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ECHO Top500 2018

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top 500 | INTERVIEW<br />

„Gläubiger hüten sich<br />

derzeit eher, gegen ihre<br />

Schuldner Insolvenzantrag<br />

zu stellen.“<br />

<br />

Philipp Moser,<br />

Rechtsanwalt<br />

letzten 70 Jahren schlussendlich immer in Europa<br />

zeitversetzt angekommen. Es ist also nur eine<br />

Frage der Zeit.<br />

<strong>ECHO</strong>: Früher oder später wird jedoch auch<br />

in Europa der Leitzins wieder angehoben werden.<br />

Welche Auswirkungen wird das auf die<br />

heimische Wirtschaft haben?<br />

Moser: Wenn die Zinssätze steigen, wird sich<br />

das auf die Wirtschaft und damit auf die Zahl der<br />

betrieblichen Insolvenzen, die steigen werden,<br />

niederschlagen. Es ist ja nicht so, dass es jetzt gar<br />

keine Insolvenzen gäbe. Manche Branchen sind<br />

derzeit generell anfälliger für Insolvenzen, andere<br />

weniger. Im Moment spielt auch noch ein<br />

zweiter Aspekt eine Rolle: Gläubiger hüten sich<br />

derzeit eher, gegen ihre Schuldner Insolvenzantrag<br />

zu stellen, solange die Chance, Zahlungen<br />

zu erlangen außerhalb eines Konkurses höher<br />

ist. Bei steigenden Zinsen wird dieser Aspekt in<br />

den Hintergrund treten, weil die Bedienbarkeit<br />

von Verbindlichkeiten sinkt und damit der Weg<br />

in die Insolvenz unvermeidbar wird.<br />

<strong>ECHO</strong>: Welche Sparten sind im Großen und<br />

Ganzen am intensivsten von Insolvenzen betroffen?<br />

Moser: Baunebengewerbe wie etwa Trockenbau,<br />

Hotellerie und Gastgewerbe sind unabhängig<br />

von Wirtschaft und Zinsen am häufigsten<br />

von Insolvenzen betroffen. Das liegt zum einen<br />

an der hohen Fremdkapitalisierung in diesen<br />

Bereichen, zum anderen auch daran, dass diese<br />

Branchen besonders dienstnehmer- und damit<br />

lohnkostenintensiv sind. Viele Betriebe wollen<br />

ihre Dienstnehmer gut entlohnen, da sie den<br />

Erfolg der Unternehmen garantieren und einen<br />

wichtigen Wirtschaftsfaktor darstellen, die Ausgaben<br />

– die beim Dienstnehmer zu einen guten<br />

Teil gar nicht ankommen (Lohnnebenkosten)<br />

– stellen aber eine große Belastung für das Unternehmen<br />

dar. Lohnkosten sind auch bei jeder<br />

Insolvenz ein massiver Faktor, vor allem wenn es<br />

um die Sanierung des Unternehmens geht. Die<br />

Fremdkapitalisierung ist vor allem in der Hotellerie<br />

ein Grund für viele Insolvenzen. Dieser<br />

Umstand wird wieder stärker von der Zinslage<br />

beeinflusst, und die ist ja aktuell gut.<br />

<strong>ECHO</strong>: Was sind neben Fremdkapitalisierung<br />

und Lohnkosten die Hauptgründe für betriebliche<br />

Insolvenzen?<br />

Moser: Die Hauptursache für Insolvenzen<br />

sind mangelnde kaufmännische Ausbildung<br />

und daraus folgende Misswirtschaft. Betroffene<br />

Unternehmer sehen die Probleme im Betrieb<br />

nicht, oder wollen sie nicht sehen und sorgen<br />

deshalb nicht richtig vor. Umstrukturierungen<br />

werden nicht durchgeführt, selbst wenn sie notwendig<br />

sind. Oft ist es dann schon zu spät, wenn<br />

der Unternehmer dem Problem ins Auge sieht.<br />

Es wäre aus meiner Sicht wichtig, dass sich die<br />

Unternehmer schneller an Experten wenden,<br />

wenn sie Probleme bemerken. So könnten viele<br />

Insolvenzen abgewendet werden, oder, wenn<br />

sie unausweichlich sind, zumindest besser vorbereitet<br />

werden. Dadurch kann im Fall einer<br />

Insolvenz eine Schließung des Unternehmens<br />

oft abgewendet und eine Sanierung eingeleitet<br />

werden. Es gibt selbst bei drohender Insolvenz<br />

die Möglichkeit, ein Sanierungsverfahren zu<br />

beantragen, wodurch sanierungsfähige Unternehmen<br />

gerettet werden können. Auch Folgekonkurse<br />

sind teilweise ein Thema, vor allem bei<br />

kleineren Unternehmen. Zahlungsausfälle tun<br />

immer weh und manchmal können sie leider<br />

nicht verkraftet werden, vor allem wenn es öfter<br />

hintereinander zu solchen Ausfällen kommt.<br />

Dann verliert die Firma die Liquidität und gerät<br />

ins Trudeln. Da muss man trachten, dass man<br />

breiter aufgestellt ist.<br />

<strong>ECHO</strong>: Mit Jahresbeginn trat die Novelle des<br />

Privatinsolvenzrechts in Kraft. Was hat sich dadurch<br />

konkret verändert?<br />

Moser: Der wohl bedeutendste Punkt ist sicher,<br />

dass die Mindestquote gefallen ist. Jetzt<br />

ist es möglich, sich mit null Prozent Quote für<br />

die Gläubiger allein durch Ablauf der fünf Jahre<br />

zu entschulden. Natürlich ist die Null-Prozent-<br />

Quote nicht generell anzuwenden, solle ein Ausnahmefall<br />

sein, so die Politik. Trotzdem werden<br />

für die Berechnung der Quote die nächsten fünf<br />

– vermutlich einkommensschwachen – Jahre<br />

herangezogen und kann es so recht einfach<br />

sein, die Null-Prozent-Quote zu bekommen.<br />

Durch diese Novelle wurde den Gläubigern ein<br />

Instrument genommen, mit dem Schuldner<br />

auf Augenhöhe über einen Finanzierungsplan<br />

zu verhandeln. Für Schuldner ist es nicht gerade<br />

motivationsfördernd, Anstrengungen für<br />

höhere Quoten zu machen. Es mag durchaus<br />

unverschuldete Konkurse geben, viele Konkurse<br />

sind aber selbstverschuldet (Konsum, fehlende<br />

Disziplin in der Geldplanung, gar Gleichgültigkeit<br />

aufgrund der Gesetzeslage usw.). Diese<br />

Gleichgültigkeit suggeriert der Gesetzgeber<br />

durch das Angebot einer Null-Prozent-Quote<br />

und den damit geschaffenen Eindruck, dass<br />

man sich ohnehin nicht mehr anstrengen muss,<br />

um in die Entschuldung zu kommen. Dass konsequent<br />

die Zahl der Privatinsolvenzen explodiert<br />

ist, war abzusehen, ist aber aus Gläubigersicht<br />

und gesamtwirtschaftlichen Aspekten sehr<br />

bedenklich. Irgendwer muss diese Rechnung ja<br />

bezahlen und wer wird dieser Irgendwer am Ende<br />

des Tages sein? Interview: Maria Witting<br />

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<strong>ECHO</strong> TOP 500 UNTERNEHMEN <strong>2018</strong>

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