Nr. 66 - Frühling 2018
Locronan: die bretonische Seele par excellence Pays de la Loire: mit dem Hausboot auf der Mayenne Burgund: Vill'Art, das zweite Leben eines Steinbruchs Provence: Salagon, ein einzigartiger Ort, um die Hochprovence zu verstehen Chantals Rezept: Spinatsalat mit harten Eiern und knusprigen Hähnchenflügeln
Locronan: die bretonische Seele par excellence
Pays de la Loire: mit dem Hausboot auf der Mayenne
Burgund: Vill'Art, das zweite Leben eines Steinbruchs
Provence: Salagon, ein einzigartiger Ort, um die Hochprovence zu verstehen
Chantals Rezept: Spinatsalat mit harten Eiern und knusprigen Hähnchenflügeln
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UNTERWEGS IN FRANKREICH Bourgogne-Franche-Comté<br />
Ich sehe, Sie interessieren sich für alte Gebäude. Kommen<br />
Sie mit, ich zeige Ihnen etwas …» Vor kaum einmal<br />
zehn Minuten hatten wir unser Auto in Tournus<br />
«<br />
abgestellt, da wir auf dem Weg nach Lyon eine Pause einlegen<br />
wollten. Zu Fuß schlenderten wir Richtung Rathaus<br />
und beobachteten dabei in Ruhe die alten Häuserfassaden<br />
in der hübschen Rue du Docteur Privey, als aus dem Haus<br />
Nummer 62 ein Bewohner herauskam und uns mit einem<br />
breiten Lächeln ansprach, obwohl er offensichtlich gerade<br />
am Renovieren war. Neugierig darauf, das Innere eines dieser<br />
pittoresken alten Stadthäuser zu sehen, folgten wir seiner<br />
Einladung. Nach einigen Metern standen wir mitten in<br />
einem bezaubernden Innenhof, in dem wir uns fast in eine<br />
andere Zeit versetzt fühlten. « Sehen Sie, hier hat sich so<br />
gut wie nichts verändert! » In der Tat erweckten die architektonischen<br />
Details und der ausgebleichte Putz der Wände,<br />
die Spuren von Moos auf den Steinen sowie ein alter<br />
Brunnen bei uns den Eindruck, direkt im Mittelalter gelandet<br />
zu sein. Alles erinnerte an eine fast unwirkliche<br />
Zeitreise. Der Mann ging voraus und stieg eine wunderschöne<br />
Steintreppe nach oben. Eine Treppe, wie man sie<br />
sonst nur in Schlössern findet. Er öffnete eine Tür und<br />
führte uns in einen beeindruckenden Dachstuhl aus Eichenholz.<br />
Mit der Hand deutete er auf einen Balken in einer<br />
Ecke. « Schauen Sie, was dort steht », sagte er, « 1769 …<br />
der hat fast noch ein jugendliches Alter! In Tournus hat<br />
nahezu jeder solche Zeugnisse der Vergangenheit bei sich<br />
zu Hause. Leider nehmen viele sie gar nicht mehr wahr.<br />
Gut, dass es noch Menschen wie Sie gibt, die sich dafür<br />
interessieren! »<br />
Diese spontane und unerwartete Begegnung beschreibt<br />
sehr gut die Atmosphäre der Stadt, die ein unglaubliches<br />
historisches Erbe besitzt. Spaziert man durch die Straßen,<br />
so fällt der Blick unweigerlich auf Fachwerk, Dekor aus<br />
der Renaissance, Häuserfassaden aus der Zeit Ludwigs<br />
XV., Türme oder üppig verzierte Türen. Und doch sagt<br />
der Name Tournus im Grunde genommen fast niemandem<br />
etwas. Aber das ist wirklich schade! Diese Stadt liegt<br />
zwar nur ein paar Dutzend Kilometer von der international<br />
renommierten Abbaye de Cluny entfernt, doch sie<br />
scheint vollkommen im Schatten ihrer berühmten Nachbarin<br />
zu stehen und nahezu unsichtbar zu sein. Hier ist es<br />
überflüssig, sich auf die Suche nach großen Parkplätzen<br />
für Touristenbusse oder nach Souvenirgeschäften zu machen.<br />
Auch « interaktive Rundgänge » wird man vergebens<br />
suchen. Nein, Tournus entdeckt man ganz einfach, indem<br />
man durch die Straßen bummelt und neugierig ist. Das<br />
Fremdenverkehrsamt wusste die schlichte, aber authentische<br />
Schönheit der Gassen zu nutzen und hat deshalb<br />
einen Parcours eingerichtet, der durch hübsche Pflastersteine<br />
im Boden gekennzeichnet ist. Ein Plan, auf dem<br />
Im Innenhof des Hauses in der Rue du Docteur Privey<br />
<strong>Nr</strong>. 62 wird der Besucher, wie in vielen anderen Häusern<br />
der Stadt, in die Vergangenheit zurückversetzt. Die<br />
Krankensäle des Hôtel-Dieu sind wunderschön erhalten.<br />
62 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2018</strong>