Synagogen in Nordrhein-Westfalen
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Vorwort
Annika Wienert
Die vorliegende Publikation zu ausgewählten Synagogenbauten in Nordrhein-
Westfalen ist dem Engagement und der Ausdauer einiger Studierender des Fachs
Kunstgeschichte und ihrer Dozentin Alexandra Klei zu verdanken. Als Vorsitzende
des gemeinnützigen Kunstvereins werkraum bild und sinn e.V. freue ich mich, dass
wir dieses Buch gemeinsam realisieren konnten. Dies wäre nicht möglich gewesen
ohne die finanzielle Unterstützung der Landesverbände der jüdischen Gemeinden
in Nordrhein-Westfalen, denen wir zu großem Dank verpflichtet sind. Diese
Publikation wurde finanziell gefördert durch den Landesverband der Jüdischen
Gemeinden von Westfalen-Lippe, den Landesverband der Jüdischen Gemeinden
von Nordrhein, die Synagogen-Gemeinde Köln und die Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Außerdem erhielten wir Spenden von einer Reihe von Menschen aus ganz
Deutschland. Für ihre Großzügigkeit sind wir überaus dankbar.
Die Projektinitiative werkraum bild und sinn besteht seit 2011 und nutzte
zwischen 2013 und 2015 einen eigenen Ausstellungsraum in Berlin-Kreuzberg.
Im März 2014 wurde werkraum bild und sinn als Verein zur Förderung von Kunst
und Kultur gegründet. Mittlerweile ohne festen Ort, widmen wir uns diesem
Ziel auch in Publikationen wie dem vorliegenden Sammelband. Den inhaltlichen
Schwerpunkt der Vereinstätigkeit bildeten von Anfang an Fragen von Gedächtnis,
Erinnerungspolitik und -zeichen historischer wie gegenwärtiger Ereignisse sowie
politische Konflikte in Deutschland, Europa und weltweit. Ein besonderes Anliegen
ist es dabei, Vergessenem, an den Rand Gedrängtem oder unsichtbar Gemachtem
den Raum für eine bildliche Erzählung zu geben.
Viele dieser Themen berühren die Geschichte der jüdischen Gemeinden und ihrer
Mitglieder in Deutschland. Synagogen und andere jüdische Gemeindebauten
stellten und stellen eine sichtbare, dauerhafte Präsenz des Judentums im
öffentlichen Raum deutscher Städte dar. Vor dem Hintergrund der Shoah und der
vorausgegangenen Entrechtung und Enteignung muss nach den Veränderung
dieser Präsenz und Sichtbarkeit gefragt werden, nach den Verschiebungen in der
Topografie der Stadt und nach dem neuen Beitrag zum Stadtbild. Für die Publikation
sind Studierende diesen Fragen anhand konkreter Bauten nachgegangen. Die
Texte konzentrieren sich daher auf die Objekte selbst, ihren stadträumlichen
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Kontext, ihre Materialien und architektonische Formensprache, ihr Raum- und
Nutzungsprogramm sowie ihre Ausstattung.
Die Beschäftigung mit der Geschichte der Gemeinden zwischen 1933 und 1945 zeigte
auf, dass es noch viele unerforschte Aspekte der nationalsozialistischen Verfolgung
von Juden und Jüdinnen auf lokaler Ebene gibt, und dass einige zentrale Themen der
NS-Geschichte weiterhin diskutiert werden müssen. So besteht beispielsweise kein
Konsens darüber, ob die organisierte und inszenierte Zerstörung und Plünderung
von Synagogen und anderen jüdischen Einrichtungen und Privaträumen am 9./10.
November 1938 mit dem Quellenbegriff „Reichskristallnacht“ bezeichnet werden
soll, oder ob die Formulierung Reichspogromnacht bzw. Novemberpogrome
angemessen sind. Der letztgenannte Begriff trägt dem Umstand Rechnung, dass
es bereits am 7. November zu Übergriffen kam und die Ausschreitungen noch
einige Tage anhielten. Jedoch verunklart die Benennung als Pogrom die staatliche
Organisation und Lenkung, somit den systemischen Charakter der Verbrechen.
Im Bewusstsein dieser Problematik haben wir es jeweils der Autorin oder dem
Autor überlassen, sich für eine Formulierung zu entscheiden.
Die hier versammelten Beiträge sind das vorläufige Ergebnis einer kunst-, kulturund
geschichtswissenschaftlichen Auseinandersetzung. Ich verwende hier das
Wort „vorläufig“ in der Hoffnung, dass diese Texte Anstoß geben könnten für
eine weitere Erforschung der Synagogen in Nordrhein-Westfalen. Diese ist bislang
ein Desideratum. Wie die Auflistung der verwendeten Literatur am Ende jedes
Beitrages zeigt, kann für eine Beschäftigung mit den Bauten bislang in erster
Linie auf allgemeine Überblickswerke, Berichte der Lokalpresse und verschiedene
nicht-wissenschaftliche Websites zurückgegriffen werden.
Die Frage nach der Fotografie, nach ihrem Potential für eine gesellschaftliche
Vermittlung, danach, welche Rolle sie in öffentlichen Diskussionen spielen
kann, tritt in der vorliegenden Publikation zurück. Trotzdem laden die Texte
und die (wenigen) beigefügten Abbildungen dazu ein, nachzudenken über die
wechselseitige Bedingtheit von Abbilden und Erzählen, Sehen und Wissen,
Imaginieren und Dokumentieren.