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vierteljahrshefte für zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte

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Die „Technische Nothilfe" 73<br />

Der Grund <strong>für</strong> diese Entwicklung war nicht so sehr in der Tatsache zu sehen,<br />

daß das Versprechen des Innenministers Severing vom November 1928 — zumindest<br />

bis zum Zusammenbruch des Kabinetts Müller am 30. März 1930 — von der<br />

Reichsregierung eingelöst wurde, als darin, daß sich die wirtschaftlichen Verhältnisse<br />

im Reich nach 1928 einschneidend änderten. Unter den Bedingungen<br />

einer ständig wachsenden Massenarbeitslosigkeit, die 1932 ihren Höhepunkt erreichte,<br />

ließen sich Arbeiterstreiks schlecht durchhalten, selbst wenn, wegen der<br />

Brüningschen Notverordnungen seit Anfang der dreißiger Jahre, die gekürzten<br />

Arbeitslöhne einen großen Anreiz zum Ausstand boten 220 . Für die Technische<br />

Nothilfe bedeutete dies, daß sie 1929/30 erstmals überhaupt keine Gelegenheit<br />

zur Intervention in „lebenswichtigen" Betrieben mehr hatte 221 . Diese Situation<br />

war kritisch, denn sie schien, schärfer als je zuvor, die Existenz der Technischen<br />

Nothilfe zu bedrohen; sie untergrub das Selbstverständnis ihrer Führung. Hätte<br />

die Weimarer Republik um 1930 in der Form jener exemplarischen Demokratie<br />

bestanden, als die sie von den Vätern der Verfassung konzipiert worden war, so<br />

hätte sich die Technische Nothilfe, damals nur noch ein Anachronismus, selbst<br />

auflösen müssen. So war es anfangs ja auch gesagt worden 222 . Aber in einem<br />

Staate, der auf der Schwelle zur Präsidäaldiktatur stand, gab es <strong>für</strong> eine Organisation<br />

mit autoritärer Grundstruktur und einer schon traditionellen Neigung<br />

zum Totalitären, wie sie die Technische Nothilfe nun darstellte, selbst ohne fest<br />

umrissene Funktionen einen Platz. Um es zu überspitzen: Die antidemokratische<br />

„Teno" hatte den ihr angemessenen historischen Stellenwert in einem Staatswesen<br />

gefunden, in dem man nun allen Ernstes daran ging, die parlamentarische<br />

Demokratie gänzlich aus den Angeln zu heben.<br />

Im Rahmen dieser aus demokratischer Sicht pessimistischen Analyse mußten<br />

die krampfhaften Bemühungen der TN, sich neue formale Grundlagen <strong>für</strong> ihre<br />

Daseinsberechtigung zu schaffen, alles andere als überzeugend wirken. 1925, als<br />

sich die Anzahl der Streiks zu reduzieren begann, konzentrierte sich die Technische<br />

Nothilfe zunächst mehr auf „Katastrophenhilfe" - eine Spezialität, die sie<br />

220 Zu diesen Zusammenhängen im einzelnen Preller, S. 410-13; Heinrich Göhring, Die<br />

Streik- und Ausstandsbewegung in den Handels- und Verkehrsgewerben unter besonderer<br />

Berücksichtigung der Schiffahrt in den wichtigsten Industrieländern im I. Halbjahr 1929,<br />

in: Hansa, Deutsche nautische Zeitschrift 66 (1929), S. 1240-41; Hoche, S. 788; L. Borsch,<br />

Die bremische Arbeiterschaft in der Wirtschaftskrise, in: Wirtschaft und Arbeit 8 (1931),<br />

Nr. 7, S. 61-64, insbes. S. 63 f.; Gustav Schaum, Der Streik bei der Berliner Verkehrsgesellschaft,<br />

in: Neue Blätter <strong>für</strong> den Sozialismus 3 (1932), S. 36-44, hier S. 39 f.; Morosen,<br />

S. 83; Severing, Republik, S. 184; Werner Imig, Streik bei Mansfeld 1930. Der Streik<br />

der Mansfeld-Arbeiter im Jahre 1930 und seine Unterdrückung mit Hilfe des Staatsapparates<br />

der Weimarer Republik, Berlin [-Ost] 1958, S. 27; Ursula Hüllbüsch, Die deutschen<br />

Gewerkschaften in der Weltwirtschaftskrise, in: Werner Conze u. Hans Raupach (Hrsg.).<br />

Die Staats- und Wirtschaftskrise des Deutschen Reichs 1929/33, Stuttgart 1967, S. 126-54,<br />

hier S. 134 f.; 137,150.<br />

221 Momsen, S. 83.<br />

222 Vgl. Münchener Neueste Nachrichten, 21./22.8.20; Prot., 86. RT-Sitzung, 16.3.21,<br />

S. 3062, 205. RT-Sitzung, 7. 4. 22, S. 7017, BH, MWi 5624.

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