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Develop³ Systems Engineering 02.2016

Themenschwerpunkte: Methoden, Tools sowie Anwendungen; Köpfe der Wissenschaft: Prof. Reinhard Hüttl, Deutsche Akademie der Technikwissenschaften (acatech), und Dipl.-Ing. Arno Kühn, Fraunhofer IEM

Themenschwerpunkte: Methoden, Tools sowie Anwendungen; Köpfe der Wissenschaft: Prof. Reinhard Hüttl, Deutsche Akademie der Technikwissenschaften (acatech), und Dipl.-Ing. Arno Kühn, Fraunhofer IEM

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Bild: D. Ausserhofer, Deutsches GeoForschungsZentrum (GFZ)<br />

Prof. Reinhard Hüttl, Präsident der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech)<br />

„Es findet eine<br />

radikale Veränderung<br />

statt, bei der die<br />

Digitalisierung eine<br />

zentrale Rolle<br />

spielt – Stichwort<br />

‚Industrie 4.0‘.“<br />

develop 3 : Was ist an Industrie 4.0 anderes als beim Computer<br />

Integrated Manufacturing (CIM)?<br />

Hüttl: CIM lief auf eine hochautomatisierte, zentral gesteuerte Produktion<br />

hinaus. Industrie 4.0 steht für Vernetzung und Individualisierung,<br />

was einer kopernikanischen Wende in den Fabrikhallen gleichkommt.<br />

Noch bestimmt der Produktionsprozess das Produkt, das<br />

millionenfach und gleichartig hergestellt wird. In der Industrie 4.0<br />

dagegen bestimmt das einzelne Produktionsstück seinen individuellen<br />

Produktionsprozess. Industrie 4.0 ebnet deshalb den Widerspruch<br />

zwischen billigen Massenprodukten und teuren Einzelstücken<br />

ein. Sie ermöglicht die individuelle Produktion zu den Preisen<br />

der Massenfertigung. Dabei geht es um mehr als die Einführung<br />

neuer Technologien. Industrie 4.0 wird auch die Arbeit verändern,<br />

weshalb wir bei dem Thema eng mit den Gewerkschaften zusammenarbeiten.<br />

Wir brauchen unter anderem neue Ansätze im Bildungssystem,<br />

um die Menschen für die künftige Arbeitswelt zu<br />

qualifizieren. Industrie 4.0 ist eine Chance für alternde Gesellschaften,<br />

wie wir sie in Deutschland haben. Aber natürlich müssen wir<br />

die Belegschaften mitnehmen. Weiterbildung wird deshalb immer<br />

wichtiger: Auch Universitäten und Hochschulen müssen Programme<br />

für Mitarbeiter entwickeln. acatech experimentiert derzeit mit<br />

solchen Angeboten und startete zur Hannover Messe einen Online-<br />

Kurs „Hands-on Industrie 4.0“.<br />

develop 3 : Gehen wir einmal davon aus, dass der Weg zur Umsetzung<br />

von Industrie 4.0 100 Kilometer lang ist. Welche Strecke<br />

haben wir dann bislang zurückgelegt? Was schätzen Sie?<br />

Hüttl: Wir haben bisher wohl erst 15 Kilometer hinter uns. Sowohl<br />

bei der Robotik als auch bei der Künstlichen Intelligenz ist der Weg<br />

von der Forschung zur industriellen Umsetzung noch weit.<br />

develop 3 : Lassen Sie uns noch einmal auf den aktuellen Innovationsindikator<br />

zurückkommen: Demnach gibt es noch immer<br />

Berührungsängste zwischen Wissenschaftlern und KMU-Managern.<br />

Daran hat sich in den vergangenen Jahrzehnten nicht viel<br />

geändert.<br />

Hüttl: An den Hochschulen hat sich viel getan. Denken Sie an die<br />

Dualen Studiengänge, oder auch an die Berufsakademien oder die<br />

vielen Weiterbildungsaktivitäten. In einem gebe ich Ihnen recht: Gegenüber<br />

führenden Forschungseinrichtungen haben kleinere Unternehmen<br />

noch zu viel Respekt – wir brauchen Plattformen, Initiativen<br />

und Programme mit möglichst niedrigen Einstiegshürden. Ein gutes<br />

Beispiel für den Abbau der Berührungsängste sind die 15 bundesweit<br />

ausgewiesenen Spitzencluster. Dort ist es gelungen, kleinere<br />

Unternehmen mit großen zusammenzubringen und die führenden<br />

wissenschaftlichen Einrichtungen zu integrieren.<br />

develop 3 : Was müsste sich ändern, um dem deutschen Mittelstand<br />

Forschung schmackhaft zu machen?<br />

Hüttl: Kleinen und mittleren Unternehmen sollte man es möglichst<br />

einfach machen, an Kooperationen von Forschung und Wirtschaft<br />

teilzunehmen – also niedrige Zugangshürden. Zweitens brauchen<br />

wir ein stärkeres Bewusstsein, dass der Erfolg in einer Marktnische<br />

nicht davon abhalten sollte, gemeinsam mit Hilfe von Forschung<br />

neue Perspektiven zu entwickeln. Es wäre auch gut, wenn sich an<br />

der Reputation von Wissenschaftlern etwas verändern ließe, die<br />

noch vorrangig auf Publikationen in wichtigen internationalen Journalen<br />

beruht. Klar, der Nachweis von Gravitationswellen ist ein<br />

Durchbruch. Doch ist es von der Gesellschaft her betrachtet nicht<br />

ebenso ein Durchbruch, wenn Forscher und Praktiker gemeinsam<br />

den Reifenabrieb signifikant verringern? Dies würde die Feinstaubbelastung<br />

spürbar senken.<br />

develop 3 : Wie könnte man den Praxisbezug honorieren?<br />

Hüttl: Dadurch, dass der Wissenstransfer, den Wissenschaftler leisten,<br />

ins Rampenlicht gestellt wird. Oder dass bei nachgewiesenen<br />

Technologietransferleistungen eine weitere Stelle am Institut finanziert<br />

wird. Bei uns in der Helmholtz-Gemeinschaft ist man da schon<br />

unterwegs. Jede Arbeitsgruppe überlegt inzwischen, was aus ihrer<br />

Forschung zur Anwendung kommen könnte. Generell gilt: Wir Wissenschaftler<br />

sollten von uns aus auf den Mittelstand zugehen.<br />

develop 3 : Wie beurteilt die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften<br />

acatech generell den Stellenwert der Technologie in<br />

Deutschland?<br />

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