vierteljahrshefte für zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte
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Die „Technische Nothilfe" 39<br />
der Arbeit veranlaßte" 42 . Im bayerischen Ichenhausen nahmen die Elektroarbeiter<br />
mehr als ein Jahr später allein „auf die Kunde von dem bevorstehenden Eingreifen<br />
der Technischen Nothilfe" hin ihre Arbeiten wieder auf — ihr wirtschaftliches<br />
Ziel wurde nicht erreicht 43 . Ähnliches geschah, Ende Dezember 1920, beim<br />
Ausstand der Gemeindearbeiter in Breslau 44 . Auf derselben, <strong>für</strong> das Streikprivileg<br />
der Arbeitnehmer gefährlichen Linie lagen die Fälle, in denen Unternehmer<br />
sich im Falle eines Streiks weigerten, Notstandsarbeiten durch die betroffenen<br />
Arbeiter selbst ausführen zu lassen und stattdessen die TN bemühten 45 . Kritisch<br />
wurde es auch, wenn nach erfolgtem Einsatz der Nothilfe einige der Nothelfer<br />
statt streikender Arbeiter an Ort und Stelle angeheuert wurden: Das passierte<br />
nach dem Ausstand in der Berliner Reichsdruckerei im November 1923 und,<br />
wieder in der Hauptstadt, nach dem Müllkutscherstreik ein paar Jahre später 46 .<br />
Eine unzulässige Einschaltung der Technischen Nothilfe in die Arbeitskämpfe<br />
zum Schaden der Arbeiter wurde dadurch begünstigt, daß <strong>für</strong> das Ingangsetzen<br />
der ohnehin schwerfälligen TN-Maschinerie keine einheitliche Taktik vorgeschrieben<br />
war und daß der „Dienstweg" selbst dort, wo er eindeutig festlag (das<br />
richtete sich mitunter nach den Bestimmungen der Länder), verhältnismäßig<br />
leicht umgangen werden konnte. Generell verbindlich war, nach ihren „Richtlinien",<br />
daß die Technische Nothilfe überall in Deutschland nur auf Veranlassung<br />
der „Behörden" eingreifen durfte 47 . Darüber hinaus galt in privatwirtschaftlichen<br />
Betrieben ein Einsatz der TN erst dann als erlaubt, wenn im Zweifelsfalle<br />
ein unparteiischer Sachverständiger gutachtlich hinzugezogen und die<br />
Arbeiterschaft zur Durchführung der Notstandsarbeiten aufgefordert worden<br />
war 48 . Diese rudimentären Grundsätze indessen sind in vielen nachweisbaren<br />
Fällen auf die eine oder andere Weise von den Nothelfern gröblich verletzt worden,<br />
meist im vollen Bewußtsein der Parteinahme <strong>für</strong> die Arbeitgeberseite. Entweder<br />
entschied der TN-Führer völlig unabhängig von den „Behörden", ob sein<br />
Eingreifen rechtens sei, oder aber er ließ sich, wie öfter bei Landarbeiterstreiks,<br />
von den Arbeitgebern verpflichten. Problematisch waren fernerhin solche Situationen,<br />
in denen es sich bei den entscheidungsmächtigen Behörden und den Unternehmern<br />
um die gleichen juristischen Personen handelte, also etwa dann, wenn<br />
im agrarischen Osten Landrat und Regierungspräsident selbst Rittergutsbesitzer<br />
waren, oder während des Eisenbahnerstreiks im Reich 1922, als die Reichsbahn<br />
42<br />
Freiheit, 13. 10. 19.<br />
43<br />
DR 1920, Nr. 11, S. 14.<br />
44<br />
DR 1921, S. 24.<br />
45<br />
Dazu Anm. 87.<br />
46<br />
Helmberger an TN-Hauptstelle, Berlin, 17.11.23, BA, R 43 I/722, 1; Die Weltbühne,<br />
9. 3.26, S. 375.<br />
47<br />
Dazu „Richtlinien" v. 2. 2. 20, wie in Anm. 3; ferner (<strong>für</strong> Preußen) Bestimmungen abgedruckt<br />
in DR 1924, S. 214; Feuerherdt, S. 37.<br />
48<br />
Dazu Handbuch der Technischen Nothilfe 1925, hrsg. v. d. Hauptstelle der Technischen<br />
Nothilfe Berlin-Steglitz, o. J. [1925], S. 30 f.