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ECHO Top500 2018

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Top 500 | Digitalisierung<br />

ckenden Optimismus steht aber, und das wird<br />

im Gespräch mit ihr schnell klar, eine Vision,<br />

die dem Handel ein Umdenken, zumindest<br />

aber ein Weiterdenken ans Herz legt. „Ich sehe<br />

den Online-Handel als eine neue Filiale“,<br />

sagt sie. Denn wenn man eine neue Filiale eröffne,<br />

dann sei es ja auch völlig normal, dass<br />

man Geld in die Einrichtung oder in Renovierungsarbeiten<br />

stecke, juristische Expertise<br />

brauche und das Schaufenster dekoriere, fügt<br />

sie hinzu.<br />

Gut möglich, dass dieses Denken noch<br />

nicht bei jedem Händler angekommen ist,<br />

weil man den ersten großen Digitalisierungsschwung,<br />

mittlerweile rund vierzig Jahre her,<br />

erst einmal vollständig verarbeiten muss.<br />

Diesen Schwung bezeichnet Thaler als „Doppelung<br />

der Ware“. Damals wurde der tatsächlichen,<br />

haptischen Ware eine Art digitales<br />

Ebenbild zur Seite gestellt. Betroffen hat das<br />

zu jener Zeit vor allem die Lagerverwaltung.<br />

Plötzlich war die Ware nicht mehr nur tatsächlich<br />

im Lager zur finden, sondern Daten über<br />

deren Verfügbarkeit auch digital abrufbar.<br />

Man kann wohl ohne Übertreibung sagen,<br />

dass dieser Schritt von fast allen Handel-Akteuren<br />

vollzogen wurde.<br />

Die verdoppelte Ware<br />

Dieser damalige Schritt war zentral und bildet<br />

in gewisser Weise die Grundlage für die Situation,<br />

die laut Thaler vor etwa zehn Jahren im<br />

Bereich Handel schlagend wurde. Das Internet,<br />

das damals wirklich fast jedes Segment<br />

erfasst hatte, wurde auch im Handel mehr und<br />

mehr Thema. Für den Handel war das ein gravierender<br />

Einschnitt, denn ab sofort konnten<br />

Kunden auf Knopfdruck Preise vergleichen.<br />

Man musste also plötzlich die Waren und das<br />

eigene Geschäft online präsentieren. Dass es da<br />

nicht mit einer neutralen Abbildung der Ware<br />

getan ist, versteht sich von selbst. Denn auch<br />

die Konkurrenz schläft nicht. Die Produkte und<br />

Waren mussten und müssen in das richtige und<br />

jeweils passende Online-Licht gerückt werden.<br />

„Man hat online herzeigen müssen, was man<br />

hat“, bringt es Thaler auf den Punkt. Man kann<br />

sich das am besten als eine Art digitales Schaufenster<br />

vorstellen, mit dessen Hilfe man den<br />

Kunden auch ins stationäre Geschäft bringt.<br />

Der nächste nur logische Schritt war dann, die<br />

Ware nicht nur online zu präsentieren, sondern<br />

sie auch online zu verkaufen.<br />

Barbara Thaler, WKO-Tirol-Vizepräsidentin und Digital-Unternehmerin, plädiert dafür, den<br />

Online-Gang als neue Filiale zu betrachten.<br />

Hier bremst Thaler aber ein wenig. Nicht jeder<br />

Händler brauche automatisch einen Online-<br />

Shop, meint sie. Denn ein gut gemachtes Online-Business<br />

könne, je nach Größe des Händlers,<br />

zwischen 5.000 und 30.000 Euro kosten.<br />

Auch dürfe man die Funktion des Newsletters<br />

hier nicht völlig außen vor lassen. Neben der<br />

Bereitschaft, Geld zu investieren, brauche es<br />

darüber hinaus auch Mitarbeiter im Unternehmen,<br />

die Know-how in diesem Bereich mitbringen.<br />

Und selbst dann könne die „digitale Filiale“<br />

noch scheitern, führt Thaler aus. Das sei aber<br />

nicht grundlegend anders, als wenn man eine<br />

„echte“ Filiale aufmache, bei der weder Lage<br />

noch Beratung noch Produkt passe.<br />

„Man muss halt online herzeigen,<br />

was man hat.“<br />

<br />

Barbara Thaler<br />

„Don‘t make me think“<br />

Entgegen der landläufigen Annahme, dass die<br />

Digitalisierung den Handel grundlegend verändert<br />

hat und noch verändern wird, gibt es<br />

aber auch Konstanten. Viele Kategorien und<br />

Erfolgsparameter lassen sich transferieren. Das<br />

Verhältnis von Angebot und Nachfrage, so<br />

betont Thaler, gelte noch immer. Auch „Page-<br />

Speed“, also das Tempo der Homepage und<br />

des Shops, sei mit den Öffnungszeiten des<br />

stationären Handels vergleichbar. Außerdem<br />

gehe es darum, dass der Kauf den Kunden<br />

online wie offline möglichst einfach gemacht<br />

werden. „Don‘t make me think“, nennt Thaler<br />

eine Devise, die da zu gelten habe. „Amazon ist<br />

beispielsweise auch deshalb so erfolgreich, weil<br />

der Einkaufsvorgang so einfach ist“, stellt sie klar.<br />

Allein die Page-Speed und die Einfachheit<br />

entscheiden dann aber doch nicht über Erfolg<br />

oder Misserfolg der „digitalen Filiale“. Beim<br />

„324. roten Handtuch kann man sich beispielsweise<br />

nur durch den Preis von der Konkurrenz<br />

unterscheiden,“ meint Thaler. In Tirol ortet sie<br />

entgegen solchen Geschäftsmodellen auch viel<br />

Bewusstsein für „Nischen“, die online sehr erfolgreich<br />

sind.<br />

Fairness im internationalen<br />

Onlinehandel<br />

Damit die digitale Zukunft des Handels aber<br />

tatsächlich rosig ist, gelte es aber noch einige<br />

Probleme aus dem Weg zu räumen. Im Weltpostvertrag<br />

wird geregelt, dass Pakete aus China<br />

nach Österreich deutlich billiger zu verschicken<br />

sind als ein Paket etwa nach Deutschland. Hier<br />

werde es laut Thaler 2021 eine Änderung geben.<br />

Auch am Thema „digitale Steuerfairness“<br />

sei man dran. „Der digitale Umsatz soll dort<br />

versteuert werden, wo er generiert wird“, nennt<br />

Thaler eines der Ziele.<br />

Spätestens dann, wenn diese Art von Fairness<br />

hergestellt ist, spricht nichts mehr dagegen, von<br />

Tirol aus mittels Online-Shop und digitalen<br />

Angeboten in der ganzen Welt zu verkaufen.<br />

Die „zweite Filiale“ wäre dann mehr als nur ein<br />

komplementäres Angebot zum stationären<br />

Handel. Womöglich würde sie dann ganz<br />

neue Kunden ins Geschäft locken, das als eine<br />

Art Basislager und Zentrum der Angebote nach<br />

wie vor in der Innsbrucker Innenstadt existierte<br />

und funktionierte. Markus Stegmayr<br />

Foto: Blickfang Photographie<br />

18 <strong>ECHO</strong> TOP 500 UNTERNEHMEN <strong>2018</strong>

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