Nr. 66 - Frühling 2018
Locronan: die bretonische Seele par excellence Pays de la Loire: mit dem Hausboot auf der Mayenne Burgund: Vill'Art, das zweite Leben eines Steinbruchs Provence: Salagon, ein einzigartiger Ort, um die Hochprovence zu verstehen Chantals Rezept: Spinatsalat mit harten Eiern und knusprigen Hähnchenflügeln
Locronan: die bretonische Seele par excellence
Pays de la Loire: mit dem Hausboot auf der Mayenne
Burgund: Vill'Art, das zweite Leben eines Steinbruchs
Provence: Salagon, ein einzigartiger Ort, um die Hochprovence zu verstehen
Chantals Rezept: Spinatsalat mit harten Eiern und knusprigen Hähnchenflügeln
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UNTERWEGS IN FRANKREICH Bretagne<br />
des Ortes beitragen. Vor allem wird schnell klar, dass sich alle dafür<br />
einsetzen, aus diesem Ort ein regelrechtes Beispiel in Sachen Erhalt<br />
von Kulturerbe zu machen: Während Besucher ihre Fahrzeuge auf<br />
den am Ortsrand eingerichteten (kostenpflichtigen) Parkplätzen abstellen<br />
müssen, ist es den Bewohnern zwar gestattet, mit dem Auto in<br />
das Dorfzentrum zu fahren, doch alle vermeiden dies, wann immer es<br />
möglich ist, und niemandem käme es in den Sinn, sein Auto mitten<br />
auf der Straße abzustellen. Es ist offensichtlich, dass man Wert auf ein<br />
einheitliches architektonisches Bild legt.<br />
Was Blumen angeht, so verfolgt das Dorf ebenfalls eine besondere<br />
Politik: Auch wenn man hier und da, in einem Gässchen oder an einer<br />
Mauer – ganz der bretonischen Tradition entsprechend –, wunderschöne<br />
rosa und blaue Hortensien sieht, so bleiben diese weitgehend dezent.<br />
Man respektiert den mineralischen Aspekt der Fassaden, man liebt<br />
die Steine. Und dazu steht man: Bereits 1992 erklärte der damalige<br />
Bürgermeister, Marcel Ferec, in einem Artikel der Zeitung Le Monde,<br />
dass « die Steine zu schön sind, es wäre schade, sie zu verstecken ». Offensichtlich<br />
hat sich diese Einstellung nicht verändert, eine Tatsache,<br />
die man nur begrüßen kann. Seit der ehemalige Bürgermeister Charles<br />
Daniélou (1878-1953) zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Erster die<br />
Ausbesserung der Straßen und Häuser von Locronan in Angriff nahm,<br />
sind die Bewohner sehr darauf bedacht, das Erscheinungsbild zu erhalten.<br />
Auch wenn sie dafür manchmal mit der Faust auf den Tisch hauen<br />
mussten, wie im Jahr 1964. Damals gerieten die Geschäftsleute des<br />
Dorfes mit den staatlichen Behörden über die Erneuerung der Pflastersteine<br />
der Hauptstraße in Konflikt. Die vorgesehenen Steine aus Granit<br />
stammten zwar aus der Gegend von Saint-Pol-de-Léon, doch der<br />
örtlichen Meinung nach « passte weder die Farbe noch die Patina zu<br />
den Mauern in Locronan », also kam es nicht infrage, diese zu verlegen!<br />
Auch solchen Reaktionen ist es zu verdanken, dass Locronan heute zu<br />
den Plus beaux Villages de France gehört.<br />
Alle sechs Jahre (das nächste Mal 2019) findet in Locronan vom<br />
zweiten bis zum dritten Sonntag im Juli die Grande Troménie statt.<br />
Bei dieser dreizehn Kilometer langen Prozession rund um das Dorf<br />
versammeln sich die Bewohner und zahlreiche andere Teilnehmer in<br />
traditionellen Kostümen. Diese Zeremonie ist einerseits religiösen Ursprungs,<br />
andererseits aber auch tief in der bretonischen Kultur verwurzelt,<br />
und jeder kann – seiner Überzeugung entsprechend – entweder<br />
Saint-Ronan oder einfach das lokale Brauchtum ehren. Bei diesem<br />
Anlass ist es möglich, diese Traditionen ganz unverfälscht und weit<br />
entfernt von rein touristisch aufgemachter Folklore zu erleben. Der<br />
Geschichte nach soll jeder gläubige Bretone mindestens ein Mal in<br />
seinem Leben an dieser Prozession teilnehmen, ansonsten muss er dies<br />
nach seinem Tode tun, wobei er dabei jedes Jahr nur eine Sarglänge<br />
vorwärtskommt …<br />
Am Ende des Besuches von Locronan sagt man sich, dass hier eine<br />
echte Harmonie herrscht, die weit mehr als nur ein Postkartenimage<br />
ist. Im Hochsommer ist es zwar besser, das Dorf zu meiden, denn dann<br />
ist es im wahrsten Sinne des Wortes von Touristen überlaufen, doch im<br />
Frühjahr, im Herbst oder selbst im Winter geht von Locronan, vor allem<br />
morgens bei Tagesanbruch, eine besondere Magie aus. Zweifellos<br />
ist der Ort eines der Schmuckstücke der Bretagne. Ein einzigartiger<br />
Ort, der es dank der Entschlossenheit seiner Bewohner verstanden hat,<br />
sich selbst und seinen Traditionen treu zu bleiben und sich trotzdem<br />
dem Tourismus zu öffnen. Ein besonders authentisches Dorf, wie wir<br />
es lieben!<br />
30 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2018</strong>