzen aufbessern.<br />
Bei ihren Hausbanken nehmen diese Kommunen<br />
günstige Kredite auf. Öffentliche<br />
Schuldner erfreuen sich einer<br />
guten Bonität und damit vergleichsweise<br />
niedriger Zinsen.<br />
Zudem erhalten Kommunen<br />
relativ einfach Kredite.<br />
Mit dem Geld aus den Krediten<br />
kaufen diese Kommunen<br />
nun Schuldscheindarlehen.<br />
Die Zinsen,<br />
die sie auf die Schuldscheindarlehen<br />
erhalten,<br />
sind höher als die<br />
Kreditzinsen, welche<br />
die Kommune an ihre<br />
Hausbank zahlen muss.<br />
Dieser Carry Trade ist allerdings<br />
nicht ohne Risiko für die Kommunen.<br />
Denn die Schuldner,<br />
denen die Kommunen ihr<br />
selbst nur geliehenes Geld<br />
weiter verleihen, haben ein<br />
Ausfallrisiko.<br />
Die Schuldner, die sich<br />
in Form von Schuldscheindarlehen<br />
Geld bei<br />
den Kommunen leihen,<br />
sind Unternehmen, die<br />
sich dadurch günstiger<br />
finanzieren als über<br />
einen Kredit.<br />
Doch wie kommen<br />
die Kommunen<br />
überhaupt auf diese<br />
Idee? Durch (Investment-)Banker<br />
und Finanzvermittler.<br />
Denn diese verdienen an <strong>der</strong> Vermittlung<br />
<strong>der</strong> Schuldscheindarlehen sehr<br />
gut. Bei jedem Trade fällt eine ordentliche<br />
Spanne (Spread) für die vermittelnde<br />
Bank, den Broker o<strong>der</strong> die Kette an Vermittlern<br />
ab. Risikolos versteht sich.<br />
Münzstapel: Die finanzielle Not<br />
vieler Kommunen birgt<br />
eine gewisse Anfälligkeit für<br />
Versprechungen über schnelle<br />
Extraeinnahmen. Doch <strong>der</strong><br />
Kauf von Schuldscheindarlehen<br />
ist riskant.<br />
Die Vermittlung von Schuldscheindarlehen<br />
ist für Banken in mehrerlei Hinsicht<br />
attraktiv. Sie müssen selbst keinen Kredit<br />
vergeben. Denn eine Kreditvergabe kostet<br />
Eigenkapital und birgt Risiken. Durch die<br />
Vermittlung des Schuldscheindarlehens<br />
erfüllt die Bank trotzdem das Bedürfnis<br />
von Unternehmen nach frischem Geld. Die<br />
Bank bindet einen Kunden an sich, den sie<br />
möglicherweise zuvor nicht hatte, und sie<br />
verdient sehr viel Geld schlicht dadurch,<br />
dass sie mehrere Basispunkte des Zinses<br />
Foto: Schauer/Fotolia<br />
als Marge o<strong>der</strong> Gebühr einbehält. Broker<br />
und Finanzvermittler lockt die lukrative<br />
Marge an.<br />
Ein Schuldscheindarlehen ähnelt einem<br />
Kredit sehr. Es handelt sich nicht um ein<br />
Wertpapier, son<strong>der</strong>n um eine Schuld nach<br />
dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Entsprechend<br />
gibt es keine formalen Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
zur Dokumentation, keine Informationspflichten<br />
des Emittenten, keine<br />
Prospektpflicht und auch sonst keine Vorgaben,<br />
wie sie etwa für Anleihen gelten. In<br />
<strong>der</strong> Praxis erhält <strong>der</strong> Gläubiger im Gegenzug<br />
für sein Geld – oft mehrere Millionen<br />
Euro – ein ziemlich kurzes Schreiben, in<br />
dem nicht viel mehr als die Eckdaten <strong>der</strong><br />
Geldleihe festgehalten sind.<br />
Banken führen bei je<strong>der</strong> Kreditvergabe<br />
weitreichende Überprüfungen durch. Sie<br />
beschäftigen nicht umsonst riesige Abteilungen,<br />
die sich mit nichts an<strong>der</strong>em<br />
befassen. Denn das Kreditgeschäft birgt<br />
große Risiken. Selbst Kredite, die zuvor<br />
eingehend geprüft wurden, können notleidend<br />
werden und ausfallen. Dafür hält<br />
jede Bank Reserven vor.<br />
PRÜFUNG BRAUCHT ERFAHRUNG<br />
Doch wie sieht die Due Diligence (Risikoprüfung)<br />
bei den Kommunen aus, die sich<br />
auf diesen Carry Trade einlassen? Haben<br />
sie die nötige Expertise, die Zeit und die<br />
Erfahrung, ganz zu schweigen von den<br />
Werkzeugen, die helfen, den Schuldner<br />
und sein Kreditansuchen risikomäßig zu<br />
beurteilen und vor allem auch zu bewerten?<br />
Je höher das Risiko, desto höher muss<br />
<strong>der</strong> Risikoaufschlag und damit <strong>der</strong> Zins<br />
ausfallen. O<strong>der</strong> vertrauen die Kämmerer<br />
ihren Bankern und Finanzvermittlern in<br />
dieser Hinsicht blind? Vertrauen sie darauf,<br />
dass <strong>der</strong> Banker sich Gedanken gemacht<br />
hat und <strong>der</strong> Zins auf das Schuldscheindarlehen<br />
schon okay sein wird?<br />
Ein wenig erinnert die Situation an die<br />
Zeit <strong>der</strong> Zinsswaps, die vielen Kommunen<br />
vor gut zehn Jahren von ihren Bankern<br />
nicht zur Absicherung, son<strong>der</strong>n als sogenannte<br />
„Zinsvergünstigungsstrategien“<br />
schmackhaft gemacht wurden. Auch damals<br />
kontaktierten die Banker und Broker<br />
massenweise Kämmerer, zeigten diesen<br />
bunte Präsentationen, erfolgversprechende<br />
Charts und redeten klug daher. Es<br />
wurde zum Essen eingeladen, und selbst<br />
internationale Investmentbanken gaben<br />
sich in ihren schicken Anzügen in deutschen<br />
Rathäusern die Klinke in die Hand.<br />
Die großen Zeiten <strong>der</strong> Zinsswaps sind<br />
heute vorbei. Geblieben ist weiterhin die<br />
finanzielle Not vieler Städte und Gemeinden.<br />
Und damit eine gewisse Anfälligkeit<br />
für schöne Versprechungen, wie man<br />
schnell, einfach und kostenlos zu einer<br />
kleinen Extraeinnahme kommen kann.<br />
Der Carry Trade ist aber alles an<strong>der</strong>e<br />
als risikolos. Solange es keine Ausfälle bei<br />
den Schuldscheindarlehen gibt, läuft dieses<br />
Zinsspiel weiter. Die ersten, schönen<br />
Zinseinnahmen, die netto Geld in die leere<br />
Kasse spülen, motivieren zu weiteren Geschäften.<br />
Was aber, wenn die ersten Ausfälle<br />
kommen? Ein Spiel mit dem Feuer!<br />
Den Gewinn teilen die Kommunen mit<br />
den Banken und Brokern. Das Risiko tragen<br />
die Kommunen alleine. Martina Bahl<br />
KOMMUNALE FINANZEN 2016<br />
Die Kern- und Extrahaushalte <strong>der</strong><br />
Gemeinden und Gemeindeverbände<br />
in Deutschland (ohne Stadtstaaten)<br />
wiesen im Jahr 2016 einen Überschuss<br />
in Höhe von rund 5,4 Milliarden Euro<br />
aus. Nach Angaben des Statistischen<br />
Bundesamts war dieser Überschuss laut<br />
vierteljährlicher Kassenstatistik um 2,2<br />
Milliarden Euro höher als im Vorjahr.<br />
Die Kommunen verzeichneten im Jahr<br />
2016 einen deutlichen Zuwachs <strong>der</strong><br />
Einnahmen um sieben Prozent auf<br />
247,1 Milliarden Euro. Die positive Entwicklung<br />
<strong>der</strong> Steuereinnahmen mit plus<br />
5,8 Prozent auf 89,8 Milliarden Euro<br />
führen die Statistiker auf den Anstieg<br />
<strong>der</strong> Gewerbesteuereinnahmen (netto)<br />
um 9,7 Prozent auf 38,3 Milliarden Euro<br />
zurück. Die günstigen Verhältnisse am<br />
Kreditmarkt ermöglichten den Kommunen<br />
eine Reduktion <strong>der</strong> Zinsausgaben<br />
um 9,6 Prozent auf 3,6 Milliarden Euro.<br />
DIE AUTORIN<br />
Martina Bahl ist Geschäftsführerin des<br />
Beratungsunternehmens Bahl Consult<br />
in Kaarst<br />
(martina.bahl@bahlconsult.com)<br />
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