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Synagogen in Nordrhein-Westfalen

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den Jahren 1892/93 grundlegend. Auf dem östlich angrenzenden Grundstück

entstand zudem ein neues Schul- und Gemeindehaus (Abb. 1).

Beide Gebäude wurden in einer neogotischen Backsteinarchitektur errichtet,

eine Entscheidung, mit der die jüdische Gemeinde ihren Synagogenneubau der

zeittypischen Gestaltung im Kirchenbau annäherte. Für den Gesamtentwurf war

möglicherweise der bekannte Herforder Architekt Carl Schubert verantwortlich.

Der 172 Quadratmeter große, eingeschossige, traufständige Originalbau aus

Backstein erhielt ein Satteldach. Die Erweiterung des Synagogengebäudes

bestand im Wesentlichen aus einem Anbau an die straßenseitige Südfassade,

der das Treppenhaus aufnahm. Er wurde durch einen mit einem Konsolfries

geschmückten Giebel, den der Davidstern bekrönte, abgeschlossen.

Daneben gab es mehrere Umbauten im Inneren und Äußeren. Hohe

Spitzbogenfenster mit Maßwerkfüllung erhellten Treppenhaus und Betraum. Alle

Schmuckelemente – Fries, Strebepfeiler, Sohlbänke, Gesimse, Fensterrahmen

und die Inschriften-Kartusche – waren aus hellem Werkstein gearbeitet, der sich

von dem rötlichen Mauerwerk absetzte. Im Osten befand sich ein halbrunder

Anbau für den Thoraschrein, darüber ein großes halbrundes Fenster und ein

kleineres Rundfenster. Mit dieser Architektur zeigte die jüdische Minderheit

ihr gestiegenes Selbstbewusstsein, passte sich aber auch der christlichen

Umgebung an: „Die Fenster, die Friese und die über Eck gestellten Strebepfeiler

verleihen nun der ehemals schlichten Synagoge das Aussehen einer gotischen

Kapelle, bei der nur noch der Stern und das Inschriftband auf den jüdischen

Kultbau hinweisen.“ (Hammer-Schenk 1981, S. 443). Die Neuweihe der

Synagoge fand am 3. September, die Einweihung des Schul- und

Gemeindehauses am 7. Oktober 1893 statt. Die Schule wurde allerdings nur bis

1902 geführt.

Zerstörung der Synagoge

Am 12. April 1934 musste gegen 1 Uhr nachts ein Brand im Gotteshaus

gelöscht werden. Im ersten Bericht zur Klärung seiner Ursache durch die

Landeskriminalpolizeistelle Hannover konnte ein vorsätzlich gelegtes Feuer

nicht ausgeschlossen werden. Ein zweites Mal wurde in den Abendstunden des

9. November 1938 Feuer in der Synagoge gelegt. Die herbeigerufene Feuerwehr

griff zuerst nicht ein. Die Inneneinrichtung und die wertvolle Orgel wurden

in der Folge völlig zerstört. Auch das Archiv der Gemeinde verbrannte, die

Fensterscheiben wurden zertrümmert. Die Feuerwehr begann erst zu löschen,

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als das Feuer auf ein Nachbargebäude überzugreifen drohte, in dem explosive

Materialien einer Färberei gelagert waren.

Trotz der Verzögerung der Löscharbeiten blieben der Boden und das

Dachgestühl der Synagoge zunächst erhalten. Die Zerstörung wurde daher

am 10. November 1938 unter der Anwesenheit schaulustiger Bürger/innen

fortgesetzt. Der Innenraum wurde weiter demoliert und die Einrichtung

geplündert. Nur eine durch Feuer und Wasser geschädigte Thorarolle konnte

gerettet und nach 1945 der jüdischen Gemeinde zurückgegeben werden. An

der Giebelseite zur Komturstraße schlug ein Herforder Bürger den Davidstern

herunter. Er war der einzige Täter, der nach 1945 für diesen Angriff verurteilt

wurde. Die Synagogenruine durften nicht wiederhergestellt werden (Abb. 2).

Die Gemeinde wurde zudem gezwungen, das Grundstück zu verkaufen. Die

Stadt erwarb es für 4.732 Reichsmark, ließ die Ruine abreißen und errichtete

an der Stelle einen Parkplatz. Das Gemeindehaus hingegen blieb erhalten und

zunächst im Besitz der jüdischen Gemeinde. Hier wurden die jüdischen Kinder,

die nach der Pogromnacht ihre Schulen verlassen mussten, vom Prediger Lewin

unterrichtet.

Zu der Zeit lebten noch etwa 120 Bürger/innen jüdischer Konfession in der Stadt.

33 von ihnen mussten sich am 9. Dezember 1941 auf dem Marktplatz einfinden.

Sie wurden anschließend zum Gasthof „Kyffhäuser“ nach Bielefeld gebracht, der

Sammelstelle für die Deportation aus dem Regierungsbezirk Minden. Etwa 400

Menschen wurden hier unter unzulänglichen Bedingungen zusammen getrieben.

Angehörige der Gestapo und anderer deutscher Institutionen deportierten sie

am folgenden Schabbat, dem 13. Dezember 1941, nach Riga, wo sie vermutlich

mehrheitlich erschossen wurden. Auch in den Jahren darauf fanden weitere

Vertreibungen und Deportationen statt.

Wiederaufbau der Synagoge

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der nationalsozialistischen

Herrschaft in Deutschland kamen die nach Herford zurückgekehrten Jüdinnen

und Juden in eine Stadt, in der von ihrer Jahrhunderte währenden Anwesenheit

nur noch der Friedhof und das Gemeindehaus zeugten. Nach 1945 musste die

Stadt das Grundstück, das vormalige Gemeindehaus und den jüdischen Friedhof

mit einer Kapelle an die Jewish Trust Corporation for Germany restituieren.

Die wenigen Überlebenden, zu denen auch neu zugewanderte Jüdinnen und

Juden vor allem aus der Sowjetunion gehörten, gründeten die Gemeinde neu.

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