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Friedrich Hackländer Ein Winter in Spanien

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aber schrecklicher berichten. Genug, das Unbegreifliche geschah,<br />

das christliche Heer floh nach allen Richtungen, und<br />

hier am Guadalajete wurde <strong>Spanien</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zigen Nacht<br />

für den Islam erobert. Zwei Jahre nach der Schlacht bei Xerez<br />

de la Frontera gehörte außer den Gebirgen von Asturien<br />

nichts mehr den Gothen, und hundert Jahre später hatte<br />

das spanische Volk, außer der Religion, alles was ihm sonst<br />

heilig war, Tracht, Sitte, selbst se<strong>in</strong>e Sprache an die Eroberer<br />

verloren.<br />

Die altspanischen Romanzen lassen den König Roderich<br />

nicht <strong>in</strong> der Schlacht umkommen, sondern nachdem se<strong>in</strong><br />

Heer geschlagen war und ihn alle se<strong>in</strong>e Freunde verlassen<br />

hatten, floh er auf verwundetem, wankendem Pferde,<br />

selbst todmüde und von Blut triefend, mit abgehauener<br />

Helmzierde und zerbrochenem Schwert und Schild, dem<br />

Guadalajete zu. Wahrsche<strong>in</strong>lich ritt er quer über das Feld,<br />

welches wir vor uns sehen, den Hügel h<strong>in</strong>auf, auf dem<br />

wir uns gerade bef<strong>in</strong>den; denn auf e<strong>in</strong>er Anhöhe am Rande<br />

des Schlachtfeldes hielt der König auf se<strong>in</strong>er Flucht an,<br />

um sich noch e<strong>in</strong>mal nach der blutgetränkten Ebene umzuschauen,<br />

wohl dieselbe, wo jetzt die kle<strong>in</strong>e Kapelle steht,<br />

und blickte dort h<strong>in</strong>ab <strong>in</strong> Jammer und Verzweiflung. Als er<br />

hierauf se<strong>in</strong>e Flucht gegen Norden fortsetzte, traf der unglückliche<br />

König e<strong>in</strong>en <strong>E<strong>in</strong></strong>siedler, dem er beichtete und der<br />

ihn, zur Buße für se<strong>in</strong>e Sünden, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e tiefe Grube steigen<br />

ließ, und ihm zur Gesellschaft e<strong>in</strong>e giftige Natter gab. Aber<br />

drei Tage mußte der Büßer vergeblich auf den tödtenden<br />

Biß der Schlange warten, der ihm e<strong>in</strong> Zeichen der himmlischen<br />

Gnade, der Vergebung se<strong>in</strong>er Sünden se<strong>in</strong> sollte. Am<br />

meisten drückte ihn wohl se<strong>in</strong>e schwere Schuld gegen die<br />

Tochter des Grafen Julian, die ihn ja auch <strong>in</strong> ihren Folgen

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