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Nr. 66 - Frühling 2018

Locronan: die bretonische Seele par excellence Pays de la Loire: mit dem Hausboot auf der Mayenne Burgund: Vill'Art, das zweite Leben eines Steinbruchs Provence: Salagon, ein einzigartiger Ort, um die Hochprovence zu verstehen Chantals Rezept: Spinatsalat mit harten Eiern und knusprigen Hähnchenflügeln

Locronan: die bretonische Seele par excellence
Pays de la Loire: mit dem Hausboot auf der Mayenne
Burgund: Vill'Art, das zweite Leben eines Steinbruchs
Provence: Salagon, ein einzigartiger Ort, um die Hochprovence zu verstehen
Chantals Rezept: Spinatsalat mit harten Eiern und knusprigen Hähnchenflügeln

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UNTERWEGS IN FRANKREICH Bretagne<br />

anscheinend eine intelligent geplante Politik der Erhaltung verfolgte,<br />

durch die sich wunderbarerweise seit den goldenen Zeiten der Renaissance<br />

nichts geändert zu haben scheint. Dies zieht die Besucher<br />

unweigerlich in Bann: In Locronan taucht man in die Geschichte der<br />

Bretagne ein, ohne dass das Bild dabei von den heute unvermeidbaren<br />

Zeichen der Modernität – Werbeplakate, Leuchtreklamen, Satellitenschüsseln,<br />

Strom- und Telefonleitungen – gestört wird. Nichts – oder<br />

so gut wie nichts – hat sich verändert. Abgesehen davon, dass seit der<br />

Ausbreitung der motorisierten Schifffahrt die Webstühle in Locronan<br />

fast alle verschwunden sind. Der letzte Weber stellte seine Tätigkeit<br />

1914 ein. Doch halt: Spitzt man seine Ohren, so kann man zumindest<br />

noch einen hören, nämlich den von Hervé le Bihan. Hervé stammt<br />

aus dem Dorf, hat sich von klein auf für die historische Tätigkeit des<br />

Webens begeistert und daher beschlossen, sie weiterzuführen. In seiner<br />

Werkstatt mit Verkaufsraum webt er weiterhin unbeirrbar Stoffe aus<br />

Leinen und Hanf. Aus ihnen fertigt er allerdings kein Tuch mehr für<br />

Schiffssegel, sondern stellt Kissen, Tischdecken, Leintücher und Taschen<br />

her. Doch die Leidenschaft für diesen Beruf ist dieselbe, und<br />

die Ausführung genauso präzise. Hervé ist es zu verdanken, dass dieser<br />

Teil der Seele von Locronan bis heute überlebt hat. Es ist eine wahre<br />

Freude, ihn zu besuchen, denn dieser Mensch teilt seine Leidenschaft<br />

gerne mit anderen.<br />

Was bei einem Besuch des Dorfes ebenfalls auffällt, ist die Kirche.<br />

Der berühmte Schriftsteller und Mitbegründer der französischen Romantik,<br />

François-René de Chateaubriand (1768-1848), der den ersten<br />

Teil seines Lebens in der Bretagne verbrachte und diese Region daher<br />

sehr gut kannte, schrieb über die Faszination, die dieses Gebäude in<br />

ihm hervorrief. Dabei waren es weder die beeindruckende Größe noch<br />

der architektonische Reichtum des zwischen 1420 und 1480 errichteten<br />

Baus, die den Schriftsteller am meisten beeindruckten, sondern die<br />

Seele dieses Poeten wurde von einem ganz unerwarteten Detail angesprochen:<br />

von der Feuchtigkeit und den Spuren, welche diese hinterließ!<br />

Für Chateaubriand war diese Kirche vor allem ein « erstaunliches<br />

Monument aus Moos », ein « Meisterwerk der Feuchtigkeit mit großen<br />

silbernen Flechten, die Wolken der Ewigkeit an die Wände zeichnen ».<br />

Hat man diese Worte des Schriftstellers im Kopf, so kann man sich<br />

auch heute noch bei einem Besuch dieser beeindruckenden Kirche<br />

die Zeit damit vertreiben, an den Wänden die Spuren dieser « großen<br />

Flechten » zu suchen und diese auf eigene Art zu interpretieren. Auch<br />

wenn es wahrscheinlich nicht mehr genau dieselben sind, so sorgt<br />

doch der berühmte Crachin bréton – der für die Bretagne so charakteristische<br />

feine Sprühregen im Winter, der regelmäßig auch Locronan<br />

heimsucht – dafür, dass das Moos und die Flechten überall « genährt »<br />

werden – zur großen Freude aller etwas poetisch veranlagten Gemüter.<br />

Man könnte sogar sagen, dass diese Pflanzen ein fester Bestandteil des<br />

architektonischen Kulturerbes der Stadt sind. Auf jeden Fall kann man<br />

nicht von der Hand weisen, dass sie in ihrer bescheidenen Art zum<br />

Charme dieses Ortes beitragen.<br />

Setzt man den Besuch durch die gepflasterten Gässchen des Dorfes<br />

fort, so wird schnell klar, dass es kein Zufall ist, dass Moos und Flechten<br />

erhalten werden. Die Bewohner legen offensichtlich ein besonderes<br />

Augenmerk auf alle Details, die zur Authentizität und zum Charme<br />

In Locronan trifft man nicht selten Frauen in traditionellen bretonischen<br />

Trachten. Sie tragen diese nicht nur für Touristen, sondern weil die<br />

Traditionen hier noch mit Hingabe gepflegt werden; die Kirche Saint-<br />

Ronan spielt im Leben der Gemeinde nach wie vor eine wichtige Rolle.<br />

28 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2018</strong>

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