vierteljahrshefte für zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte
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92 Elmar Krautkrämer<br />
folgen 61 . Doch auf dieses Treffen, das Vichy allein Klarheit über das Ausmaß des<br />
deutschen Entgegenkommens hätte geben können, wartete man vergebens. 62<br />
In dieser Zeit des Wartens wurde Lavals Position systematisch untergraben.<br />
Die Vertreibung der Lothringer löste wie nichts zuvor im besetzten wie unbesetz<br />
ten Frankreich eine Woge der Deutschfeindlichkeit aus und veranlaßte die fran<br />
zösische Regierung zu einem äußerst scharfen Protest, der auf Anweisung Weiz<br />
säckers wegen untragbarer Formulierungen und unangemessenen Tones zurück<br />
gesandt wurde 63 . Die Lothringeraktion schlug insofern gegen Laval aus, als sie<br />
als Folge der von ihm be<strong>für</strong>worteten Kollaborationspolitik erschien 63a und seine<br />
Vorstellungen bei Abetz und Göring erfolglos blieben. Bei der Begegnung mit<br />
Göring am 9. November behielt Laval im wesentlichen die in Montoire wie auch<br />
am 31. Oktober von ihm vertretene Position bei, gab sich nicht als Befehlsemp<br />
fänger und vertrat die französischen Interessen 64 .<br />
Zwei Vorgänge sollen nun Lavals Stellung in jenen Wochen besonders er<br />
schüttert haben. Am 6. November hatte Laval bei Abetz der Übertragung der<br />
im jugoslawischen Bor gelegenen französischen Kupferminen an Deutschland<br />
Form zu regeln" und vertrat den Standpunkt: „Je mehr die Franzosen eine grundsätzliche<br />
und möglichst umfassende Zustimmung erhalten, umso mehr wird die Stellung der Regierung<br />
Pétain auf der Linie der neuen Politik gestärkt werden. Jede Beschleunigung der<br />
Vorarbeiten der Franzosen ist erwünscht und zum Schaden Englands" (ebenda Bl. 19 u. 20).<br />
Der Chef des WFSt (Jodl) war erheblich zurückhaltender. Das letzte Wort lag bei Keitel,<br />
der, Jodl folgend, vieles ablehnte und die Entscheidungen über die meisten Forderungen<br />
auf „später" verschob. Zu den Stellungnahmen von WStK, WFSt Abt. L, Chef WFSt und<br />
Entscheidung Keitels zu den einzelnen Forderungen die ausführliche und übersichtliche<br />
Synopse in BA/MA, RW 4/v. 747 Bl. 62-77.<br />
61<br />
Abetz konnte am 4. November Laval eine baldige Begegnung mit Ribbentrop in Aussicht<br />
stellen. ADAP D XI Nr. 499-503.<br />
62<br />
Die Verzögerung war nicht mit der diplomatischen Inanspruchnahme Hitlers und Ribbentrops<br />
in den folgenden Wochen schlechthin zu erklären. Ribbentrop erwähnte gegenüber<br />
Hemmen am 9. November, daß er in der kommenden Woche Molotow, Antonescu und<br />
Suner empfangen werde und hoffe, deren Beitritt zum Dreimächtepakt zu erreichen. Erst<br />
danach wolle er Laval empfangen, um dann mit ihm „aufgrund der inzwischen geschaffenen<br />
neuen Tatsachen zu verhandeln". BA/MA, OKW 2404 (Akte „Gold"). Weitere Argumente<br />
Ribbentrops s. Jäckel S. 133 f.<br />
63<br />
Der Protest bezeichnete die Austreibung als „Verletzung des Waffenstillstandsvertrages<br />
und im Widerspruch zum Völkerrecht und allgemein anerkannten Grundsätzen der Rechtlichkeit<br />
und Menschlichkeit". Wortlaut in La Délég. II S. 383 ff.; Anweisung Weizsäckers<br />
ADAP D XI Nr. 354.<br />
63a<br />
Hieß es schon im Lagebericht des Militärbefehlshabers in Frankreich <strong>für</strong> November,<br />
die „Maßnahmen in Lothringen haben die regierungsfeindliche Stimmung ganz allgemein<br />
. verstärkt", so sagte der Dezemberbericht noch deutlicher: „Die Ausweisung der Elsässer<br />
und Lothringer... wurde nicht als Einzelergebnis empfunden, sondern geradezu als<br />
Symptom (Hervorh. i. Orig.), <strong>für</strong> das Laval verantwortlich gemacht wird". Mil. Befh.<br />
Frankreich, Kommandostab, Lageberichte 1.8.1940 bis 31.1.1941. BA/MA RW 35/v. 1<br />
Bl. 133 u. 203.<br />
64<br />
ADAP D XI Nr. 306. Lavals Bericht darüber in Vichy in Bouthillier Bd. I S. 214-218;<br />
dazu Warner S. 246 f.