Nr. 66 - Frühling 2018
Locronan: die bretonische Seele par excellence Pays de la Loire: mit dem Hausboot auf der Mayenne Burgund: Vill'Art, das zweite Leben eines Steinbruchs Provence: Salagon, ein einzigartiger Ort, um die Hochprovence zu verstehen Chantals Rezept: Spinatsalat mit harten Eiern und knusprigen Hähnchenflügeln
Locronan: die bretonische Seele par excellence
Pays de la Loire: mit dem Hausboot auf der Mayenne
Burgund: Vill'Art, das zweite Leben eines Steinbruchs
Provence: Salagon, ein einzigartiger Ort, um die Hochprovence zu verstehen
Chantals Rezept: Spinatsalat mit harten Eiern und knusprigen Hähnchenflügeln
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Helvetica 12<br />
B I U S<br />
An: Claudia S.<br />
CC:<br />
Betreff: Warten auf die Regierung …<br />
Liebe Claudia,<br />
ich hoffe, es geht dir gut! Ich weiß, dass der Redaktionsschluss für deinen nächsten Artikel<br />
bevorsteht, deshalb will ich dich auch nicht lange stören. Doch ich hatte gerade beim Mittagessen<br />
eine interessante Unterhaltung mit einer befreundeten Journalistin. Isabelle arbeitet bei<br />
einem französischen Nachrichtensender im Bereich Innenpolitik. Sie muss also – genauso<br />
wie du für deine Zeitung in Deutschland – die Politik auf nationaler Ebene verfolgen. Ich bin<br />
sicher, dass dich der Inhalt unseres Gesprächs interessiert und vermutlich auch amüsiert …<br />
Wir waren gerade beim Dessert angelangt, als Isabelle mit einem Lächeln sagte: « Also wenn es<br />
eine Sache gibt, die ich an meinem Beruf überhaupt nicht mag, dann ist es diese Warterei im<br />
Hof des Élysée-Palastes, bis die Zusammensetzung einer neuen Regierung kommuniziert wird<br />
… » Nachdem ich ja weiß, wie lange die Diskussionen für die Regierungsbildung in Deutschland<br />
dauern, sah ich Isabelle bereits vor meinem inneren Auge monatelang vor dem Élysée-Palast<br />
warten. Ich wollte gerade meinem Bedauern Ausdruck verleihen, als mir durch den Kopf schoss,<br />
dass ich eigentlich gar nicht wusste, wie die Franzosen ihre Regierung bilden. Obwohl dies<br />
eine wichtige Etappe im politischen Leben ist, hatte ich mich dafür seit meinem Umzug nach<br />
Paris überhaupt nicht interessiert. Ich nutzte also die Gelegenheit und bat Isabelle, mir die Vorgehensweise<br />
zu erklären, zumal sie das Glück hat, « hinter die Kulissen » blicken zu können.<br />
So erfuhr ich also, wie die Regierungsbildung in Frankreich genau abläuft. Ich musste feststellen,<br />
dass es dafür eine sehr eingespielte « republikanische Routine » gibt. Zusammengefasst lässt sich<br />
sagen, dass der Staatspräsident in der Regel am Tag nach seiner Amtseinsetzung den Premierminister<br />
ernennt. Emmanuel Macron trat sein Amt beispielsweise am 14. Mai 2017 an und ernannte<br />
am 15. Mai 2017 Edouard Philippe zum Premierminister. Dann geht es ebenso schnell weiter:<br />
Kaum ist der Premierminister ernannt, zieht dieser sich in sein Büro im Hôtel de Matignon zurück<br />
und beginnt umfassende Sondierungsgespräche. Er muss in der Lage sein, dem Präsidenten der<br />
Republik die potenziellen Regierungsmitglieder zügig vorzuschlagen. Du kannst dir vorstellen,<br />
dass die Telefonleitungen in dieser Situation heiß laufen und eine Besprechung die nächste jagt.<br />
Wenn beide Politiker sich dann einig sind, erfolgt traditionsgemäß die Verkündung der neuen Regierung<br />
auf der Außentreppe des Élysée-Palastes. Der Secrétaire Général de l’Élysée, ein hoher<br />
Beamter mit einer wichtigen Funktion – der oft etwas eingeschüchtert wirkt, weil er an Auftritte<br />
vor laufender Kamera nicht gewöhnt ist –, hat dann den Auftrag, die Namen der neuen Minister<br />
ganz schulmäßig, einen nach dem anderen, vor der versammelten Presse zu verlesen. Damit ist<br />
die Regierung offiziell ernannt. Bei der ersten Regierung von Edouard Philippe war dies am 17. Mai<br />
2017 um 15 Uhr der Fall, also nur zwei Tage nach seiner Ernennung zum Premierminister. Dies ist<br />
in der Fünften Französischen Republik eine absolut durchschnittliche Frist. Was Isabelle angeht,<br />
hat mich das etwas beruhigt. Du wirst mir zustimmen, dass die Wartezeit nicht sehr lange war.<br />
Wie du dir vielleicht vorstellen kannst, konnte ich es mir an diesem Punkt unserer Diskussion<br />
nicht verkneifen, Isabelle von dir zu erzählen und bei dieser Gelegenheit zu erwähnen, dass du<br />
als deutsche Journalistin eine viel größere Geduld aufbringen musst, bevor du über die Zusammensetzung<br />
einer neuen Regierung berichten kannst. Ich erklärte ihr auch, dass du in den letzten<br />
Monaten in deinen Artikeln über « Jamaika-Koalition », « GroKo » und « KoKo » geschrieben hast …<br />
Da musste Isabelle zugegebenermaßen schmunzeln. Doch auch ich kam noch auf meine Kosten,<br />
94 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2018</strong>