Develop³ Systems Engineering 02.2016
Themenschwerpunkte: Methoden, Tools sowie Anwendungen; Köpfe der Wissenschaft: Prof. Reinhard Hüttl, Deutsche Akademie der Technikwissenschaften (acatech), und Dipl.-Ing. Arno Kühn, Fraunhofer IEM
Themenschwerpunkte: Methoden, Tools sowie Anwendungen; Köpfe der Wissenschaft: Prof. Reinhard Hüttl, Deutsche Akademie der Technikwissenschaften (acatech), und Dipl.-Ing. Arno Kühn, Fraunhofer IEM
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MENSCHEN & UNTERNEHMEN<br />
KÖPFE DER WISSENSCHAFT<br />
Prof. Reinhard Hüttl, Präsident der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech)<br />
„Bei Robotik sowie Künstlicher Intelligenz<br />
liegt noch Wegstrecke vor uns“<br />
Dem von BDI und acatech erstmals gemeinsam herausgegebenen Innovationsindikator folgend hat<br />
kein anderes Land der Welt so viele „Hidden Champions“ wie Deutschland – trotz der gleichzeitig<br />
dokumentierten Forschungslethargie vieler deutscher KMU. Über die Gründe dafür und den Stellenwert<br />
von Technologie allgemein sowie Industrie 4.0 sprach Wolfgang Hess, Redaktionsdirektor und<br />
Chefredakteur von bild der wissenschaft (bdw) – wie die develop 3 systems engineering eine Publika -<br />
tion der Konradin Mediengruppe –, mit Prof. Reinhard Hüttl, Präsident der Deutschen Akademie der<br />
Technikwissenschaften (acatech).<br />
develop 3 : Prof. Hüttl, zur Jahreswende 2015/16 ist der sogenannte<br />
Innovationsindikator erstmals von acatech gemeinsam<br />
mit dem BDI mitherausgegeben worden. Weshalb?<br />
Hüttl: Die Entwicklung von Innovationen kostet Geld, ist aber auch<br />
eine zentrale Quelle nachhaltigen Wohlstands. Ein Kernelement unserer<br />
Akademie ist, dass alle Mitglieder Wissenschaftler sind und<br />
dass im Senat etwa 100 technologisch orientierte Unternehmen vertreten<br />
sind. Insofern haben wir einen guten Zugang zu Forschung<br />
und Entwicklung in Unternehmen, die etwa zwei Drittel der deutschen<br />
Ausgaben für Forschung und Entwicklung von aktuell 83 Milliarden<br />
Euro bestreiten. Deswegen war der Innovationsindikator für<br />
uns schon immer wichtig. Die Chance, dass acatech sich daran beteiligt<br />
und wir uns inhaltlich einbringen können, haben wir gerne genutzt.<br />
Die Innovationslandschaft Deutschland international einzuordnen,<br />
sehen wir als wichtige Aufgabe.<br />
Zur Person<br />
INFO<br />
Reinhard Hüttl ist seit acht Jahren Präsident der Deutschen<br />
Akademie der Technikwissenschaften acatech. Sie wurde<br />
2008 gegründet und gehört zu den führenden der 22 Akademien<br />
für Technikwissenschaft in Europa. 1986 promovierte<br />
Hüttl (*1957) am Institut für Bodenkunde an der Universität<br />
in Freiburg im Breisgau und wurde Forschungsleiter des<br />
Bergbauunternehmens Kali und Salze AG. Nach wissenschaftlichen<br />
Stationen in Washington D.C., auf Hawaii, in<br />
Freiburg und Eberswalde wurde er 1993 auf den Lehrstuhl<br />
für Bodenschutz und Rekultivierung an der Brandenburgisch<br />
Technischen Universität Cottbus berufen. Seit 2007 ist er<br />
Wissenschaftlicher Vorstand des Helmholtz Zentrums Potsdam<br />
– Deutsches GeoForschungsZentrum. Reinhard Hüttl<br />
wurde für seine wissenschaftlichen Verdienste vielfach ausgezeichnet<br />
und ist Mitglied bei einer Reihe internationaler<br />
Forschungsorganisationen.<br />
develop 3 : Die aktuelle Studie beschreibt akribisch die Rolle der<br />
kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) im Innovationssystem.<br />
Zwei Kernaussagen stechen hervor: Einmal hat<br />
kein anderes Land der Welt so viele „Hidden Champions“ wie<br />
Deutschland – Weltmarktführer in einem definierten Sektor. Und<br />
andererseits dokumentieren viele deutsche KMU eher Forschungslethargie.<br />
Sie erzielen – so die Studie: „Innovationserfolge<br />
ohne formale Forschung und Entwicklung“. Wie interpretieren<br />
Sie das?<br />
Hüttl: Forschung bei klein- und mittelständischen Unternehmen<br />
lässt sich nicht allein an den formal ausgewiesenen Unternehmens-<br />
Ausgaben für Forschung und Entwicklung messen. Unsere Typologie<br />
von innovativen KMU zeigt: Viele sind ohne eine eigene Forschungsabteilung<br />
innovativ. Sie entwickeln Neuheiten im Zusammenspiel<br />
kleiner Teams, weil sie besonders nah am Kunden sind. Es findet jedoch<br />
eine radikale Veränderung statt, bei der die Digitalisierung eine<br />
zentrale Rolle spielt – Stichwort „Industrie 4.0“. Wenn Unternehmen<br />
sich zu sehr auf bewährte Muster verlassen, gefährden sie ihre<br />
Marktposition. Dieser Veränderungsdruck ist bereits für Großunternehmen<br />
eine Herausforderung – umso mehr für Mittelständler. Zugleich<br />
entstehen Chancen für neue Unternehmen, denken Sie etwa<br />
an die Berliner Startup-Szene. Zentrale Herausforderungen in<br />
Deutschland sind deshalb unsere relativ niedrige Gründungsdynamik,<br />
die Wachstumsbedingungen für Startups und die Beteiligung<br />
von KMU an Forschungs- und Entwicklungskooperationen – denn<br />
diese scheitert oft schon an hohen bürokratischen Hürden.<br />
develop 3 : Seit einigen Jahren ist Industrie 4.0 das beherrschende<br />
Thema bei der zukünftigen Ausrichtung der deutschen Wirtschaft.<br />
Was trägt acatech dazu bei?<br />
Hüttl: Unsere Akademie hat den Begriff geprägt und ihn anlässlich<br />
der Hannover Messe 2011 zusammen mit anderen in die große Öffentlichkeit<br />
gebracht. Maßgeblichen Anteil hat dabei mein Co-Präsident<br />
Henning Kagermann. Mit dem Begriff wollen wir auf die grundsätzliche<br />
Veränderung in der Industrieproduktion hinweisen. Die 4<br />
steht dabei für die vierte industrielle Revolution – nach der Dampfmaschine,<br />
der Elektrifizierung und Fließbandarbeit, der Mikroelektronik<br />
und Robotik folgt nun die Vernetzung und Individualisierung<br />
der Produktion und Dienstleistungen.<br />
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