Synagogen in Nordrhein-Westfalen
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Der Komplex besteht aus einem sichtbaren, weiß gehaltenen Beton-Skelett mit
roter Klinker-Ausmauerung. Dabei ist die Synagoge nicht der Gebäudeteil, der
in der Fassade gestalterisch besonders betont wird. Vielmehr tritt sie, von der
Straße aus links angeordnet, im Gesamtbild deutlich zurück und besitzt zudem
keinen eigenen, direkten Zugang (Abb. 1). Man erreicht sie vielmehr durch ein
großzügiges, über zwei Etagen verglastes Vestibül, welches man von der Straße
aus durch den Haupteingang betritt. Die Fenster sind hier aus Sicherheitsgründen
mit Milchglas ausgestattet. Zum rückwärtig liegenden Gartenbereich ist das
Vestibül ebenfalls über die gesamte Fassadenhöhe verglast.
Durch diese Eingangshalle ist der Betsaal mit dem Gemeinde- und
Verwaltungstrakt verbunden, wobei dessen erstes Geschoss in der Fassade
sowohl zur Straße als auch zum rückwärtigen Garten hin weit hervorragt. Es
ist über die gesamte Vorderfassade ebenfalls mit hohen Fenstern großzügig
verglast. In diesem Trakt befinden sich im Keller die Küche und ein zum Garten
orientierter Tagesraum (Abb. 2). Im ersten Obergeschoss liegt der Gemeindesaal
und darüber sind Räumlichkeiten mit einer Dachterrasse, die sich zur Straße
hin befindet, angeordnet. Im Garten schließt an den Gemeindetrakt ein in den
späten 1990er Jahren gebauter Mehrzwecksaal an, der an den hohen Feiertagen
auch als Synagoge genutzt werden kann.
Die Synagoge
Der Synagogenbau nimmt in der Höhe drei Geschosse ein und besitzt ein flaches
Satteldach. Im Inneren ist die Decke hellblau gestaltet und die Längsseiten sind
wie die Außenfassaden rot geklinkert. Insgesamt sind bei der Gestaltung der
Synagoge Holz, ein heller Wandputz und die Farbe Blau vorherrschend. Der Bau
wird durch eine giebelförmige Apsis mit einem kupferfarbenen Thoraschrein an
der Ostwand geprägt, was an das biblische Stiftszelt erinnern soll. Auffällig ist,
dass sich die jüdische Symbolik und die Raumaufteilung auf den Schrein hin
konzentrieren. Der Raum wird perspektivisch auf ihn ausgerichtet. So befinden
sich der Thoraschrein, die Bima und das Pult für den Vorbeter auf einem erhöhten
Podest (Abb. 3).
Der Schrein ist mit einem bestickten dunkelblauen Vorhang, genannt Parochet,
bedeckt; dahinter sind die Thorarollen untergebracht. Auch hier zeigt sich ein
typisches Gestaltungsmerkmal des Architekten, der in all seinen Entwürfen den
Almemor nicht in der Raummitte, sondern, wie es in jüdischen Sakralräumen
mit liberalen Ritus üblich ist, unmittelbar vor der Heiligen Lade positioniert hat.
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Die Wand hinter dem Thoraschrein wird durch ein überhöhtes, einem stilisierten
Zelt gleichendes Portal aus Holz gestaltet. Der Schrein wird zudem von hinten
indirekt beleuchtet. In der Mitte, über den Tafeln mit den zehn Geboten und dem
Ewigen Licht, wurde ein vertikaler Streifen in der Holzverkleidung ausgespart.
Dadurch wird die Silhouette eines Obelisken gebildet. Diese Form verlängert die
Dekalogtafeln optisch nach oben, die fast weiße Farbe des hier verwendeten
Wandputz hebt sie zusätzlich hervor.
Zu beiden Seiten des Schreins befinden sich über fast die gesamte Höhe
der Wandfläche hebräische Inschriften auf den Wänden (Abb. 4). Daneben
sind Buntglasfenster mit Davidstern eingebracht, die kurz unterhalb der
einsetzenden Dachschräge abschließen (Abb. 5). Die Fenster sind hauptsächlich
in Blautönen gehalten, nur der Davidstern ist Orange-Rot gestaltet. Die auf der
gegenüberliegenden Seite angeordnete U-förmige Frauenempore ist schlicht
ausgearbeitet. Hier finden sich keine weiteren jüdischen Symbole. Unterhalb der
Empore sind abermals bunte Oberlichter angebracht. Sie schließt zur Ostwand
hin auf der Höhe der Gebetsbänke im unteren Teil ab.
Architekturhistorische und städtebauliche Einordnung
Die Dortmunder Synagoge ist kein isolierter Bau, sondern in einen Komplex
mit Gemeindezentrum integriert. So wurden alle Funktionen und Bedürfnisse
der Gemeinde in einem Bau vereint. Dadurch wurde die Synagoge als
Versammlungsstätte in das alltägliche Gemeindeleben eingebunden. Dies
war typisch für die Lösung dieser Bauaufgabe in den 1950er Jahren: „Die
gemeinschaftsbildende und Identität ermöglichende Funktion, die in den
ersten Nachkriegsjahren für die jüdischen Gemeinden ebenso wichtig war wie
die religiöse, sollte die Bauwerke prägen.“ (Knufinke 2010, S. 38). Auch der
Dortmunder Bau diente und dient nicht ausschließlich einem religiösen Zweck.
Er kann zudem dem unterschiedlichen Platzbedarf an Werk- und Feiertagen
angepasst werden.
Die Funktion als Synagoge ist dabei dem Bau nicht abzulesen: Von außen deutet
nichts auf ein jüdisches Gemeindezentrum hin. Zwar unterscheidet sich die
markante Gestalt der Architektur von der umgebenden Bebauung; im Gesamtbild
der Prinz-Friedrich-Karl-Straße, das von Wohnhäusern geprägt ist, fügt sie sich
dennoch eher ein als hervorzustechen. Städtebaulich handelt es sich mit der Lage
in einem Wohngebiet in der östlichen Innenstadt Dortmunds nicht unbedingt um
eine bedeutsame Stelle und die Neue Synagoge tritt damit erheblich gegenüber