Nr. 66 - Frühling 2018
Locronan: die bretonische Seele par excellence Pays de la Loire: mit dem Hausboot auf der Mayenne Burgund: Vill'Art, das zweite Leben eines Steinbruchs Provence: Salagon, ein einzigartiger Ort, um die Hochprovence zu verstehen Chantals Rezept: Spinatsalat mit harten Eiern und knusprigen Hähnchenflügeln
Locronan: die bretonische Seele par excellence
Pays de la Loire: mit dem Hausboot auf der Mayenne
Burgund: Vill'Art, das zweite Leben eines Steinbruchs
Provence: Salagon, ein einzigartiger Ort, um die Hochprovence zu verstehen
Chantals Rezept: Spinatsalat mit harten Eiern und knusprigen Hähnchenflügeln
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UNTERWEGS IN FRANKREICH Provence-Alpes-Côte d’Azur<br />
Am Eingang befindet sich ein Verkaufsbereich,<br />
wo man einige der Pflanzen, die man<br />
im Garten gesehen hat, zu absolut<br />
korrekten Preisen erwerben kann.<br />
In unmittelbarer Nähe der Kirche, gegenüber dem Priorat, beschäftigt<br />
sich ein interessantes Museum mit dem Leben der Bewohner dieser<br />
südfranzösischen Region vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis in<br />
die 50er-Jahre. Die Sammlung ist beeindruckend, denn die vier großen<br />
Teilbereiche umfassen nicht weniger als 15 000 Objekte: landwirtschaftliche<br />
Gerätschaften, Werkzeuge handwerklicher Berufe, Haushaltsgegenstände<br />
sowie « zusammengebastelte und zurechtgeschusterte<br />
» Objekte. Letzteres ist ein besonders origineller und aufschlussreicher<br />
Bereich, in dem man sich darüber bewusst wird, mit welcher<br />
Erfindungsgabe Bauern bestimmte Dinge fabriziert hatten, die sie<br />
unbedingt benötigten. Neben diesen Objekten gibt es eine faszinierende<br />
Sammlung an Fotografien (knapp 38 000), im Wesentlichen von der<br />
Hochprovence. Darunter befinden sich auch 4500 alte Postkarten, die<br />
im Rahmen von dauerhaften und temporären Ausstellungen gezeigt<br />
werden. Zugegeben, die Präsentation solcher Objekte und Fotografien<br />
kann in manchen Museen bei Menschen, die sich nicht leidenschaftlich<br />
für derartige Stücke begeistern, schnell Langeweile auslösen. Der<br />
große Erfolg von Salagon ist jedoch die Tatsache, dass man es dort<br />
schafft, den Besucher neugierig zu machen, da dieser sich frei zwischen<br />
Kirche, Museum, Priorat und Gärten bewegen kann. Aus dieser Freiheit<br />
entsteht schnell das Verständnis dafür, welch enge Beziehung zwischen<br />
diesen a priori so unterschiedlichen Welten besteht: Es wird beispielsweise<br />
klar, dass die in den Schaukästen ausgestellten Werkzeuge<br />
und Geräte zum Kultivieren der Pflanzen genutzt wurden, welche man<br />
zuvor draußen gesehen hat. Wenn man aus der Kirche tritt und plötzlich,<br />
von der Sonne geblendet, im Garten steht, erwachen die Schwarz-<br />
Weiß-Fotografien von früher plötzlich zu Leben. Dem Besucher wird<br />
bewusst, dass Vergangenheit und Gegenwart eng zusammengehören,<br />
dass die Vergangenheit in der Gegenwart fortbesteht. Hier in Salagon<br />
« spürt » man bestimmte Dinge, ohne dass einem diese erklärt wurden.<br />
Dies liegt daran, dass es zwischen Kirche, Priorat, Museum und Garten<br />
keine Grenzen gibt – ganz im Gegenteil. Und gerade dies macht<br />
den Erfolg aus. Weil der Besucher vollkommen frei ist, nach oder während<br />
des Betrachtens alter Fotos vom Lavendelanbau nach draußen zu<br />
gehen, um den Duft dieser Pflanze an einem Beet in sich aufzunehmen,<br />
von einem Universum ins nächste zu schlendern, wird er sich der<br />
Besonderheiten des außergewöhnlichen provenzalischen Umfelds voll<br />
bewusst. Salagon zu besuchen, bedeutet, eine sensorische Erfahrung zu<br />
machen. Wie überall in der Provence.<br />
Die Gärten rahmen die Gebäude wie eine grüne Oase ein und sind<br />
schlichtweg außergewöhnlich. Sie wurden so konzipiert, dass sie das<br />
Wissen darüber vermitteln, wie der Mensch Pflanzen früher verwendete<br />
beziehungsweise heute verwendet. Vor allem sprechen sie unsere<br />
eigene Relation zur Pflanzenwelt um uns herum an. Der Urheber dieser<br />
Gärten ist Pierre Lieutaghi. Seine Arbeiten finden auf der ganzen<br />
Welt Beachtung, vor allem weil sie den Stellenwert eines Teilbereichs<br />
der Ethnologie aufgezeigt haben, für den die Gärten von Salagon eine<br />
internationale Referenz geworden sind: die Ethnobotanik. Diese Wissenschaft<br />
untersucht die Beziehungen zwischen Mensch und Pflanzenwelt,<br />
wobei dies von der ganz konkreten Nutzung – als Medizin,<br />
Nahrungsmittel, Heilmittel oder für technische Zwecke … – bis hin<br />
zur symbolischen Verwendung – um die Götter zu verehren oder die<br />
Zukunft vorauszusagen – reicht. Als man Anfang der 80er-Jahre das<br />
Land um das Priorat herum, das damals ausschließlich aus landwirtschaftlicher<br />
Nutzfläche (vorwiegend Weizen- und Melonenfelder) bestand,<br />
in Gärten verwandeln wollte, bat man Pierre Lieutaghi darum,<br />
74 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2018</strong>