vierteljahrshefte für zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte
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94 Elmar Krautkrämer<br />
mußte die Sache Vichy in dem Augenblick, da der accord mit England bevorstand<br />
und das rapprochement mit den USA in vollem Gange war, diskreditieren.<br />
Es galt daher, den Marschall und seine Regierung zu entlasten und einen Sündenbock<br />
zu finden 72 .<br />
Am 29. November fand bei Abetz die zweite Konferenz statt, zu der das OKW<br />
nunmehr, besorgt um eine baldige Vereinbarung mit Frankreich, General Warlimont<br />
entsandte. Von französischer Seite war, neben Laval, de Brinon, Huntziger<br />
und Luftwaffenmajor Stehlin 72a , nun auch Admiral Darlan zugegen 73 . Hier<br />
ging es vorrangig um die Tschad-Operation, die Huntziger schon wenige Wochen<br />
zuvor in Aussicht gestellt hatte 74 . Doch inzwischen waren in Vichy, was die Beziehungen<br />
zu London und Washington anbelangt, entscheidende Dinge vorgegangen.<br />
Huntziger verhielt sich nun merklich zurückhaltender als vier Wochen<br />
zuvor. Von einem ,chasser les Anglais' war keine Rede mehr. Huntzigers nächstes<br />
Ziel war, das Kolonialreich gegen gaullistische oder englische Angriffe zu<br />
schützen und eine Ausbreitung der Aufstandsbewegung zu verhindern. Erst dann<br />
sei ein weiterer Schritt die Wiedereroberung der verlorenen Gebiete. Wenn<br />
Huntziger einen Angriff gegen den Tschad nur vom Westen her <strong>für</strong> möglich<br />
hielt, so ging es ihm dabei um die Errichtung der Abwehrlinie von Niamey über<br />
Zinder zum Tschadsee, um ein Übergreifen der Dissidenz vom britischen Nigeria<br />
auf die Nigerprovinz zu verhindern 75 . Das Beharren darauf, daß der Angriff nicht<br />
72 Bouthillier (Bd. I S. 235) behauptet, daß Laval Hemmen am 29. November seine Zustimmung<br />
gab, nachdem er ihn, (Bouthillier) telephonisch informierte. Nach einem von Abetz<br />
gegengezeichneten Bericht Hemmens vom 30. November fand jedoch an diesem Tag die<br />
Verhandlung mit Abetz in Paris statt, die 2 1/2 Std. dauerte, und in deren zweiten Teil<br />
Laval den Finanzminister hinzuzog, der zunächst „die größten Schwierigkeiten formeller<br />
Art" gemacht haben soll, bis es Hemmen gelang, in Besprechungen mit ihm und Boisanger<br />
die Bedenken auszuräumen. Laval hatte dann als Bedingung <strong>für</strong> seine Zustimmung einen<br />
Deckungsbrief der deutschen Regierung an die französische Regierung gefordert, <strong>für</strong> den<br />
Fall, daß aus Art und Weise der Durchführung der Transaktion später von der Nationalbank<br />
von Belgien gegen die Banque de France Ansprüche hergeleitet werden. Hier wird<br />
also ebenfalls Bouthilliers Darstellung der großzügigen und leichtfertigen Handlungsweise<br />
Lavals widerlegt. BA/MA, OKW, 2404.<br />
72a Stehlin, aus dem deuxième bureau-air hervorgegangen, war von 1936-1939 Adjutant des<br />
französ. Luftwaffenattaches in Berlin. Seine Teilnahme an der Konferenz ging auf Luftwaffenchef<br />
General Bergeret zurück, der selbst nicht teilnehmen wollte. Stehlin, gebürtiger<br />
Elsässer, sprach perfekt deutsch und sollte im Auftrag Bergerets nur zuhören und hernach<br />
berichten. Paul Stehlin, Témoignage pour l'histoire, Paris 1964, S. 282 ff. (s. jedoch u.<br />
S. 106 mit Anm. 129).<br />
73 Dazu die Berichte Abetz' vom 30. November und 1. Dezember ADAP D XI Nr. 428 u.<br />
434; Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht (Wehrmachtführungsstab) 1940-<br />
1945 (künftig KTB/OKW). Bd. 1, zusammengest. u. erl. v. H. A. Jacobsen, Frankfurt/M.<br />
1965, Eintr. 7. Dezember 1940. Am ausführlichsten das Achenbach-Protokoll in BA/MA<br />
RW 4/v. 747, Bl. 81-98.<br />
74 Doyen an Stülpnagel am 5. November 1940, La Délég. II S. 321-325.<br />
75 Zu seiner Argumentation im einzelnen BA/MA RW 4/v. 747, Bl. 95.