Nr. 66 - Frühling 2018

UNTERWEGS IN FRANKREICH Pays-de-la-Loire
es selten, dass man eine Schleuse passiert, ohne ein paar
Worte zu wechseln, eine Anekdote erzählt zu bekommen,
einen Tipp zu erhalten oder sogar – wenn kein anderes
Boot flussauf- oder abwärts wartet – eine längere Unterhaltung
zu führen.
Tagsüber kann man eine Schleuse auch außerhalb
der Präsenzzeiten der Schleusenwärter passieren. Man
muss dann lediglich alleine zurechtkommen. Doch selbst
in diesem Fall ist das Manöver nicht schwierig. Einige
Schleusen wurden bereits automatisiert, und es reicht aus,
an einem Kontrollpult auf einen Knopf zu drücken. Die
Schleusentore und Schieber öffnen und schließen sich
dann automatisch. Bei Schleusen, die noch manuell bedient
werden, muss man mehrere Kurbeln schnell drehen.
Beherrscht man diese Bewegung, macht das richtig Spaß.
Der Conseil départemental de la Mayenne verfolgt eine
gezielte Politik zum Erwerb und zur Gestaltung der Ufer.
So gibt es heute einen sehr gut unterhaltenen Treidelpfad
entlang der Mayenne, was Spaziergänger und Radfahrer
besonders freut. Es ist also durchaus möglich, dass einzelne
oder mehrere Mannschaftsmitglieder einen Teil der
Strecke mit den an Bord vorhandenen Rädern oder zu
Fuß zurücklegen und an einem vereinbarten Ort wieder
an Bord kommen. Das Departement hat sich darüber hinaus
verpflichtet, im Rahmen eines ehrgeizigen Projektes,
Schleusenwärterhäuser in Gästezimmer oder Ferienhäuser
umzuwandeln und diese so wieder zu neuem Leben zu
erwecken. Eine Schleuse entlang unserer Strecke gefiel
uns besonders: die Schleuse La Benâtre. Dort gibt es ein
kleines Restaurant mit einer schönen Terrasse direkt zum
Fluss hin. Es ist ein sehr angenehmer Ort, und es machte
uns viel Spaß, unser Boot vor dem Landgang zum Mittagessen
zu « parken ».
Nach den vier Tagen an Bord mussten wir feststellen,
dass dieses Hausboot ein bisschen « unser Heim » geworden
war. Jedem von uns war es ans Herz gewachsen, jeder
hatte seine Gewohnheiten entwickelt, hatte « seine » Lieblingsecke
gefunden, hatte den Tag nach seinem eigenen
Rhythmus gelebt. Dies hat uns sogar die sehr begrenzte
Größe der Betten (140 x 190 cm für die Doppelbetten, 78
x 178 cm für die Einzelbetten, die allerdings auf neueren
Booten durch etwas größere Modelle ersetzt wurden) vergessen
lassen, und wir gewöhnten uns schnell daran, etwas
zusammengekauert zu schlafen. Doch das war bei Weitem
nicht das Wesentliche. Wir hatten den Eindruck, während
dieser Tage einzigartige Augenblicke zu verleben, in
denen die Zeit nahezu stillstand. Eine Art willkommene
Auszeit, in der wir im Tempo des Stromes unbekannte
Landschaften einer wunderschönen Ecke Frankreichs
entdecken konnten. Das war mehr als ein touristischer
Abstecher, das war eine beeindruckende Reise, die uns
immer im Gedächtnis bleiben wird.
40 · Frankreich erleben · Frühling 2018