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Friedrich Hackländer Ein Winter in Spanien

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geben. Ich setzte mich ans Fenster und blickte auf die Stadt<br />

h<strong>in</strong>aus, zuerst aufwärts nach dem alten Schlosse, dann vor<br />

mich <strong>in</strong> die Tiefe, wo sich e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>stens hübsch angelegter<br />

Garten jetzt <strong>in</strong> der malerischsten Unordnung befand; zerbrochene<br />

Ste<strong>in</strong>bänke waren kaum noch sichtbar vor wucherndem<br />

Gras und Brennnesseln, kopflose Statuen sahen<br />

eigenthümlich, fast grauenhaft aus, da sie wie im Todeskampfe<br />

Arme und Hände krampfhaft von sich streckten,<br />

denen Füllhorn und Bogen längst entfallen war. Die Gartenbeete<br />

waren kaum noch sichtbar durch e<strong>in</strong>ige <strong>E<strong>in</strong></strong>fassungste<strong>in</strong>e<br />

und e<strong>in</strong> paar wuchernde Blumenpflanzen, die<br />

sich von Generation zu Generation fortgepflanzt und immer<br />

kümmerlicher geworden waren. Auch e<strong>in</strong> ehemaliger<br />

Spr<strong>in</strong>gbrunnen befand sich hier unten, aber se<strong>in</strong> Wasser<br />

war versiegen gegangen und die marmorne Schale wurde<br />

zum Kehrichtfaß benutzt. Das e<strong>in</strong>zige Freundliche und<br />

Angenehme <strong>in</strong> dieser verwahrlosten Umgebung war e<strong>in</strong> lebendiges<br />

Reh, das unten vor me<strong>in</strong>em Fenster angebunden<br />

war und welches dankbar die Stückchen Brod aufsuchte<br />

und fraß, welche ich ihm h<strong>in</strong>unter warf, wobei es mich so<br />

lieb und ehrlich mit se<strong>in</strong>en großen glänzenden Augen ansah.<br />

Unser heutiges Mittagessen war <strong>in</strong>soweit besser, als wir<br />

ke<strong>in</strong>e st<strong>in</strong>kende Fischsuppe hatten, auch wagte Niemand<br />

e<strong>in</strong>e tadelnde Bemerkung laut werden zu lassen, da Don<br />

Ramiro mit so furchtbarem Blicke ab- und zug<strong>in</strong>g, daß wir<br />

nicht anders erwarten konnten, als daß die ger<strong>in</strong>gste Klage<br />

unsererseits e<strong>in</strong>en schrecklichen Mord nach sich ziehen<br />

würde.<br />

Auf der Post hatten wir die Plätze nach Granada vormerken<br />

lassen, und da wir von hier aus die Ersten waren, so

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