ECHO Top500 2018
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
top 500 | INTERVIEW<br />
onsmanagement Kostenvorteile<br />
gegenüber dem reinen Markt.<br />
Früher jedenfalls. Damals überwogen<br />
die Economies-of-Scale.<br />
Riesenfirmen sind vor einigen<br />
hundert Jahren entstanden, weil es<br />
damals noch keine Digitalisierung<br />
gab. Durchschnittlich sinkt die<br />
Mitarbeiterzahl von Firmen seit<br />
der Jahrtausendwende kontinuierlich.<br />
Firmen werden immer kleiner,<br />
wie Choi und Spletzer 2012 nachgewiesen<br />
haben. Dort sind wir<br />
in Tirol schon lange. Als Tiroler<br />
sage ich natürlich gern: Wir haben<br />
die globale Strukturentwicklung<br />
vorweggenommen. Der Wettbewerbsvorteil<br />
liegt in Zukunft eher<br />
bei kleineren Firmen, die am Markt<br />
erfolgreich sind. Da sind wir in Tirol<br />
jedenfalls gut aufgestellt.<br />
<strong>ECHO</strong>: Was bedeutet das für die<br />
Zukunft der Arbeit?<br />
Holz: Die schlechte Nachricht<br />
zuerst: Es wird auch in Zukunft<br />
Arbeit geben. Wird sich die Arbeit<br />
verändern? Klar. Das war immer<br />
schon so. Langweilige Routinetätigkeit<br />
verschwindet. Wir werden<br />
mehr Verantwortung für unsere<br />
eigene Arbeit übernehmen. Das<br />
bedeutet mehr Selbständigkeit –<br />
im wörtlichen Sinn. Schon heute<br />
ist die Mehrheit der erfolgreichen<br />
Unternehmer frei von Mitarbeitern.<br />
Digitalisierung bringt mehr<br />
Eigenverantwortung – auch für<br />
das wirtschaftliche Handeln. Tiroler<br />
sind verantwortungsbereit, gut<br />
gebildet und motiviert. Auch hier<br />
sind wir gut aufgestellt.<br />
<strong>ECHO</strong>: Klingt das nicht zu gut,<br />
um wahr zu sein? Was sind die negativen<br />
Folgen?<br />
Holz: Der Individualismus nimmt<br />
zu. Wir haben uns vom geozentrischen<br />
Weltbild über das heliozentrische<br />
entwickelt. Heute haben<br />
wir ein egozentrisches Weltbild.<br />
Die Anonymität im Internet bringt<br />
nicht nur die besten Züge im Menschen<br />
hervor. Wer sein Gegenüber<br />
nicht sehen kann, schämt sich<br />
weniger für verletzende Formulierungen.<br />
Von solchen Formulierungen<br />
war ich selbst schon<br />
betroffen. Auch unsere Aufmerksamkeitsspanne<br />
wird durch diese<br />
schnelle Kommunikation verkürzt.<br />
Wenn wir uns weniger aufeinander<br />
konzentrieren, sind wir auch weniger<br />
einfühlsam. Da reicht es schon,<br />
wenn ein ausgeschaltetes Smartphone<br />
am Tisch liegt.<br />
<strong>ECHO</strong>: Wie verändert sich unser<br />
Sozialleben? Wie verändert sich<br />
die Kooperationfähigkeit?<br />
Holz: Internet hilft gegen Einsamkeit.<br />
Der kanadische Soziologe<br />
Barry Wellman hat herausgefunden,<br />
dass Internetnutzer<br />
„Wir haben uns vom geozentrischen Weltbild<br />
über das heliozentrische entwickelt. Heute<br />
haben wir ein egozentrisches Weltbild.“<br />
bei realen Problemen mehr Hilfe<br />
bekommen als Menschen, die das<br />
Internet meiden. Früher wurden<br />
wir in eine Gemeinschaft hineingeboren.<br />
Wir mussten uns die<br />
Individualität erarbeiten. Heute<br />
werden wir als Individuen geboren<br />
und müssen uns unsere Gemeinschaft<br />
erarbeiten. In einem<br />
Dorf mit 150 Einwohnern hatte<br />
jeder die gleichen 149 Freunde.<br />
Egal was Facebook behauptet,<br />
mehr wirkliche Freunde kann<br />
man nicht haben. Das hat der Psychologe<br />
Robin Dunbar herausgefunden.<br />
Vereinfacht könnte man<br />
jetzt sagen: Heute hat das Dorf auf<br />
WhatsApp gewechselt. Mit einem<br />
kleinen Unterschied: Jeder von<br />
uns hat sein eigenes Dorf. Wenn<br />
zwei Menschen zusammenarbeiten,<br />
steht hinter jedem ein großes<br />
Netzwerk, das beide nutzen können.<br />
Und hinter jedem dieser<br />
Netzwerkpartner steht wieder ein<br />
ganzes Dorf. Um sich Unterstützung<br />
von einem beliebigen anderen<br />
Menschen zu holen, braucht<br />
es nach Stanley Milgram nur sechs<br />
Personen dazwischen, theoretisch,<br />
falls alle Lust dazu haben.<br />
<strong>ECHO</strong>: Sie haben tiefgreifende<br />
Veränderungen aufgezeigt. Wann<br />
ist das alles so weit?<br />
Holz: Die Veränderungen kommen<br />
sicher nicht vor dem selbstfahrenden<br />
Auto. Niemand kann<br />
sagen, was wirklich kommt. Wir<br />
wissen nicht einmal, ob jemals<br />
eine künstliche Intelligenz auf<br />
menschlichem Niveau möglich<br />
ist. Die Zukunft ist offen. Nur bei<br />
einem bin ich mir sicher: Es wird<br />
eine gute Zukunft für Tirol und<br />
seine Menschen.