Synagogen in Nordrhein-Westfalen
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Bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges lebten circa 19.500 jüdische Bürger/
innen in Köln, von denen etwa 11.000 während der NS-Zeit umkamen. Der Großteil
von ihnen, circa 8.000 Juden und Jüdinnen, wurde zwischen Oktober 1941 und
Oktober 1944 im Zuge deutscher Verfolgungs- und Vernichtungsmaßnahmen
deportiert und getötet.
Heute gehören rund 4.000 Personen zur Gemeinde. Besonders in den 1990er
Jahren hatte es durch den Zuzug russischsprachiger Jüdinnen und Juden aus
den Staaten der ehemaligen Sowjetunion einen enormen Zuwachs gegeben.
Aufgrund dieser zahlreichen neuen Mitglieder stiegen auch die Bedürfnisse,
sodass neben dem Gemeindehaus in der Roonstraße im November 2003
ein Wohlfahrtszentrum in der Ottostraße sowie zwischen 2004 und 2009
Begegnungszentren in Chorweiler und in Porz errichtet wurden.
Baugeschichte
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gab es zwei entscheidende Faktoren, die zum
Bau einer neuen Synagoge in der Roonstraße führten. Zum einen veränderte
sich die räumliche Verteilung der jüdischen Bevölkerung in Köln. Viele
Gemeindemitglieder zogen in die Neustadt, welche sich somit zunehmend zu
einem Siedlungsschwerpunkt entwickelte. Zum anderen reichten, wie bereits
gesagt, die Kapazitäten der zuvor bestehenden Synagogen nicht mehr aus. 1893
wurde daher ein öffentlicher Wettbewerb für einen Neubau ausgeschrieben,
welcher Platz für insgesamt 1.400 Mitglieder bieten sollte. Das Grundstück,
welches noch im selben Jahr von der Gemeinde erworben wurde, war 2.681
Quadratmeter groß und kostete 210.000 Mark. 15 Entwürfe wurden eingereicht,
von denen sich der Entwurf mit dem Kennwort „Empor“ der Kölner Architekten
Emil Schreiterer (1852-1923) und Bernhard Below (1854-1931) durchsetzen
konnte. Sie entwickelten einen Zentralbau auf quadratischem Grundriss, an dem
sich zu beiden Seiten Flügelbauten anschlossen.
Gelobt wurden die beiden Architekten vor allem für den Umgang mit der
schwierigen Grundstückssituation. Die Synagoge sollte traditionellerweise
nämlich nach Osten ausgerichtet werden, was der Orientierung der Straßenflucht
jedoch entgegenstand. Die zu ihr ausgerichtete Hauptfront lag auf südwestlicher
Seite in Richtung des Rathenauplatzes, der zu dem Zeitpunkt noch Königsplatz
hieß, und war in eine Reihe von umliegenden Mietshäusern eingebunden,
die nicht abgerissen werden sollten. Um den Widerspruch der inneren und
äußeren Achsenbeziehung aufzulösen, konzipierten Schreiterer und Below
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einen Grundriss, der das zentrale, überkuppelte Gebetshaus Richtung Osten
verschob. Im westlichen Flügelbau legten sie einen querrechteckigen Vorraum
als Eingangsbereich an. Der Ausgang erfolgte ebenfalls zur Roonstraße durch
ein Portal im mittleren Gebäudeteil. Diese Lösung diente einerseits einem
geregelten Ein- und Austritt der Besucher/innen und ermöglichte andererseits,
dass der Blick beim Eintreten in den Gebetsraum auf den heiligsten Ort, den
Thoraschrein, fiel.
Im Zuge der Novemberpogrome im Jahr 1938 wurde die Synagoge von den
Nationalsozialist/innen schwer beschädigt. Nur Teile der Umfassungsmauer
sowie des zentralen Kuppelbaus blieben als Ruine bestehen und dienten 1959
als Grundlage für den Wiederaufbau. Unter Leitung von Helmut Goldschmidt
(1918-2005), einem der erfolgreichsten Synagogenarchitekten jener Zeit, wurde
die Fassade zur Roonstraße mit nur wenigen Änderungen rekonstruiert. Der
Innenraum dagegen erforderte aufgrund der notwendigen Einbindung eines
Gemeindezentrums einen Umbau. In Höhe der früheren Emporen wurde eine
Decke eingezogen, die den ehemals eingeschossigen Bau in zwei Stockwerke
teilte. Dadurch wurde genügend Platz für die Räumlichkeiten der Gemeinde
geschaffen. Unterstützung für das Projekt erhielt sie von Konrad Adenauer
(1876-1967, CDU), dem damaligen Oberbürgermeister der Stadt. Er bezeichnete
die Synagoge als „Merkmal Kölns“, das „in alter Form wiederaufgebaut [werden
solle]“ (zit. n. Pracht 1997, S. 255). Als Bundeskanzler setzte er sich dann für die
Finanzierung des Wiederaufbaus ein.
Baubeschreibung
In den Wettbewerbsunterlagen von 1893 wurden strenge Anforderungen an
den Neubau gestellt; sie betrafen unter anderem die Ausrichtung der Synagoge,
die Anzahl der Plätze sowie die Einbindung von weiteren Anräumen wie dem
Versammlungsort, Schulsälen oder der Zimmer für Kantor und Rabbiner.
Bezüglich des Stils war den teilnehmenden Architekten dagegen die vollständige
Freiheit garantiert. Schreiterer und Below sollen sich dem Kunsthistoriker
Wolfram Hagspiel zufolge an der damals modernsten Architektur in den USA
orientiert haben, dem sogenannten Richardsonian Romanesque Style. Er war
nach dem Architekten Henry Hobson Richardson (1838-1886) benannt worden
und wurde durch Elemente der romanischen Architektur Südeuropas bestimmt
(vgl. Hagspiel 2010, S. 295). Als direktes Vorbild für die Synagoge soll die First
Presbyterian Church in Detroit (Michigan, USA) gedient haben.